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Ausgabe:

März/2015

Spalte:

187–189

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Feldman, Louis H., Kugel, James L., and Lawrence H. Schiffman [Eds.]

Titel/Untertitel:

Outside the Bible. Ancient Jewish Writings Related to Scripture. 3 Vols.

Verlag:

Lincoln: University of Nebraska Press 2013. XXX, 3361 S. Kart. US$ 275,00. ISBN 978-0-8276-0933-4.

Rezensent:

Michael Tilly

Die englische Übersetzung und Kommentierung eines relevanten und kennzeichnenden Segments des ebenso umfassenden wie heterogenen Gesamtbestands jüdischer Schriften von der Perserzeit bis zur Entstehung des Rabbinats enthalten die zu rezensierenden drei voluminösen Quartbände, deren Herausgeber in ihrer Einführung (XV–XXVIII) zunächst die Prinzipien der Abfolge (nämlich die inhaltliche und formale Nähe zur hebräischen Bibel) und der Auswahl der in dem Sammelwerk angeführten und besprochenen Texte (nämlich ihre repräsentative Bedeutung für die Literatur und Religion des antiken Judentums) erläutern. Während der Großteil der im Inhaltsverzeichnis aufgeführten, in anderen mo­dernen Sammlungen als »Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit«, »Apokryphen und Pseudepigraphen« oder »Parabiblica« bezeichneten Texte hier vollständig abgedruckt ist, wurde aus der Septuaginta sowie aus den Werken des Philon von Alexandria und des Flavius Josephus jeweils nur eine Auswahl zusammengestellt, geleitet von dem Selektionskriterium »to represent as fully as possible the characteristic ideas or techniques of the text in question« (XVII).
Während die meisten der Übersetzungen von ihren (insgesamt 71) durchweg renommierten wissenschaftlichen Bearbeitern un­terschiedlicher Nationalität und Konfession aus bereits vorhan-denen (mehrheitlich von ihnen selbst verfertigten) kritischen Einzeleditionen übernommen bzw. für die erneute Drucklegung ak­tualisiert wurden, stellen einige von ihnen (QuaestGen, QuaestEx, 3Esr, TestXII, 1QGenApoc, 11QT) komplette Neuübertragungen ins Englische dar. An den eigentlichen Einführungsteil schließen sich fünf kurze Essays an (1–30), welche die griechische Bibelübersetzung ( Emanuel Tov), das apokryphe und pseudepigraphe Schrifttum (James L. Kugel), den jüdischen Philosophen Philon aus Alexandria (David T. Runia), den Geschichtsschreiber Flavius Josephus (Louis H. Feldman) und die Schriftrollen vom Toten Meer (Lawrence H. Schiffman) vorstellen.
Gegenstand des ersten Hauptteils (33–208) sind die Septuaginta und andere jüdische Bibelübersetzungen. Die Textauswahl des maßgeblichen Bearbeiters (Emanuel Tov) erstreckt sich dabei auf Gen 11; Dtn 32; Jos 20; 24; 1Sam 1; 2; 1Kön 2; 5; 11; Jer 10; 27; 43; Spr 1; Esth 1; 3; 8; Hiob 34 und Dan 4. Bestimmend für die Auswahl gerade dieser Abschnitte ist das jeweils besonders aussagekräftige Verhältnis zwischen Vorlage und Übersetzung: »The texts were selected to illustrate the various types of differences between the Greek and Hebrew Bibles« (33). Beigefügt sind vollständige, jeweils mit einer Einleitung versehene und annotierte Übersetzungen von AddEst ( Michael V. Fox), AddDan (Matthias Henze) und 3Esr (Sara Japhet). Im zweiten Hauptteil (209–666) geht es um Fortschreibungen biblischer Erzählinhalte. Enthalten sind 4Q252 (George J. Brooke), 4Q180 (Andrew D. Gross), einige Gen 6,1–4 weiterführende aramäische Qumrantexte (Loren Stuckenbruck), 1QGenApoc (Matthew J. Morgenstern und Michael Segal), 4Q370 (Alex P. Jassen), Jub sowie 4Q225–227 (James L. Kugel), 4Q243–245 und 4Q246 (John J. Collins), der Nahumpescher 4Q169 (Shani Berrin Tzoref) sowie der Habakukpescher 1QpHab (Bilhah Nitzan). Der Übersetzung jeder dieser – durchweg mit den Trägerkreisen der Handschriften vom Toten Meer in Verbindung zu bringenden – Schriften gehen eine kurze Behandlung von Einleitungsfragen, Spezialproblemen und Wirkungsgeschichte im Judentum und im Christentum sowie eine Auflistung weiterführender Sekundärliteratur voran. Die gründlichen Kommentierungen bieten neben zahlreichen Hinweisen auf parallele oder analoge Inhalte und Motive in jüdischen, christlichen und paganen antiken Texten vor allem philologische und religionsgeschichtliche Analysen und Interpretationen.
Während der dritte Hauptteil (667–803) die (oft nur fragmentarisch erhaltene) Auslegungsliteratur aus der Feder griechischsprachiger hellenistisch-jüdischer Autoren wie Demetrius (Lorenzo DiTommaso), Artapanus (Erich S. Gruen), Eupolemus (Gregory E. Sterling), Hecataeus (Bezalel Bar-Kochva), Theodotus (Howard W. Attridge), die wenigen erhaltenen Werke des Epikers Philon (Howard Jacobson) und des Tragikers Ezechiel (Howard Jacobson) sowie die pseudepigraphischen Dichtungen des Pseudo-Orpheus (David E. Aune) und die Homilien des Pseudo-Philon (Gohar Muradyan und Aram Topchyan) versammelt, enthält der vierte Hauptteil (805–1133) einige zentrale Exempla der allegorischen Toraauslegung des alexandrinischen Religionsphilosophen Philon wie QuaestGen und QuaestEx (Gohar Muradyan und Aram Topchyan), OpMund (David T. Runia), LegAll 1,31–62 und VitMos (Maren Niehoff), Abr (Ellen Birnbaum), Migr (Peder Borgen), Decal (Sarah Judith Pearce) und SpecLeg (Naomi G. Cohen).
Der zweite Teilband beginnt mit einer Auswahl von übersetzten und kommentierten Passagen aus den Antiquitates Iudaicae des Josephus (1135–1327). Der in diesem fünften Hauptteil von Louis H. Feldman, David M. Goldenberg, Silvia Castelli, Pablo Torijano und Paul Spilsbury gebotene Text und die fortlaufenden Erläuterungen umschließen Ant 1,27–36.73–108.154–168.222–236.337–340; 2,39–60. 238–253; 3,300–316; 4,14–58.102–125.260–288.320–331; 5,100–114.136–149.201–209.263–266.276–285.328–337; 6,143–155.177–190.255–261.327– 339.368–372.375–378; 7,147–153.234–244; 8,26–34.44–49.111–117.144–149 und 11,1–7.79–113.184–204.209–296. Jüdische Schriften, deren Inhalte sich um biblische Erzählfiguren ranken, nimmt der sechste Hauptteil (1329–1668) in den Blick. Die Einleitungen, Übersetzungen und Kommentare umfassen VitAd ( Gary A. Anderson), äthHen (Miryam T. Brand), ApkAbr (Alexander Kulik), 11QMelch (Joseph L. Angel), das aramäische Levi-Dokument bzw. 4Q542–548 (Michael E. Stone und Esther Eshel), 4Q543–549 (Andrew D. Gross), 4Q365 (Sidnie White Crawford), das Josua-Apokryphon (Miriam Zangi und Hanan Eshel), 4Q160 (Andrew D. Gross), 4Q385–388 (Devorah Dimant), EpJer und Bar (Steven T. Fraade), syrBar (Adam H. Becker), grBar (Yevgeniy Y. Zingerman), das Gebet Nabonids (John J. Collins), und 4Esr (Karina Martin Hogan). Mit der Testamentenliteratur beschäftigt sich der siebte Hauptteil (1669–1899). Ins Englische übertragen und erklärt werden TestAbr (Annette Yoshiko Reed), TestXII (James L. Kugel), AssMos (Kenneth Atkinson), 4Q542 (Andrew D. Gross) sowie TestHiob (Harold W. Attridge). Am Ende des Bandes steht der achte Hauptteil (1901–2151) mit einer Reihe von jüdischen Gebeten und Psalmen wie beispielsweise PsSal (Kenneth Atkinson), 4QShirShabbat (Michael D. Swartz), 1QH (Angela Kim Harkins), 11QPsa (Eileen Schuller), sechs im Kontext der apostolischen Konstitutionen überlieferte griechische Synagogengebete (Pieter W. van der Horst) und schließlich das Gebet Manasses (Esther G. Chazon).
Den Anfang des dritten Teilbands macht die jüdische Weisheitsliteratur. Enthalten sind in diesem neunten Hauptteil (2153–2443) Übersetzungen und exegetische Anmerkungen sowohl zu Weish (Peter Enns), Sir (Benjamin G. Wright III.), PsPhokyl (Pieter W. van der Horst) und 4Makk (David A. deSilva) als auch zu mehreren Handschriften aus der Wüste Juda (z. B. 4Q184 f.298.302 f.411–413. 424.426), die ebenfalls als Weisheitstexte identifiziert werden können (Armin Lange). Der zehnte Hauptteil (2445–2522) wendet sich erneut dem Werk Philons zu und fokussiert dabei dessen philosophische Traktate Virt (Walter T. Wilson), VitCont (David M. Hay) und Hypothetica (Gregory E. Sterling). Mit den lehrhaften Ge­schichtserzählungen JosAs (Patricia Ahearne-Kroll), Jud (Betsy Halpern-Amaru), Tob (George W. E. Nickelsburg), ParJer (Pablo Torijano) und 3Makk (Sara Raup Johnson) befasst sich der elfte (2523–2707), mit literarischen Geschichtsdarstellungen wie Arist (Erich S. Gruen), 1Makk (Lawrence H. Schiffman), 2Makk (Daniel R. Schwartz), Josephus’ De Bello Iudaico 2,119–166 (Albert I. Baumgarten) und Contra Apionem (John M. G. Barclay) sodann der 12. Hauptteil (2709–2919). Der 13. Hauptteil (2921–3171) enthält die eigent-lichen »Sektenschriften« unter den Textfunden vom Toten Meer. Wiedergegeben und erklärt werden hier unter anderem 1QS (Alex P. Jassen), CD (Joseph L. Angel), 11QT und 4QMMT (Lawrence H. Schiffman) sowie 1QM (Jean Duhaime). Zwei Appendizes (3173 und 3175–3178) listen das in den Anmerkungen begegnende biblische und außerbiblische Schrifttum auf. Beigegeben sind Verzeichnisse der Erstveröffentlichung der einzelnen Übersetzungen (3179–3190) und der Mitarbeiter (3191–3194) sowie ein – besonders ausführlicher – Index der Sachen, Namen und Orte (3195–3361).
Vergleicht man das vorliegende Mammutwerk mit ähnlichen neueren Textsammlungen (JSHRZ, OTP) und ihren Ergänzungen (JSHRZ.NF, More OTP), so ist festzuhalten, dass es im Gegensatz zu diesen nicht den Anspruch auf eine vollständige Erfassung des verfügbaren Bestandes antiker jüdischer Schriften erhebt, sondern eben eine breite repräsentative Auswahl aus diesem Bestand bieten will. Dabei kommen nahezu ausnahmslos international ausgewiesene Fachleute zu Wort, die sowohl die antiken Texte als auch die einschlägigen aktuellen Fachdiskussionen in ihrer ganzen Breite überblicken, was das Kompendium – insbesondere im Hinblick auf die »parabiblischen« antiken jüdischen Schriften – zu einem beeindruckend detaillierten und überaus verlässlichen Referenzwerk werden lässt.
Natürlich vermisst man einige Texte; insbesondere »apokalyptische« Werke und im Hinblick auf ihre jüdische Provenienz strittige Schriften wie beispielsweise AscJes oder VitProph sind nicht aufgeführt. Die Integration der Werke Philons und Josephus’ sowie zahlreicher Texte vom Toten Meer indes scheint sich zwar zunächst an dem Bedürfnis nach einem extensiven »Textbook« für den akademischen Lehrbetrieb zu orientieren, ermöglicht (vor allem aufgrund der klugen Textauswahl und der gründlichen Register) aber auch eine gezielte Suche nach antiken Inhalten und aktuellen bibelwissenschaftlichen, judaistischen und religionsgeschichtlichen Deutungen.