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Ausgabe:

Juli/August/1999

Spalte:

747 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Söding, Thomas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der Evangelist als Theologe. Studien zum Markusevangelium.

Verlag:

Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1995. 195 S. 8 = Stuttgarter Bibelstudien, 163. Kart. DM 59,-. ISBN 3-460-04631-7.

Rezensent:

Dieter Lührmann

"Der Evangelist als Theologe" - das ist als Korrektiv gemeint gegenüber dem "Erzähler des Evangeliums" des 1985 in derselben Reihe von Ferdinand Hahn herausgegebenen Sammelbandes. Zwar sei das Markusevangelium - und um das geht es in beiden Fällen - als narrativ und traditionsgebunden zu bezeichnen, aber eben auch und vor allem auf die so gestaltete Theologie hin zu interpretieren. Das geschieht in sechs Beiträgen von in der Markusforschung auch sonst ausgewiesenen Autoren, alle Mitglieder des neutestamentlichen Oberseminars, das Karl Kertelge über Jahre in Münster gehalten hat (9). Daraus ergibt sich argumentativ wie methodisch eine große Geschlossenheit, und es entsteht ein in sich einheitliches Bild der markinischen Theologie.

Thomas Söding eröffnet den Band mit einer ausführlichen Einleitung: "Der Evangelist in seiner Zeit" (11-62), die betont abzielt auf "Voraussetzungen, Hintergründe und Schwerpunkte markinischer Theologie" (Untertitel). Die Christologie behandelt Klaus Scholtissek: "Der Sohn Gottes für das Reich Gottes" (63-90); beides ist engstens zusammenzusehen. Knut Backhaus beschreibt unter dem Stichwort von Mk 10,45 die Soteriologie: "Lösegeld für viele" (91-118). Das Kapitel "Das Gesetz im Markusevangelium" (119-150) von Rainer Kampling ist im wesentlichen eine Auslegung von Mk 7,1-23; daß das Stichwort nomos im Evangelium ja fehlt (122), hätte hier vielleicht doch grundsätzlicher historisch wie theologisch bedacht werden können. Karl Kertelge handelt über "Jüngerschaft und Nachfolge" (151-165) als "Grundlegung von Kirche nach Markus", also die Ekklesiologie. S. beschließt den Band mit der Ethik: "Leben nach dem Evangelium" (167-195).

Das Markusevangelium erscheint hier insgesamt als ein Werk, das charakterisiert ist durch die Christologie und die damit eng verbundene Reich-Gottes-Botschaft Jesu wie der Kirche; ja, die Kirche wird fast zur Prolepse des Reiches Gottes (Kertelge 165). Markus erzählt die Geschichte Jesu, aber eben unter theologischen Gesichtspunkten. Diese sind in den geläufigen Begriffen der Dogmatik zu bestimmen. Insofern ist die Thematik auch nicht erschöpft mit den hier vorgelegten Kapiteln, und alle Autoren des Bandes haben ja an anderen Stellen viele weitere derartige Topoi aufgegriffen: Wunder, Glaube, Israel u. a.

Das Problem solcher Interpretation beschreibt Kampling präzis: "daß sie aus der Erzählung systematisierend thematisch bezogene Aussagen zu gewinnen sucht, um die narrativ vermittelte theologische Intention zu bestimmen. Das, was der Evangelist vermied, eine Zusammenstellung seiner Glaubens- und Lehrmeinungen in systematischer Form zu geben, ist in der Auslegung synthetisch zu leisten" (119). Aber kann man so sicher sein, daß der Evangelist das wirklich "vermied"? Hat er denn daran überhaupt gedacht? Im Markusevangelium fehlen ja z. B. gerade derartige interpretierende Reden Jesu. Vielleicht ist die Alternative doch erheblicher, als es in diesem Band scheint, und der Gewinn narrativer Interpretation größer.