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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

156–157

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Sebastian Grätz, Irene Dingel

Titel/Untertitel:

Gustav Adolf Benrath (1931–2014) zum Gedenken

Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und das
 Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz 
trauern um Professor Dr. theol. Gustav Adolf Benrath Litt.D. h.c., Universitätsprofessor für Kirchen- und Dogmengeschichte und Kommissarischer Leiter der Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte des Instituts für Europäische Geschichte (1991–1993), geboren am 7.12.1931 in Karlsruhe, verstorben am 5.11.2014 in Ladenburg.

Benrath studierte – aus einem evangelischen Pfarrhaus stammend – nach einer humanistischen Gymnasialausbildung Theologie in Heidelberg und Wien und schlug früh die wissenschaftliche Laufbahn ein. 1959 bei Heinrich Bornkamm mit einer Arbeit über »Reformierte Kirchengeschichtsschreibung an der Universität Heidelberg im 16. und 17. Jahrhundert« promoviert, hatte er von 1960 bis 1962 eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg inne und versah von 1961 bis 1972 einen Lehrauftrag für badische und pfälzische Kirchengeschichte an der Ruperto Carola. Nach seiner Habilitation im Jahre 1964 mit einer Untersuchung über John Wyclifs Bibelkommentar erfolgte 1970 seine Berufung auf ein Ordinariat für Kirchen- und Dogmengeschichte am damaligen Fachbereich Evangelische Theologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Schon im Jahr zuvor hatte ihm das Ursinus College in Coll egeville, Pennsylvania, ein Doktorat honoris causa verliehen. Einen ehrenvollen Ruf an die Universität Münster, den er im Dezember 1976 erhielt, lehnte er ab und wirkte bis zu seiner Emeritierung 1997 in Mainz. Benrath hat Generationen von angehenden Pfarrerinnen und Pfarrern, Re­ligionslehrerinnen und Religionslehrern im In- und Ausland ge­prägt. Studienaufenthalte und Gastdozenturen führten ihn nach Oxford, an die Rice University in Houston, Texas, und an die University of Glasgow. Von 1991 bis 1993 übernahm er zudem die kommissarische Leitung der Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte des Instituts für Europäische Geschichte, das dadurch eine lange Vakanz in einem seiner beiden Direktorate überbrücken konnte. Auch die außeruniversitäre, interdisziplinäre Forschung des heutigen Leibniz-Instituts erhielt so durch die hohe Gelehr samkeit Gustav Adolf Benraths wichtige Impulse. Sein Interesse galt der Geschichte des Christentums in sowohl regionalen als auch globalen Dimensionen. Schwerpunkte lagen auf der Erforschung spätmittelalterlicher Erneuerungsbewegungen wie auf der Reformationsgeschichte in ihrer ganzen Breite. In den letzten Jahren widmete er sich vor allem den Entwicklungen des 18. und 19. Jahrhunderts, wobei die Entstehung der konfessionellen bzw. kirchlichen Unionen in den Vordergrund rückte sowie die personen- und werkgeschichtliche Er­schließung von herausragenden Persönlichkeiten des Pietismus und der Erweckungsbewegung. Benrath verstand es, Forschung und Lehre aufs Feinste zu kombinieren. Durch seine verantwortungsbewusste, wissenschaftliche Betreuung und persönliche Zu­wendung konnte er eine große und treue Schülerschar um sich versammeln. Was er ihr vermittelte, kann zugleich als Markenzeichen seiner eigenen Arbeit gelten: quellennahe Analyse, Präzision und Liebe zum Detail, ohne die übergreifenden Zusammenhänge aus dem Blick zu verlieren. Dabei wurde ihm die kirchen- und dogmengeschichtliche Forschung nie zum akademischen Selbstzweck. Vielmehr war er stets darum bemüht, auch die interessierte Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Seine zahlreichen Vorträge machen deutlich, dass wissenschaftliche Gelehrsamkeit das einfache und verständliche Wort nicht zu scheuen braucht. Mit Gustav Adolf Benrath verliert die akademische Theologie einen allseits anerkannten Gelehrten, hochgeschätzten Kollegen und verehrten Lehrer. Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Johannes Gu­tenberg-Universität und das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Sebastian Grätz, Dekan
Irene Dingel, Direktorin des IEG (Abt. Abendl. Rel.Gesch.)