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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

128–130

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Hofmann, Beate

Titel/Untertitel:

Sich im Glauben bilden. Der Beitrag von Glaubenskursen zur religiösen Bildung und Sprachfähigkeit Erwachsener

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2013. 495 S. m. 84 Abb. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-3-374-03176-4.

Rezensent:

Johannes Zimmermann

Als Basisbewegung entstanden und durch das EKD-Projekt »Er­wachsen glauben« in einen breiteren Aufmerksamkeitshorizont gerückt, haben sich »Glaubenskurse« als bemerkenswertes neues kirchliches Handlungsfeld etabliert, das inzwischen auch von der theologischen Forschung wahrgenommen wird. Nach den Dissertationen von Götz Häuser (2004) und Jens-Martin Sautter (2005) legt Beate Hofmann mit ihrer Neuendettelsauer Habilitationsarbeit eine dritte Monographie zur Thematik vor. Stärker als ihre Vorgänger wendet sie sich dem Bildungsaspekt von Glaubenskursen zu, insbesondere wählt sie einen empirischen Zugang in der Ab­sicht, nicht nur das Kursmaterial zu untersuchen, sondern »die Wirkung aus der Sicht der Teilnehmenden zu beschreiben und dazu die Sicht der Kursleitenden zu ergänzen« (80).
Die ersten drei Kapitel dienen der Einführung: Die Vfn. versteht unter Glaubenskursen »ein zeitlich begrenztes kirchliches Veranstaltungsangebot für Erwachsene […], in dem Fragen des christlichen Glaubens kommuniziert werden« (14). Im zweiten Kapitel zeichnet sie ein Panorama der religiösen Landschaft des 21. Jh.s, stellt Fragen nach der Lernbarkeit des Glaubens und dem Verständnis von Glaubenskursen als missionarischer Bildung. Das dritte Kapitel fragt, wie Erwachsene lernen, und legt einen Akzent auf den konstruktivistischen Zugang mit dem Verständnis von Bildung als selbstreflexivem, vom Subjekt geleisteten Prozess (77).
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Darstellung der 2009 in den Großräumen Nürnberg und Dresden durchgeführten empirischen Studie (Kapitel 4–8); sie umfasst mit 342 von 474 Seiten mehr als 70 % des Umfangs. Neben soziodemographischen Standardfragen (Alter, Geschlecht, Bildung, Berufstätigkeit, Lebensform usw.) fragt die Vfn. nach Kirchenverbundenheit und Partizipation am kirchlichen Leben, nach Regionen (Ost-West) und nach Milieus. Ergänzend zu den Fragebögen wurden 20 Personen interviewt.
Ein wichtiger Zugang zum Phänomen »Glaubenskurse« besteht in der Typenbildung. Die Vfn. unterscheidet drei Gruppen von Glaubenskursen. Typ 1 sind Kurse, die von den jeweiligen Kursleitenden selbst entwickelt wurden. Sie werden vor allem in den neuen Bundesländern angeboten und oft im Kontext von Kasualien (Kircheneintritt, Taufe) besucht; Motive sind das Bedürfnis nach Information über den Glauben und die Klärung der Beziehung zur Kirche/Gemeinde. Bei Typ 2 handelt es sich um etablierte Kurs-Formen mit vorgegebenem Kurs-Material (z. B. Alpha, Spur8, »Stufen des Lebens«), hier zeigen sich spirituelle Interessen und der Wunsch nach Austausch. Die Fortsetzung findet oft in Kleingruppen statt. Typ 3 besteht aus Kursen für spezielle Zielgruppen oder mit besonderen inhaltlichen Profilierungen wie z. B. »Exerzitien im Alltag«. Hier stehen thematische Interessen im Vordergrund.
Die Teilnehmerstrukturen (Kapitel 5) dienen als Grundlage für die Fragen nach Motiven für die Teilnahme an Glaubenskursen (Kapitel 6), nach Kursgestaltung und Kursgeschehen (Kapitel 7) sowie nach Wirkungen und Erträgen (Kapitel 8). Der Leser benötigt einen langen Atem, um sich durch eine Fülle von Darstellungen und Schaubildern durchzuarbeiten. Er wird entschädigt durch immer wieder neue Beobachtungen. Mal sind es die Unterschiede zwischen Kurstypen oder einzelnen Kursen, immer wieder Ost-West-Differenzen, dann Unterschiede in Kirchenverbundenheit oder Milieuzugehörigkeit. Die statistischen Daten werden ergänzt und illustriert durch Zitate aus den Interviews; hilfreich sind auch die Zusammenfassungen.
Repräsentativität ist bei einer derartigen Studie nicht möglich (83), nicht alle Themen können berücksichtigt werden (z. B. treten Glaubenskurse in ländlichen Regionen zurück), aber insgesamt er­weist sich das Vorgehen der Vfn. als sinnvoll und einleuchtend. Einige Schlaglichter:
Wichtig sind nach wie vor die Unterschiede Ost-West. Teilnehmende im Großraum Dresden sind jünger, häufiger männlich und gebildeter als im Großraum Nürnberg, der biographische Ort ist oft der der Familiengründungsphase, außerdem sind sie kirchendistanzierter, teils mit konfessionslosem Hintergrund.
Die Aufgabe der Leitung besteht in der Ermöglichung von Ge­sprächen durch Gestaltung eines Rahmens, der Kommunikationsprozesse zulässt und anregt (318 f.). Glaubenskurse werden als anregend und ertragreich wahrgenommen, wo Räume des Austauschs und der Konstruktion entstehen (337).
Die Leitung hat nicht nur die Aufgabe der Moderation, sondern steht als Zeugin »für die Relevanz und Viabilität der christlichen Deutungen« (344). Daher braucht es die »Bereitschaft, sich als glaubende Person zu zeigen und […] sich […] auf Beziehungsdidaktik einzulassen« (434). Das Kursmaterial hingegen ist »wesentlich weniger wichtig […] als bisher angenommen« (437).
Glaubenskurse wecken nicht das Interesse für den Glauben, sondern stillen das anderweitig geweckte Interesse und »formatieren« vorhandene religiöse Erfahrungen (404). Die Erfahrung von Gastfreundschaft ist ein »wichtiges, oft unerwartetes und überwältigendes Moment des Kurses, das man nicht aus Angst vor dem Aufwand ›verschenken‹ sollte« (449).
Im neunten Kapitel erfolgt eine Ertragssicherung, verbunden mit der Frage nach didaktischen Konsequenzen. Wem die »Anfahrt« über mehr als 300 Seiten Ergebnispräsentation zu lang ist, der findet hier die wichtigsten Resultate gebündelt.
Das Fazit der Vfn. ist insgesamt positiv: »Glaubenskurse als be­fristete, auf Verbindlichkeit in der Teilnahme angelegte Projekte haben in der Gesellschaft des frühen 21. Jh.s einen Ort und eine Chance. Sie stoßen bei den Teilnehmenden auf eine hohe Bereitschaft, sich einzulassen und Zeit zur Verfügung zu stellen.« (442)
Das zehnte Kapitel stellt abschließend die Frage: »Wie missionarisch kann religiöse Bildung sein?« Hier geht die Vfn. weiter in der Interpretation und stellt ihre Position zur Diskussion. Sie insistiert immer wieder auf der aktiven Beteiligung des Subjekts: »Glaubenskurse sind Orte, an denen Menschen ihre eigenen religiösen Selbst- und Weltdeutungen in Auseinandersetzung mit christlichen Deutungen weiterentwickeln.« (451) Solche Prozesse sollten deshalb nicht ignoriert, sondern gefördert und begleitet werden (452). Das ist grundsätzlich einleuchtend und angesichts der Ergebnisse der Studie auch nicht zu bestreiten. Mitunter wird dies so stark betont, dass die Aktivität des Subjekts schon fast in Konkurrenz zur Passivität des Glaubens als Erschließungserfahrung bzw. der theolo-gischen Perspektive des Handelns Gottes in, mit und unter diesen Prozessen gerät. Weiter könnte angesichts der hohen Bedeutung der Kommunikation in Glaubenskursen über die Subjektivität hinaus die soziale Dimension des Lernens, konkret die Sozialität in Kleingruppen, stärker in den Blick kommen. An diesen Stellen lohnt es sich, die Diskussion weiterzuführen.
Wie sehen »missionarische« Aspekte in der Teilnehmerperspektive aus? Glaubenskurse werden »als Erwachsenenbildung, nicht als Evangelisation wahrgenommen« (468). Die oft diskutierte Frage nach einer »Inszenierung von Antworten« steht in der Wahrnehmung der Teilnehmenden nicht im Vordergrund (472).
Die Arbeit ist eine beeindruckende, respektable Leistung, mit der die Vfn. durch den empirischen Beitrag und vor allem durch den Einbezug der Teilnehmerperspektive die Forschung zu Glaubenskursen ein wichtiges Stück voranbringt. Die Sachlichkeit der Darstellung ist angesichts kontroverser Diskussionen angenehm, wo sie ihre eigene Position einbringt, regt die Vfn. zum Weiterdenken an.