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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

111–115

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gilich, Benedikt

Titel/Untertitel:

Die Verkörperung der Theologie. Gottesrede als Metaphorologie

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2011. 445 S. m. Abb. = ReligionsKulturen, 8. Kart. EUR 49,80. ISBN 978-3-17-021496-5.

Rezensent:

Philipp Stoellger

In seiner katholisch-theologischen Dissertationsschrift im Bereich der Fundamentaltheologie, angenommen von der Paris-Lodron-Universität Salzburg und betreut von G. M. Hoff, entfaltet und exemplifiziert Benedikt Gilich seine These, »Theologie als Metaphorologie!« zu konzipieren (414).
Zunächst wird die »Metaphorologie als theologischer Diskurs­ort« (11–28) eröffnet. Anschließend werden »Zwischen metaphorologischer Theologie und theologischer Metaphorologie« relevante Entwürfe des protestantisch- und katholisch-theologischen Metapherndiskurses seit Ricœur und Jüngel dargestellt (29–89). Dabei konzentriert sich der Vf. vor allem auf systematisch-theologische Beiträge (exegetische und historische Beiträge werden nicht eigens thematisch). Es folgt ein Abschnitt »Diskursive Metaphorologie« (91–142), in dem der philosophische Diskurs von Derrida und Ri-cœur erörtert wird. Daran schließt an »Kognitive Metaphorologie: Die Metapher als Prinzip imaginativer Rationalität« (143–247), um vor allem Lakoff und Johnson zu behandeln. Daran schließt an »Metaphorologie als Integral mystagogischer Theologie: Im Dialog mit Karl Rahner« (275–349). Den systematischen Ertrag formuliert der Vf. unter dem Titel »Theologie als Metaphorologie« (351–406, mit Rückblick und Ausblick 407–417 [als Zusammenfassung der Ar­beit]). Die Kapitel sind stets mit knappen Einleitungen und konzisen Ergebnisformulierungen versehen. Streckenweise bekommt die Ar­beit dadurch Lehrbuchcharakter (im besten Sinne; vgl. 27 f.). Die Arbeit ist in ihren darstellenden Teilen so klar wie gut geordnet, wenn auch unvermeidlicherweise selektiv. Darüber wird man sc. streiten können, aber nicht müssen (etwa über die ergänzungsbedürftige Darstellung von Derrida und Ricœur). Innovativ ist die prominente und raumgreifende Erörterung von Lakoff und Johnson, die den Hintergrund für die Titelthese des Vf.s bildet, wenn er Metaphern als Sprachfiguren der ›Verkörperung der Theologie‹ begreift.
Die Anlage der Arbeit ist bestimmt durch die Frage nach der Metapher im theologischen Text, also nicht allein als Sprachform religiöser Rede, sondern als solche der Theologie. ›Gottesrede‹ ist daher als Rückübersetzung von ›Theologie‹ aufgefasst. Dann ist nachvollziehbar, warum ›Gottesrede als Metaphorologie‹ konzipiert wird. Dass religiöse Rede metaphorisch ist, ist sicher unstrittig. Dass Theologie legitimerweise metaphorisch spricht und denkt (Sprachdenken als Grundform der Vernunft wäre eigens zu erörtern), ist bereits eine erhebliche These, die für all diejenigen strittig sein dürfte, die Theologie dominant als Begriffsbestimmung begreifen. Dass aber Theologie selber als Metaphorologie konzipiert wird, ist noch strittiger. Das ist eine Leitbestimmung, die selber metaphorisch zu begreifen ist (oder genauer: metonymisch?).
Der Vf. geht aus von einer Polarität, die er als metaphorologische Theologie versus theologische Metaphorologie bestimmt: entweder als Anwendung nichttheologischer Metapherntheorien auf die Theologie oder (umgekehrt?) als »theologische Deutung des metaphorischen Prozesses« (oder: des Metapherndiskurses?) (29 f.). Darin gründet seine Kritik solcher theologischen Rezeptionen von Metapherntheorien, die von der »Hintergrundmetapher Metaphorologie ist Theologie« ausgehen, ohne diese Übertragung in die Theologie theologisch zu reflektieren (88 f.). Allerdings folgt der Vf. hier einer (unnötig) einsinnigen Übertragungsrichtung vom Bildspender auf den Bildempfänger (88). Sobald die Interaktion oder Interferenz von Theologie und Metapherntheorie komplizierter erscheint (etwa als beiderseits asymmetrischer Chiasmus), werden die Polarisierung und deren normative Funktion fraglich. Der Vf. zeigt sehr plausibel, dass zwischen Metapherndiskursen und Theologie ein seinerseits metaphorischer Prozess vorliegt, so dass hier nicht schlicht zwei Phasen sauber zu scheiden sind (erst Metaphorologie und dann Theologie). In diesem Prozess stehe die Theologie in Verantwortung, ihren Metaphorologierekurs theologisch zu verantworten: allerdings vor wem genau? Vor ›der‹ Theologie, ›den‹ Metapherndiskursen, ›der‹ Methodendiskussion in den Kultur- und Geisteswissenschaften? Klar aber ist, wie der Vf. zeigt, dass eine schlichte Adaption seitens der Theologie theologisch wie metaphorologisch unterkomplex bliebe.
Das zentrale Beispiel für das Verfahren des Vf.s ist seine Darstellung und Auseinandersetzung mit Lakoff/Johnsons kognitiver Metaphorologie (›Metaphors we live by‹) bis zu deren Konzept eines ›embodied realism‹ (›Philosophy in the flesh‹) (143–274). Der Forschungsgewinn dieser komprehensiven Darstellung ist einer gründlichen Analyse verdankt, die zugleich zeigt, wie Theologie zunächst ›am Diskurs‹ zu arbeiten hat, gerade weil es um eine Diskurskompetenz geht, in der nicht theologische Apologetik oder Geltungsansprüche zu dominieren haben. Im Sinne des Vf.s wird hier von ihm metaphorologische Theologie betrieben. Dabei wäre ein möglicher Einsatz der theologischen Kritik Lakoff/Johnsons »Deutung der Metapher als neuronaler Prozess« (220). Wenn das embodiment der Kognition neurowissenschaftlich konzipiert und dementsprechend die konzeptuellen Metaphern als »Etablierung neuronaler Verknüpfungen« begriffen werden (221), sind sowohl Verkörperung als auch die möglichen Metaphernfunktionen etwas enggeführt. Ist der Gewinn des Anschlusses der Metapherntheorie an die Neurowissenschaft dann nicht teuer erkauft?
Lakoff/Johnsons »Metamethode« der ›convergent evidence‹ geht von einer allumfassenden »Einheit des Wissens« aus, das eine allseitige Übersetzbarkeit und Konvergenz stipuliert (225). Das setzt eine Ontologie voraus, die sie als ›embodiment‹ bzw. ›embodied realism‹ entfalten, um jeden Dualismus von ›mind‹ und ›reality‹ prinzipiell auszuschließen. So plausibel dieses Anliegen ist, so unselbstverständlich ist ihr Korrekturkonzept: ›phenomenological experience‹, ›cognitive unconsciousness‹ und ›neurobiology of the brain‹ seien drei kohärente Dimensionen des embodiment (227 ff.), die ihre ›Philosophy in the flesh‹ als »empirisch verantwortete Philosophie« deklarieren (231). Zur Basis aller Philosophie wird damit die empirische Kognitionswissenschaft. – Das kann man sc. vertreten und entfalten, aber muss man es und sollte man dem folgen, wenn man in theologischer Perspektive das Kulturphänomen ›Metaphern‹ verstehen will? Ist diese empirische Abhängigkeit der Philosophie auf die Theologie übertragbar? Oder: Was wäre eine empirisch verantwortete Theologie, die sich strikt abhängig verstünde von einer (recht wandelbaren) Neurobiologie? Und metaphorologisch zurückgefragt: Würde Lakoff/Johnsons Philosophie ebenso funktionieren, wenn man den Ausdruck ›conceptual metaphors‹ durch ›concepts‹ ersetzen würde?
Der Vf. geht stattdessen auf die ethischen und anthropologischen Implikationen des embodied realism ein und findet darin Aspekte, die »ansonsten marginalisiert« seien wie die »Geschichtlichkeit des Menschen, seine Vernetzung mit seiner Kultur und ihrer Tradition, die als Faktoren seiner Kognition begriffen werden müssen« (249). Dass das angesichts von Kulturanthropologien und cultural turns als Gewinn gilt, ist wohl vor allem im Kontext der Neurobiologie verständlich. Dabei auch die ethische und auch politische Brisanz von conceptual metaphors zu untersuchen (237 ff.), ist vor den jüngsten Projekten zum ›kulturellen und politischen Imaginären‹ bemerkenswert.
Lakoff/Johnson klären von ihrem Konzept der embodied cogni-tion auch eine ›embodied spirituality‹ (250 ff.). Deren Transzendenzbegriff sei horizontal, eine »empathische Projektion in Mitmensch und Natur«, eine universale »Relationalität […] als das Mysterium der menschlichen Immanenz« und als Erfahrung dieser Relationalität die »Quelle spiritueller Erfahrung« als »Erfahrung mit der Erfahrung« (253, ohne Verweis auf Ebeling oder Jüngel). Ob der Gottesbegriff dann ein überhöhter Weltbegriff wird oder panentheistisch aufzufassen wäre, diskutiert der Vf. (mit Blick auf M. J. Borg, The God we never knew, 1997). Letztlich bestehe eine »Ambivalenz« des embodied realism von reduktiver und nicht-reduktiver Analyse (257). Wenn Johnson meint, »›transcendence consists in our happily ability to sometimes ›go beyond‹ our present situation in transformative acts‹«, scheint diese Ambivalenz doch eine klare Präferenz zu zeigen (258). Das sieht auch der Vf., wenn für die »Spannung zwischen Immanenz und Transzendenz […] keine Sprache mehr« bleibe (259). Demgegenüber entwirft er die Skizze einer »nichtreduktiven Interpretation des Experientalism« (259–274, als »Fragment«, 272), gegen dessen Tendenz zur »Marginalisierung von Kommunikation und Sprache« (260, und daher auch der Reduktion von conceptual metaphors auf concepts?). Mit B. Debatin (ähnlich K. Kohl und M. Pielenz) argumentiert er für eine historische und kulturelle Relativierung von Lakoff/Johnsons Ansatz, um nicht einsinnig Metaphern auf (neurobiologisch begründete) kognitive Konzepte zu reduzieren, sondern deren Sprachlichkeit und Kontextualität zu wahren (265 ff.). »Der Mensch ist nicht nur das metaphorische, sondern auch das metaphorologische Wesen, das sich über die Metaphorizität seines Denkens und Sprechens klar zu werden und zu erkennen vermag, dass er dieser Eigenart seines Denkens nicht entkommen kann und nicht zu entkommen braucht« (270). Dann auch werde eine Transzendenz erfahrbar, die »sich metaphorischer Mittel bedient« (271).
Damit entsteht »die Frage nach der Wirklichkeit des Konzeptes GOTT« (274), die den Vf. zu Karl Rahners »mystagogischer Theologie« übergehen lässt, um die Metaphorologie als deren Integral zu explizieren (277, vgl. 346). Wurde im embodied realism eine »Erfahrungssensibilität« (346) der Metaphorologie gewonnen, so an Rahner eine Sprachsensibilität (307 ff.336 ff.340 ff.).
»Metaphorologie kann als Theologie betrieben werden – und umgekehrt« (348), konstatiert der Vf. gegen eine unterkomplexe bloße Anwendungsbeziehung. Nur, ist die implizite These nicht stärker: nicht nur ›kann‹, sondern ›sollte‹ oder ›muss‹? Sofern Theologie de facto metaphorisch denkt und spricht und nicht anders kann, kann oder vielmehr muss sie dann nicht auch metaphorologisch reflexiv werden im Blick auf ihr Sprachdenken? Der Anspruch des Vf.s geht noch weiter: »Charakteristisch für theologische Rede ist nicht [nur?], dass sie metaphorisch denkt und spricht, sondern dass sie ihre Metaphorizität erfahrbar machen muss, um richtig verstanden zu werden« (351).
In eigener Anwendung (?) und Weiterentwicklung seiner theologischen Metaphorologie behandelt der Vf. die Grundmetaphorik von Offenbarungstheorien (M. Seckler als instruktionstheoretisch, 354 ff.; Vat. II als kommunikationstheoretisch, 363 ff.; als Werbung, 371 ff.) und von Ekklesiologien (Kirche als Gebäude, 383 ff.; als Zeichen, 393 ff.). An diesen Beispielen geht es ihm darum, »die Eigenart theologischer Rede spürbar, ihren verweisenden Charakter deutlich zu machen« (406).
Die für die Arbeit entscheidende Grundmetapher der ›Verkörperung‹ wird vom Vf. durch seine Interpretation der kognitiven Metaphorologie begründet, in der Weiterentwicklung der kognitiven Semantik in der späteren ›Philosophy in the flesh‹ insbesondere Mark Johnsons. Die »Verwurzelung (Embodiment) der menschlichen Kognition in der Mensch-Welt-Interaktion« ist für den Vf. basal, um die These zu begründen: »Die Aufklärung der Meta-phorizität theologischen Denkens bedeutet also zugleich die Aufklärung seiner Körperlichkeit; Metaphorologie provoziert die Entdeckung der Verkörperung der Theologie« (24), bzw.: »In metaphorischer Rede verkörpert sich Theologie« (11). Damit zielt der Vf. letztlich auf ein (mystagogisch inspiriertes?) »›Spürbarmachen‹ der Eigenart theologischer Rede«, was »ein integraler Teil der Gottes-rede« sei (415), die als Theologie somit nicht nur reflexive Analyse, sondern (ohne so genannt zu werden) pathische Dimensionen hat, die sich in Metaphern und ihren Wirkungspotentialen zeigen. »Metaphorologische Theologie verweist auf die Notwendigkeit einer kreativen Theologie, welche die Kultivierung einer theolo-gischen Imagination lernt und lehrt« (415).
Für die Metapher als Verkörperung des Denkens wären auch rhetorische, poetologische, phänomenologische sowie bild- und medienwissenschaftliche Diskurse hilfreich zu berücksichtigen gewesen. Dessen ungeachtet ist die Arbeit in These, Durchführung und Gestaltung sehr gelungen und für die fundamentaltheologische wie hermeneutische Selbstverständigung der Theologie ein erheblicher Gewinn, nicht zuletzt auch in ökumenischer Perspektive. Es gibt Fragen und Themen, die quer stehen zu üblichen Dualisierungen. Das wird hier in horizonteröffnender Weise gezeigt und weitergetrieben.