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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

97–99

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Resch, Felix

Titel/Untertitel:

Triunitas. Die Trinitätsspekulation des Nikolaus von Kues

Verlag:

Münster: Aschendorff 2014. 377 S. = Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft, XX. Kart. EUR 43,00. ISBN 978-3-402-10459-0.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Felix Resch legt hiermit seine an der Katholisch-Theologischen Fakultät Freiburg i. Br. 2013 bei Markus Enders erstellte Dissertation vor. Sie befasst sich speziell mit dem philosophischen Charakter der cusanischen Trinitätsspekulation. Während offenbarungstheologisch der Begriff Trinität den christlichen Glauben an den dreieinigen Gott mit seinen drei Hypostasen Vater – Sohn – Heiliger Geist meint, kann philosophisch »›Trinität‹ auch als irreduzible, mit der göttlichen Einheit kompatible trinitarische Struktur des Absoluten selbst angesehen werden«. Nur diesen Charakter will R. systematisch rekonstruieren. Er fragt dabei, ob es Nikolaus gelingt, »eine distinctio realis zwischen den drei göttlichen Personen philosophisch aufzuweisen, oder gelangt er lediglich zu einer distinctio rationis« (11). Dazu untersucht er sowohl Predigten als auch etliche seiner Schriften, zumeist in chronologischer Reihenfolge. Ein kurzes Fazit beendet die Arbeit.
R. gibt einen Überblick über die Forschung, bei der »Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes …« von Rudolf Haubst (1952) als »Pionierleistung« herausragt, doch sind zahlreiche weitere Arbeiten zu berücksichtigen.
In seiner ersten Predigt (1430) geht Nikolaus, unter Einfluss von Raimundus Lullus, von der Prämisse, dass »Gottes vollkommenes Wesen alles Unvollkommene ausschließt«, aus auf Gottes vollkommene Tätigkeit. Die trinitarische Struktur Gottes prägt die triadische Struktur der von ihm geschaffenen Welt (43.51). In De docta ignorantia, Buch I, (1440) geht es vor allem um die »trinitarische Struktur des absoluten Maximum«. »Der Mensch wird dabei umso belehrter (doctior), je mehr er zur Einsicht in sein eigenes Nichtwissen gelangt« (53.56). R. berücksichtigt die Einflüsse, die Augus­tin und Thierry von Chartres auf Nikolaus ausgeübt haben. Wenn auch die Begriffe unitas, aequalitas und concordia die Propria der trinitarischen Personen aussagen, so steht doch fest, »die Einheit ist bereits a priori im Vater« (64). Ob allerdings die Intention des Nikolaus bei seinem Trinitätsdenken darin besteht, vom Anschaulichen zum Unanschaulichen zu schreiten, ist zu hinterfragen; jedenfalls ist »der Neologismus […] unitrinum seu triunum Ausdruck dialektisch-perichoretischen Bestrebens des Kardinals«. Er reinigt durch seine trinitarische Terminologie diese von anthropomorphen Missverständnissen (97.106.128). Schade, dass R. glaubt, Buch II und III in seinen Ausführungen vernachlässigen zu können, wird doch hier erst das Ziel des Werkes erreicht.
In Idiota de mente wird das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Geist erörtert, wobei dem ersteren das Machen, dem anderen das Sehen zukommt. Im Absoluten gibt es eine ontologische Reihenfolge: Werden-Können – Machen-Können – prozesshafte Verbindung. Der menschliche Geist ist als Ebenbild des göttlichen Geistes auch trinitarisch strukturiert. Das hat zentrale Bedeutung für die theosis des Menschen (138.140.144). In De pace fidei bezieht Nikolaus alle Religionen auf denselben Gott, doch muss ihre Verschiedenheit in einen einzigen orthodoxen Glauben überführt werden. Die Einheit ist konstitutiv für die Gottheit selbst – auch wenn etliche an eine Vielheit von Göttern glauben (147.149. 159). Nikolaus meint, von der Wahrheit der Trinität leichter überzeugen zu können als von der Wahrheit der Inkarnation (176 f.). In De visione Dei ist die Mensch-Gott-Relation Ausgangspunkt der Trinitätsspekulation. Sie geht aus von den drei wesensnotwendigen Aktmomenten Liebender – Liebenswerter – Verknüpfung beider. Einem unitarisch verfassten Gott könne keine intrinsische Liebe zugesprochen werden (179.182 f.). In De beryllo wird betont, dass die erste göttliche Person Ursprung der Gottheit ist, da sie beide anderen Personen hervorgebracht hat. Die antiken Philosophen hätten die Trinität zwar berührt, aber nicht vollkommen erkannt (197 f.). Weitere Schriften, die untersucht werden, sind De aequalitate, De principio, Trialogus de possest. In De principio identifiziert Nikolaus die drei proklischen Hypostasen Hen, Nus und Psyche mit den drei göttlichen Personen (236).
Ausführlicher wird die Cribratio Alkorani im Hinblick auf das Thema untersucht. In ihr will Cusanus die Muslime manuduktorisch zur Trinität hinführen. Er knüpft dabei an den von Muhammad akzeptierten Glaubenssatz an, dass Gott Schöpfer von allem ist und dass die Vernunft unter allem Geschaffenen Gott am ähn-lichs­ten ist. Mit Koranzitaten meint er, die Muslime müssten die Trinität bekennen können (265.269.279). In der Directio speculantis seu de li non aliud argumentiert Nikolaus wieder philosophisch, »um die Notwendigkeit des trinitarischen ›Glaubenssatzes‹ aufzuzeigen«. Dabei dient der augustinische Ternar unitas-aequalitas-conexio nicht zur Erläuterung der biblischen Gottesnamen, sondern umgekehrt erläutern diese den Ternar (291 f.). Zuletzt werden noch einige Predigten besprochen. In Sermo IV wird deutlich, dass die Trinität nicht im Widerspruch zu den Prädikaten der Vollkommenheit Gottes steht (297). In Sermo XXII wird der Neologismus Triunitas bzw. Unitrinitas wie in De docta ignorantia verwendet (301). Ein Fazit (326–330) beschließt die Arbeit. Für R. wird deutlich, dass die Trinitätsspekulation des Nikolaus argumentativen Charakter besitzt und eine apologetische Intention hat. Den spekulativen Höhepunkt sieht er im Satz non aliud est non aliud quam non aliud. Cusanus hält fest am notwendigen Geltungsanspruch seiner Trinitätsspekulation.
R. legt ein grundgelehrtes Werk vor. Beeindruckend ist nicht nur die Kenntnis der Schriften des Nikolaus, sondern auch die der von ihm benutzten Quellen. Und doch möchte man immer wieder R. zurufen: Multum, non multa! Angesichts der zahlreichen Untersuchungen zur cusanischen Trinitätslehre wäre eine Beschränkung auf wenige Schriften wohl ertragreicher gewesen – etwa im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Islam (De pace fide, Cribratio Alkorani) – oder eine Beschränkung auf die drei Bücher De docta ignorantia unter Berücksichtigung von De coniecturis. Diese Schrift hat R. seltsamerweise nicht herangezogen, obwohl gerade diese stark philosophisch argumentiert. Hier fällt ja sogar der Ausdruck unitrinitas absolutissima, an der alles mannigfaltig teilhat (n. 180). Es ist auch zu fragen, ob es die Intention von Nikolaus trifft, wenn R. gerade bei diesem Thema so stark Theologie und Philosophie voneinander trennt, ist doch sowohl seine Theologie philosophisch als auch seine Philosophie theologisch geprägt. Denn sicher trifft zu, was R. mitten in seinen Darlegungen hervorhebt, nämlich dass »sich Cusanus eindeutig zum kirchlich überlieferten Glauben an den dreieinigen Gott« bekennt »und seine Trinitätsspekulation in den Dienst einer philosophischen Vertiefung eben dieses Glaubens« stellt (190).
Ein Personenregister und ausführliches Literaturverzeichnis sind beigefügt (wobei aber die Arbeiten über die Unbenennbarkeit Gottes fehlen).