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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

80–82

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Overhage, Ursula

Titel/Untertitel:

Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia

Verlag:

Münster: Aschendorff 2014. 344 S. = Westfalen in der Vormoderne, 18. EUR 42,00. ISBN 978-3-402-15058-0.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Die Verfasserin dieser Studie, Ursula Overhage, hat sich viel vorgenommen. Sie behandelt in ihrer Publikation die Entstehung und Ausbreitung der Dominikaner in der Ordensprovinz Teutonia im späten Mittelalter, bedingt durch die jeweilige Quellenlage in un­terschiedlicher Ausführlichkeit, und will »somit die ganze Ge­schichte der Teutonia umfassend [zu] behandeln«. Dem wird sie nicht voll gerecht, auch wenn sie viele Quellen verarbeitet hat. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind aber die Streitigkeiten, die die Gründungen der Dominikanerklöster in manchen Städten begleiteten.
Die ersten beiden Kapitel erhellen den Hintergrund der Untersuchung (Europa im späten Mittelalter; Die Dominikaner im Spannungsfeld des gesellschaftlichen Umbruchs). Im dritten Kapitel werden vier dominikanische Prediger gewürdigt: Humbert von Romans, Wilhelm von Auvergne, Albertus Magnus und Giordano da Pisa, aber auch zwei Franziskaner: Guibert von Tournai (der Christus als Kaufmann würdigt, der »für gute Werke das ewige Leben verkauft habe«) und Berthold von Regensburg. Sie alle bezogen die Stadt als vollkommene Stadt auf das himmlische Jerusalem (55.58). Meister Eckhart wird dabei nicht erwähnt.
In Kapitel 4 wird die Teutonia im 13. Jh. (unvollständig) dargestellt; die Gründungen der Konvente werden aufgelistet (59–183), beginnend mit Friesach (1220) und endend mit Retz (1296). Dabei werden, soweit möglich, das städtische Umfeld und die Ausstattung der Klöster berücksichtigt. Zu Bremens Auseinandersetzung mit den Stedingern heißt es: »Die Dominikaner konnten ihr in der Ketzermission erprobtes und geschärftes Instrumentarium wirkungsvoll zu Gunsten der Bremer Kirche einsetzen. Damit wurden sie für den Bremer Erzbischof zu idealen Helfern im Kampf um seinen Machterhalt« (70). In vielen Fällen kam es zu Streitigkeiten mit dem Klerus, mit den anderen Bettelorden oder mit den Bürgern. Häufig entstand der Zwist bei der Frage, ob Bürger bei den Dominikanern bestattet werden könnten. Manchmal wurde er mit Doppelbestattungen (!) gelöst. Auch bei der Frage des Gottesdienstbesuches gab es Probleme. Entschieden wurde öfters, dass zunächst die Pfarrer die Messe halten sollten, dann durften auch die Dominikaner predigen. Die Klöster zeigten oft wegweisende Baumaßnahmen (z. B. Fußbodenheizungen).
Kern der Untersuchung ist Kapitel 5: Konflikte und Fehlschläge (184–281). Es werden die Streitigkeiten in Straßburg, Warburg, Zofingen, Neuss, Dortmund und Köln dargestellt. Es zeigte sich, »dass sich die Prediger von ihrem ursprünglichen Ideal der Nachfolge Christi in Armut und Demut entfernt hatten« (185). Der Zuwachs an Besitz durch Schenkungen erregte Neid. In Straßburg wurde von den Bettelorden verlangt, auf sie zu verzichten. Dazu waren die Franziskaner, aber nicht die Dominikaner bereit. Der Rat rief zu den Waffen. Die Dominikaner wurden vertrieben und verbannt. Der Papst drohte mit Interdikt, wenn ihnen nicht Genugtuung geleistet würde. Schließlich kam es zum Friedensschluss. 1296 konnten die Dominikaner ihr Provinzial- und Generalkapitel in Straßburg durchführen. Johannes Meyer gibt in seiner Papstchronik darüber einen sehr anschaulichen Bericht. Organisator war Dietrich von Freiberg, Ordensprovinzial und amtierender Ordensgeneral. Die Vfn. erwähnt dies nicht! In Warburg sah der Klerus die Dominikaner als Konkurrenz, die Bürger verloren ihre Pfarrkirche an den Konvent. Der Friede wurde dadurch erreicht, dass die Bürger eine neue Kirche bauen konnten. In Zofingen wie in Neuss erlitt der Orden einen völligen Fehlschlag. Eine verworrene Situation gab es in Dortmund. Nach langen Auseinandersetzungen kam es erst 1309 zu einer Klostergründung und 1332 zu einem Frieden. In Köln erlebten die Dominikaner, die 1221 ihr Kloster gründen und 1248 ihr Generalstudium errichten konnten, eine herbe Niederlage. Auch hier war ihnen die Annahme von Schenkungen vom Rat verboten worden. Zum Frieden kam es durch Vermittlung der Franziskaner.
Als Erfolgsgeschichte wertet die Vfn. den Mindener Konvent als einen »der hervorragendsten deutschen Konvente« (282). Ihr Prior Hermann, seit 1286 Provinzial der Teutonia, wurde durch sein organisatorisches Geschick und seine schriftstellerische Tätigkeit »zu einer Leitfigur des Dominikanerordens« (282.290). Sie verschweigt aber, dass ihn 1290 das Generalkapitel in Ferrara abgesetzt hat.
Die Ordensprovinz zeigt einerseits durch ihre Ausbreitung eine große Erfolgsgeschichte (sie wurde 1303 geteilt in Teutonia und Saxonia), aber es gab auch gravierende Fehleinschätzungen und Niederlagen (296).
In einem Anhang werden »Predigerklöster, kumulativ betrachtet« (299 f.) aufgelistet, für die sich angeblich »nur wenige, teils ungesicherte Nachrichten finden«. Das stimmt aber – wenigstens teilweise – nicht! So heißt es zu Freiberg lediglich: »Seit Oktober 2010 fanden auf dem Gelände des ehemaligen Predigerklosters Grabungen statt. Darüber berichtete die Tagespresse.« Diese Notiz ist völlig unzureichend. Im Freiberger Urkundenbuch liegen seit 1883 die zahlreichen Urkunden zu den drei Klöstern im Wortlaut oder in Regestenform gedruckt vor. Gegründet wurde der Konvent wohl 1233 (so stand es bis zum Stadtbrand 1484 über dem Eingang des Klosters), zuerst erwähnt wird er 1243. In ihm fanden fünf General- oder Provinzialkapitel statt (1270, 1290, 1338, 1359, 1460). Er war also keinesfalls unbedeutend; zahlreiche Stiftungen sind ihm zuteilgeworden. Aus ihm ging der Lector Vribergensis und spätere Magister Dietrich von Freiberg hervor, neben Albertus Magnus und Meister Eckhart der dritte bedeutende deutsche Dominikanergelehrte und -organisator. Er wird von der Vfn. nur einmal (203) erwähnt. Dabei sind elf neue Konvente in seinem Provinzialat (1293–1296) gegründet worden, so dass 1296 91 Konvente bestanden. Über Dietrich ist in den letzten Jahrzehnten intensiv gearbeitet worden, K. Flasch hat ein großes Werk über ihn verfasst (2007), der Rezensent ein kurzgefasstes (2009). Bereits 1984 hatte L. Sturlese »Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Freiberg« vorgelegt. Das alles ist also über ihn bekannt, aber von der Vfn. nicht berücksichtigt worden. Ähnliches gilt von den anderen drei sächsischen Klöstern Leipzig, Plauen, Pirna, die nur erwähnt werden (104.299). In Kürze wird das im Erscheinen begriffene Sächsische Klosterbuch detaillierte Informationen geben. Jena liegt nicht westlich, sondern östlich von Erfurt (171). Nicht erwähnt wird das Kapitel, das in Strausberg 1293 stattfand, auf ihm wurde Dietrich zum Provinzial gewählt (Sturlese, 17 f.). Das östliche Deutschland liegt der Vfn. offensichtlich zu fern. Wird (294) die Politika des Aristoteles mit der Politeia von Platon verwechselt?
Es ergibt sich ein zwiespältiges Urteil. Auf der einen Seite wird umfassend über die Gründungen der Konvente einschließlich ih­rer Probleme unterrichtet, andererseits fehlen wichtige Informationen, wollte doch die Vfn. »die ganze Geschichte der Teutonia umfassend […] behandeln«. Mit Recht aber wird festgestellt, dass »mit den Dominikanern fähige und tüchtige Seelsorger« und Prediger in die Städte gekommen waren, »die ihnen durch ihren Eifer und Fleiß ein Vorbild gaben« (298).