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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

41–42

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Sandowicz, Małgorzata

Titel/Untertitel:

Oaths and Curses. A Study in Neo- and Late Babylonian Legal Formulary

Verlag:

Münster: Ugarit-Verlag 2012. XIII, 542 S. u. 41 Taf. = Alter Orient und Altes Testament, 398. Lw. EUR 92,00. ISBN 978-3-86835-072-2.

Rezensent:

Eckart Otto

Wenn es um das Zusammenspiel von Menschen und Göttern in keilschriftrechtlichen Rechtsverfahren geht, so neigt die jüngere Forschung dazu, das Forensische und das Kultische möglichst strikt zu trennen; cf. Bruce Wells, The Cultic versus the Forensic, JAOS 128, 2008, 13–29. Anhand von Eiden und Flüchen lässt sich aber gerade das Zusammenspiel der menschlichen und göttlichen Akteure im Keilschriftrecht gut aufzeigen. Das lässt mit Interesse die Studie von Małgorzata Sandowicz zur Hand nehmen. Sie will als formelhistorische Arbeit anhand der babylonischen Eide und Flüche des 8. bis 5. Jh.s die Komponenten von Eides- und Fluchformeln sondern und nach den Gründen ihrer Zusammensetzung zu unterschiedlichen Formeln fragen sowie nach Ort, Zeitpunkt und begleitenden Ritualen der Verwendung der Formeln.
Die Vfn. unterscheidet in den Dokumenten drei unterschied-liche Eidesformeln 1. eines wörtlich zitierten Eides, 2. einer Eidesaufforderung und 3. eines Eidvermerks, der nur festhält, dass ein Eid geleistet wurde. Die Vfn. kann aufzeigen, dass die Wahl der Eidesformeln von der Gattung des Dokuments abhängt. Die neu- und spätbabylonischen Eide benennen wie die früherer Epochen Götter oder den König als Garanten des Eids, wobei sich religionshistorische Verschiebungen in den Formeln niederschlagen, so wenn zur Zeit Nebukadnezers II. Bel, Nabu und der König in eine Standardformel einrücken. »The emergence of the official formula demonstrates that legal fomulary – and specifically the message it carried about the link between the king and his divine protectors – served as an important tool of royal ideology.« (105) Die religionspolitischen Reformbestrebungen Nebukadnezers (45–49) schlagen sich in den Eidesformen nieder. Die Vfn. kann schließlich aufzeigen, dass dort, wo nur weibliche Gottheiten angerufen werden, Frauen die Eidleistenden sind. Wenn Nicht-Babylonier einen Eid leisten, werden dennoch keine nichtbabylonischen Götter aufgerufen. Unklar bleibt, ob die Anrufung der Götter ihrer materiellen Präsenz in Bildern oder Symbolen bedurfte.
Im zweiten Teil der Studie behandelt die Vfn. die Flüche der Zeit und ihre Formeln, die im Vergleich mit den Formeln der vergangenen Epochen durch eine Reduktion der Zahl der angerufenen Götter gekennzeichnet sind, wobei der Reichsgott Marduk in Verbindung mit der Göttin Zarpanitu das Feld beherrscht. Die Reduktion der Zahl der angerufenen Götter kann als Prozess der Konzentration auf Marduk verbunden mit einer Säkularisierung beschrieben werden, die im 6. Jh. zur Ablösung der Eides- und Fluchformeln durch Vertragssicherungsformeln oder Androhung von Strafzahlungen führt. Die Vfn. führt die Entwicklung des Rückgangs der Fluchformeln in Verträgen darauf zurück, dass Landverkäufe durch königliche Notare registriert wurden. Nur in Verträgen, bei denen kein Geld floss, also bei Schenkungen, Adoptionen oder Freilassungen, wurden weiterhin Eid und Fluch aufgenommen.
Der umfangreichste Teil der Studie ist auf den Seiten 167 bis 454 ein Katalog von Texten der Zeit mit Eides- und Fluchformeln, von denen keine neueren Übersetzungen vorliegen, sowie von 42 un­veröffentlichten Dokumenten aus dem Britischen Museum, die kollationiert und übersetzt werden. Umfangreiche Register und eine Bibliographie schließen die Studie ab. Sie hat nicht nur eine rechtshistorische, sondern auch gerade eine religionshistorische Bedeutung für unser Verstehen der Rechtsgeschichte Babyloniens im 8. bis 5. Jh. Sie liefert eine gute Grundlage auch aufgrund der erstmals kollationierten Texte, wenn rechtshistorische Fragen wie die nach den Rechtskontexten von Fluch und Eid, nach der Stellung des Eids im Beweisverfahren und des Meineids, die nicht Thema der Studie sind, Anlass weiterer rechtshistorischer Studien werden.