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Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

37–39

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Zager, Werner [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Universale Offenbarung? Der eine Gott und die vielen Religionen

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2013. 194 S. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-03298-3.

Rezensent:

Ralf K. Wüstenberg

Der inhaltsreiche und fein edierte Band, der auf einer Tagung der Akademie Hofgeismar basiert, nimmt sich einer theologisch, in-terreligiös sowie gesellschaftlich zentralen Thematik an, nämlich der Universalität von Offenbarung, auch im Spannungsverhältnis zum religiösen Exklusivanspruch, und diskutiert die Thematik in der Perspektive der Weltreligionen (Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus) sowie fundamentaltheologisch (im Blick auf Offenbarung) und ästhetisch (hinsichtlich des Problems von Transzendenz im Bereich schöpferisch bildender Kunst und Literatur).
Das einleitendende Kapitel gleicht einer Mindmap zum Thema »universale Offenbarung«; hier markiert der Herausgeber des Bandes und Frankfurter Neutestamentler Werner Zager vorab einige Eckfragen: »Ist Gottes Offenbarung auf Israel, die Jüngerschar und das frühe Christentum beschränkt? Wenn nicht sogar nur auf Jesus Christus allein? Oder hat sich Gott auch im Kontext anderer Religionen und Kulturen geoffenbart?« (9) Das Problem der universalen Offenbarung zwischen den Extremen einer rein rationalistischen Offenbarung und einer supranaturalistischen Auffassung, die mit einem wunderbaren Eingreifen Gottes in die natürlichen Zusammenhänge rechnet, zeichnet Werner Zager theologiegeschichtlich Offenbarungskonzeptionen aus der Liberalen Theologie von Busset über Troeltsch zu Tillich, Heiler und Jungheinrich nach. Dabei entgeht Zager nicht, dass bereits bei Busset begegnet, was für die religionsgeschichtliche Schule grundsätzlich problematisch ist, nämlich die Verknüpfung von Offenbarung mit einem Optimismus, der Geistesgeschichte als eine Aufwärtsbewegung begreift. In einem knappen, thesenartigen Resümee werden gut die zentralen Punkte der Analyse zusammengefasst und zugleich für die gegenwärtige Debatte fruchtbar gemacht. So ist Zager u. a. dagegen, »den Begriff der Offenbarung nur dem Christentum vorzubehalten« (27). Weiter eigne der »einzelnen Religion […] kein Ab-solutheitsanspruch« (27). Schließlich sei »das Eigene in der Begegnung mit dem Anderen kritisch zu reflektieren«, um »den eigenen Glaubenshorizont zu erweitern« (27).
In den Folgekapiteln wird der Facettenreichtum der angeschnittenen Fragen ausgeleuchtet. Dabei sind stärker funda-mentaltheologisch orientierte Beiträge zum Offenbarungsbegriff (Zager, Pfüller, Rössler) mit den inhaltlichen zu den Fragen universaler Offenbarung in Religionen (Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus) verschränkt. Inhaltlich zwar über das Transzendenzproblem verbunden, aber im Übrigen eher den Horizont erweiternd, ist m. E. der über 50-seitige Schlussbeitrag (zu Transzendenz und Ästhetik bei Max Beckmann und Gottfried Benn) zu verstehen. Dass kein kohärenter Begriff von »universaler« Offenbarung (weder in der Quersumme der fundamentaltheologischen Beiträge noch je als Grundlage der interreligiösen Studien zu Judentum und Islam von Martin Bauschke bzw. zu Hinduismus und Buddhismus von Perry Schmidt-Leukel) aus einem Sammelband entstehen kann, ist evident. Umso interessanter, dass ein Fragehorizont aufgemacht wird, dessen kleinster gemeinsamer Nenner schlicht die Kritik an einem exklusivistischen Offenbarungsverständnisses und dessen größter die Hinterfragung des Sinns der theologischen Rede von Offenbarung ist.
Nach einer differenzierten Analyse zur Frage »Viele Religionen – viele Offenbarungen« kommt Wolfgang Pfüller zur fundamentalen Absage gegenüber dem Sinn der Rede von göttlichen Offenbarungen. »Vormals starre Positionen« würden in gegenwärtigen Prozessen »der Verständigung, des Dialogs, der rationalen Diskussion« »gleichsam verflüssigt«. Im Ergebnis käme man »nicht mehr zu vermeintlich endgültigen Wahrheiten bzw. Offenbarungen, sondern nur noch zu möglichst stichhaltig begründeten intersub-jektiven Überzeugungen« (Zitate: 88). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Beitrag von Andreas Rössler (»Universales Gottesbewusstsein und religiöse Gleichgültigkeit«), auch wenn Rössler am Offenbarungsbegriff festhält: »Es spricht viel für eine universale Offenbarung, das heißt, dass sich Gott Menschen zu allen Zeiten, in allen Religionen und Kulturen kundtut, so wie sie ihn eben verstehen können, und es spricht alles gegen exklusive Wahrheitsansprüche, so als sei Gott nicht der Gott aller Menschen und als sei er nicht allen zugewandt.« (123) In einem Votum wie diesem wird die von Zager eingangs gestellte Frage, ob der eigene Glaubenshorizont in der Begegnung mit anderen Religionen zu erweitern sei, positiv beantwortet. Wo die Bedingungen für solch ein Erweiterungsurteil unbenannt bleiben, bewegt man sich innerhalb der Pluralismusdebatte auf brüchigem Boden. Zumindest taucht die Frage auf, woher man mit positivistischer Klarheit weiß, dass Gott sich in anderen Religionen und Kulturen kundgetan hat. Einleuchtender erscheint hier die fragende Haltung, die Martin Bauschke unter der Überschrift »Nomaden des Glaubens« am Ende seines Beitrags zu Judentum und Islam einnimmt. Man solle »theologisch unterwegs bleiben«, den »Aufbruch« wagen (wie einst Abraham), zum »Wanderer« werden »zwischen den Welten, Religionen und Kulturen«. Hierbei bliebe die Frage lebendig: »Wer ist dieser Gott?« (Zitate: 43)
Insgesamt handelt es sich um einen wichtigen Beitrag zur Frage der Universalität der Offenbarung, ein Thema freilich, das nicht erschöpfend in einem Sammelband abzuhandeln ist. Neben angesprochenen Kritikpunkten bleibt auch in diesem Band (wie grundsätzlich in Sammel- und Dokumentationsbänden) die Balance zwischen Länge der Beiträge und inhaltlicher Aussagekraft im Hinblick auf das angezeigte Thema nicht unproblematisch. Inhaltlich hätte deutlicher werden können, dass zwischen den Extremen eines radikalen Exklusivismus auf der einen und des religiösen Relativismus auf der anderen Seite Pluralismusmodelle in An­schlag gebracht werden können, die im Stande sind, den christlichen Wahrheitsanspruch unverkürzt zur Geltung zu bringen und andererseits die Wahrheitsansprüche anderer Religionen zu tolerieren, mithin zu akzeptieren (wie u. a. der sogenannte Positionelle Pluralismus sowie der Mutuale Inklusivismus).