Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2015

Spalte:

27–29

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Nah, David S.

Titel/Untertitel:

Christian Theology and Religious Pluralism. A Critical Evaluation of John Hick

Verlag:

Cambridge: James Clarke 2013. VIII, 238 S. Kart. £ 22,50. ISBN 978-0-22768015-5.

Rezensent:

Michael Bongardt

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Felder, Ulrich: Apophatik als Lösungsformel für den interreligiösen Dialog?Das Konzept der negativen Theologie in den pluralistischen Religionstheorien von John Hick und Perry Schmidt-Leukel. Würzburg: Echter Verlag 2012. 409 S. = Bonner dogmatische Studien, 53. Geb. EUR 50,00. ISBN 978-3-429-03552-5.


Die Religionstheologie zählt seit geraumer Zeit zu den meist diskutierten und besonders heftig umstrittenen Themen christlicher Theologie. David S. Nah, amerikanischer Theologe koreanischer Herkunft, als Professor am baptistischen Bethel Seminary in Minnesota tätig, und Ulrich Felder, der mit der nun publizierten Dissertation an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Freiburg promoviert wurde, haben sich jüngst in diese Diskussion eingemischt. Beide Untersuchungen konzentrieren sich auf den religionstheologischen Entwurf John Hicks (Felder geht auch noch auf Perry Schmidt-Leukels Weiterentwicklung dieses Entwurfs ein). Beide weisen die pluralistische Religionstheologie als un­christlich zurück. Gleichwohl unterscheiden sich beide Arbeiten in ihrer konkreten Gestalt deutlich.
Felders Studie zeichnet sich durch eine enge thematische Fokussierung auf das s. E. tragende Fundament der pluralistischen Religionstheologie aus. Deren »Basisprämisse« (27) sei die These von der grundsätzlichen Unerkennbarkeit Gottes, wie sie von einer neuplatonisch argumentierenden »negativen Theologie« betont wird. Diese These aber, so Felder weiter, sei mit dem christlichen Glauben an einen Gott, der sich selbst als freier, geschichtlich handelnder und liebender Gott geoffenbart hat, nicht vereinbar. Deshalb könne eine Bestimmung des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Religionen, die sich auf eine solche negative Theologie gründe, nicht den Anspruch erheben, eine christlich mögliche Theologie zu sein. Konsequenterweise spricht Felder von einer pluralistischen Religions theorie, nicht Religionstheologie. Um seine These zu belegen, rekonstruiert Felder zunächst die fundamentale Funktion, die die These von der Unerkennbarkeit Gottes bei Hick (31–97) und bei Schmidt-Leukel (98–170) zu erfüllen hat. Dabei weist er zutreffend darauf hin, dass für Hick die negative Theologie eher ein »Anwendungsfall« der von Kant betonten Unterscheidung zwischen Noumenon und Phainomenon sei (48–60); bei Schmidt-Leukel dagegen sei die Behauptung der radikalen Unbegreifbarkeit, Unerkennbarkeit und Unbeschreibbarkeit Gottes (160–166) als spezifisch theologische Prämisse gesetzt. Im zweiten Schritt seiner Argumentation wendet sich Felder der negativen Theologie zu, um deren Unvereinbarkeit mit dem christlichen Glauben nachzuweisen.
Nach einer recht kurzen Begriffsdefinition (173–180) untersucht er aber nicht konkrete Entwürfe einer negativen Theologie, sondern referiert kritische Einwände von fünf namhaften zeitgenössischen Theologen gegen die negative Theologie (182–258). Felder verzichtet darauf, die jeweilige Kritik in den Kontext der Theologie einzuordnen, aus der sie entwickelt wurde, und schwächt damit deutlich ihre argumentative Kraft. Im ausführlichen Schlussteil der Studie (267–366) führt Felder die beiden ersten Argumenta-tionslinien zusammen, indem er die Kritik an der negativen Theologie in eine Kritik an der pluralistischen Religionstheologie wendet. Das Ergebnis dieser Konfrontation ist für Felder eindeutig: Eine neuplatonische oder auch auf Kant zurückgreifende, also philosophische Begrenzung menschlicher Gotteserkenntnis kann sich eine christliche Theologie nicht zu eigen machen, weil Gott sich in seiner Offenbarung selbst bestimmt und zu erkennen gegeben hat (so z. B. 349). Konstitutive »Elemente des christlichen Glaubens« können mit einer negativen Theologie »nicht mehr eingefangen werden« (362). Zweifellos richtet Felder mit seiner Studie sein Augenmerk auf ein zentrales Problem in der religionstheologischen Diskussion. Doch die argumentative Durchführung seiner These bleibt zu sehr an der Oberfläche. So wird z. B. das Verhältnis von Philosophie und Theologie nicht hinreichend geklärt; der Offenbarungsglaube wird vorausgesetzt, ohne seine erkenntniskritische Prüfung und rationale Verantwortung auch nur als Aufgabe der Theologie zu erkennen; das Potential einer immer wieder benannten »biblischen negativen Theologie« (27) bleibt vollständig ungenutzt. Eine Folge dieser Engführungen ist die stereotype Wied erholung der Grundthese, die am Ende zwar immer noch als bedenkenswert, aber in der vorliegenden Studie nicht als hinreichend begründet erscheint.
Nah geht es in seiner Untersuchung nicht um einen Aspekt, sondern um eine Evaluation des gesamten Werks von John Hick. Dabei trennt er deutlich zwischen den (religions-)philosophischen (30–74) und theologischen bzw. theologiegeschichtlichen (75–221) Aspekten von Hicks Entwurf. Die beiden Teile des Buches beginnen jeweils mit einer prägnanten und zugleich detailgenauen Rekonstruktion von Hicks Denken. Dabei gelingt es Nah, die sukzessive und nicht immer bruchlose Entwicklung der pluralistischen Hypothese als Weg nachzuzeichnen, der zu immer höherer argumentativer Schlüssigkeit führt. An die sorgfältige Darstellung schließt sich jeweils die Kritik an, mit der Nah seine theologische Zurückweisung des Entwurfs von Hick begründet. Im religionsphilosophischen Teil steht die auch von Felder dargestellte Epistemologie Hicks im Vordergrund. Doch Nah beschränkt sich nicht auf deren Kernelement, sondern macht ebenso auf die ontologischen, ethischen und religionsphänomenologischen Aspekte der hoch differenzierten Religionsphilosophie Hicks aufmerksam. Entsprechend detailliert fällt seine Kritik an dieser aus: Nah macht darauf aufmerksam, dass Hick den propositionalen Charakter und damit die Inhalte religiösen Glaubens unterbewertet. Vor allem aber kritisiert er, dass es Hicks These von der grundsätzlichen Unerkennbarkeit des Wirklichen unmöglich macht, irgendein Urteil zu fällen über die Angemessenheit oder Unangemessenheit einer religiösen Auffassung über diese Wirklichkeit (52–74, bes. 73 f.). In dem weit umfangreicheren theologischen Teil seines Buches konzentriert sich Nah auf Hicks Interpretation der Christologie, also des Zentrums christlicher Theologie. Er rekonstruiert Hicks Aussagen über die Bedeutung des historischen Jesus für das christliche Dogma (77–92); ebenso Hicks kritische Interpretation der Entstehung und Bedeutung der Zwei-Naturen-Lehre (92–103), des Inkarnationsglaubens (103–108) und der christlichen Vorstellungen von Sühne und Erlösung (108–117). Sehr genau zeichnet Nah schließlich Hicks Entwurf einer »metaphorischen Christologie« nach. Deren Wert erkennt Nah explizit an: »Such an approach has enabled Hick to understand Jesus as the one who has made God real to Christians while allowing for a pluralistic conception of Christianity as but one among a number of different equally valid human responses to the Real« (129). In seiner anschließenden Kritik unterscheidet Nah zwischen den »historischen« (130–187) und »konzeptionellen« (188–217) Argumenten Hicks. Er hält der Kritik Hicks an dem literalen Verständnis biblischer Berichte, an der zunehmenden »Vergöttlichung« Jesu im Verlauf der Dogmenentwicklung, an der machtpolitischen Beeinflussung der Konzilien und an der Aporetik der christologischen Dogmen entgegen, dass die einzelnen Vorwürfe von einer Mehrheit der Theologen als unberechtigt angesehen werden. Wenn aber diese Kritik unberechtigt ist, dann sei die Entwicklung einer alternativen Christologie nicht nur unnötig, sondern verfehle auch wesentliche Gehalte des christlichen Glaubens.
»My final conclusion is therefore, that John Hicks impressive attempt to both deconstruct traditional incarnation Christology and to reconstruct a radically new Christology for a pluralistic age must ultimately be judged a failure. […] I do nevertheless acknowledge the enormously valuable contributions Hick has made to the fields of the philosophy and theology of religions.« (221)
So wie in diesen Schlusssätzen verbinden sich im gesamten Werk hohe Wertschätzung und scharfe Kritik von Hicks Theologie auf beeindruckende Weise. Auch deshalb kann dieses Buch als kritische Einführung in die pluralistische Religionstheologie und in die Hauptargumente ihrer Gegner nachdrücklich empfohlen werden.
Die Kraft der Argumente zu beurteilen, die Felder und Nah gegen die pluralistische Religionstheologie anführen, obliegt der weiteren wissenschaftlichen Diskussion. Hier sei nur noch eine problematische Gemeinsamkeit dieser beiden Werke kritisch be­nannt: Beide enthalten sich – ungeachtet ihrer Zurückweisung der Theologie Hicks – einer eigenen religionstheologischen Positionierung. Ob sie eine positive Anerkennung anderer Religionen aus christlicher Perspektive für weder möglich noch notwendig halten – also einen impliziten Exklusivismus vertreten; oder ob sie lediglich den Weg von John Hick für falsch halten, sein Anliegen aber teilen, bleibt bedauerlicherweise völlig offen.