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Ausgabe:

November/2014

Spalte:

1387–1389

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hark, Norbert

Titel/Untertitel:

Auf das Wort hören und danach handeln. ­Hermeneutische Maßstäbe für eine exegetisch verantwortete Pastoraltheologie.

Verlag:

Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag 2013. 292 S. = Glaubenskommunikation Reihe Zeitzeichen, 32. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-7867-2976-1.

Rezensent:

Markus Iff

In seiner Dissertation an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen/Frankfurt am Main, die von dem Religionspä-dagogen und Pastoralpsychologen Klaus Kießling sowie dem Dogmatiker Medard Kehl betreut und begutachtet wurde, widmet sich Norbert Hark der für die römisch-katholische wie evangelische Theologie gleichermaßen anregenden Frage nach »einer angemessenen Schriftauslegung in der Pastoraltheologie« (20). Sein Ziel ist es, hermeneutische Maßstäbe für eine wissenschaftliche Schriftauslegung zu bestimmen, die exegetisch verantwortbar und gleichzeitig gewinnbringend für die Pastoraltheologie sein sollen. Mit dieser Ausgangsfrage und Zielsetzung bewegt sich H. im Grenzbereich zwischen Pastoraltheologie, Exegese und Hermeneutik und wagt mit seiner Arbeit einen Brückenschlag zwischen den Disziplinen im theologischen Fächerkanon.
Im Einleitungskapitel (19–38) werden die Fragehorizonte der Suche nach hermeneutischen Maßstäben, »unsere Zeit und unsere Fragen mit der Urkunde unseres Glaubens in Beziehung zu bringen« (23), abgesteckt. Treffend umreißt H. die Perspektiven der interdisziplinären Vorgehensweise, die innertheologischen Austausch und dialogische Struktur wissenschaftlichen Arbeitens be­fördert, aber auch eine differenzierte Bezugnahme der Theologie als »auf die Förderung der Kommunikation des Evangeliums zielende Theorie gegenwärtiger Religionspraxis« (34) auf die empirische Forschung und Methoden ermöglicht. Zudem werden die Grenzen einer solchen interdisziplinären Arbeit reflektiert, die u. a. darin liegen, dass mit einer »teilweise holzschnittartigen Betrachtung zu rechnen« (37) ist.
Methodisch geht H. so vor, dass er in den auf das Einleitungskapitel folgenden drei Kapiteln Entwicklungen der Theorien sowie des Methodeninstrumentariums der Pastoraltheologie (Kapitel 2, 39–126), der Exegese (Kapitel 3, 127–218) und der neueren Hermeneutik (Kapitel 4, 219–244) so skizziert, dass in einem fünften Kapitel (245–262) Thesen formuliert werden können, die die hermeneutischen Anforderungen an eine exegetisch verantwortete Pastoraltheologie konturieren.
In Kapitel 2 bietet H. eine Standortbestimmung der Pastoraltheologie, der sein Hauptaugenmerk gilt. Zunächst zeichnet er die Genese des Fachs historisch nach, indem er ausgehend von der »Geburtsstunde der Pastoraltheologie« (47) bei dem Benediktiner­abt und Theologen Franz Stephan Rautenstrauch (1734–1785) darlegt, wie sich in mehreren Schüben die Entwicklung und Erweiterung des Reflexionsgegenstands der Pastoraltheologie vollzogen hat. Zu diesen Schüben gehört die Entwicklung der Disziplin von der Praxis des Amtsträgers zur Praxis der Kirche als jener Praxis, auf die alle amtliche Tätigkeit innerlich bezogen ist. Zudem geht es um die Erweiterung von der kirchlichen zur christlichen Praxis als jener Praxis, die mit kirchlich vermittelter religiöser Praxis nicht identisch ist, sondern zu dieser immer auch in kritischer Spannung steht. Schließlich geht es um die Entwicklung von der christlichen Praxis zur Praxis des Menschen, und zwar insofern der Mensch als solcher und ganzer in der Vielfalt seiner Situationen und Lebensvollzüge im Raum des Beziehungswillens Gottes steht und »die Praxis eines jeden Menschen und der Menschheit insgesamt Ge­genstand der Pastoraltheologie« ist (119). Die Triebkräfte und Katalysatoren dieser Entwicklungen und Erweiterungen werden nicht eingehend behandelt.
Eine herausragende Rolle für die Entwicklung, aber auch für H.s gegenwärtige Standortbestimmung der Pastoraltheologie spielt Karl Rahner, der die pastorale Praxis als Ort eigener theologischer Dignität wahrnimmt, dogmatisches und pastoraltheologisches Denken verschränkt und das Christentum nicht an den Grenzen der Institution enden lässt (64–73). Stellvertretend für die Ent-wicklung der Pastoraltheologie wird das ebenfalls von Karl Rahner maßgeblich konzipierte »Handbuch der Pastoraltheologie« ge­nannt, dessen Untertitel: »Praktische Theologie der Kirche in ihrer Gegenwart« beides enthält: den eigenen Fokus Rahners und das Stichwort für die kommende Entwicklung.
Im Anschluss an Gaudium et Spes macht H. drei nachkonziliare Entwicklungsstränge der Pastoraltheologie aus: handlungstheoretische Ansätze (88–96), empirische Grundlegungen (97–106) und ästhetische Ansätze (106–111). Den Begriff Pastoraltheologie willH. beibehalten wissen, da dieser im Unterschied zum Begriff ­Praktische Theologie einen spezifischen Bezug zur kirchlichen Praxis impliziere, ohne nur diese Praxis zu reflektieren (117). Der Pastoraltheologie als einer gegenwärtigen Praxistheorie des Evangeliums komme die Aufgabe zu, »den geschichtlichen Ausgangspunkt des Evangeliums und sein verschriftlichtes Zeugnis in der Hl. Schrift mit dem Leben der Menschen von heute in Beziehung zu setzen« (124).
In Kapitel 3 strebt H. eine Standortbestimmung der exegetischen Forschung an. Die Entwicklung der katholischen Schrifthermeneutik erfolgt über die Darstellung einschlägiger Dokumente des Lehramtes. Ausgangspunkt und bleibender Referenzrahmen ist das erneuerte, heilsgeschichtlich orientierte Offenbarungsverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils, wonach die Heilige Schrift nicht selbst das Wort Gottes ist, »sondern schriftlicher Niederschlag der Gottesoffenbarung, die Menschen vergangener Ge­nerationen erfahren haben« (127). H. kommt es im Anschluss an die Dogmatische Konstitution Dei Verbum auf die Notwendigkeit der historisch-kritischen Exegese an, wie er im Gefolge seiner Darstellung der Verlautbarung der Päpstlichen Bibelkommission: Die Interpretation der Bibel in der Kirche (1993), und deren deutlicher Abgrenzung von fundamentalistischer Exegese im Fazit zu Kapitel 3 (201) betont.
Andererseits ist ihm im Anschluss an das Nachsynodale Apostolische Schreiben Verbum Domini (2010) daran gelegen, die historisch-kritische Exegese mit der in seinen Augen ebenso notwendigen theologischen Exegese (201–207) zu verknüpfen, damit historische Analyse und pastorale Relevanz nicht voneinander getrennt werden. H. bringt zugleich Kritik am Nachsynodalen Apostolischen Schreiben vor, indem er auf ein der Heiligen Schrift innewohnendes kritisches Element verweist, »das jede (!), auch die kirchliche Autorität zur Umkehr mahnt« und die Schrift »ein unabhängiges Korrektiv für die Kirche« (188) ist.
Es bedarf allerdings im Umgang mit der Schrift einer hermeneutischen Arbeit, die nicht allein dem biblischen Text gelten kann, sondern insbesondere die Lesenden und ihre Kontexte wahrnimmt. Dieser Paradigmenwechsel wird im Kapitel 4 (219–244) herausgearbeitet, indem neuere hermeneutische Ansätze bzw. rezeptionsästhetische Entwicklungen nachgezeichnet werden und Jacques Derridas Dekonstruktivismus eingeführt wird. H. stellt treffend fest, dass postmoderne Ansätze »nicht einfach additiv in ein historisch-kritisches Methodeninstrumentarium aufgenommen werden« (237) können, da Wirklichkeit, Wahrheit, Sprache und Text in ein neues Verhältnis gesetzt werden. Er interpretiert die »Grenze der Interpretation« als »produktive […] Chance auf dem Weg zu einer lebensnahen Exegese« (243), zumal die Schrift Pluralität in sich birgt und provoziert.
In Kapitel 5 (245–261) wird der Ertrag der Arbeit in elf Thesen zusammengefasst, »die den Rahmen abstecken, innerhalb dessen die Pastoraltheologie sich der Hl. Schrift nähern kann« (245).
Mit seiner soliden und umsichtigen interdisziplinären Arbeit stellt H. einen für katholische wie evangelische Theologie orientierenden und diskussionswürdigen Bezugsrahmen für einen exegetisch verantworteten und hermeneutisch reflektierten Schriftbezug der Pastoraltheologie vor.