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Ausgabe:

Juli/August/1999

Spalte:

708–710

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Clines, David J. A. [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Poetical Books.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1997. 370 S. gr.8 = The Biblical Seminar, 41. Kart. £ 14.95. ISBN 1-850757-87-9.

Rezensent:

Peter Höffken

Dem Programm der Reihe der Sheffield Reader entsprechend finden Leser und Leserinnen hier Aufsätze zusammengestellt, die sich mit dem 2. Kanonteil protestantischer Tradition (also in der im Buch befolgten Reihenfolge von Psalmen, Hoheslied, Prediger, Hiob/Iob und Proverbien) befassen und ursprünglich in JSOT (Journal for the Study of the Old Testament) erschienen sind.

Der Herausgeber begründet einleitend (Introduction 11-14) die vorliegende Auswahl mit der Verwendung von als innovativ zu verstehenden Methoden aus rhetorical criticism und anderen Vorgehensweisen aus Strukturalismus, mit Fragen nach Form und Funktion sowie Intertextualität u. a. Dabei favorisiert Clines Arbeiten, die sich ganzen Büchern widmen, zieht aber auch als wichtig empfundene Arbeiten zu exegetischen Fragen heran. Von den 22 Arbeiten gilt die Hälfte Psalmenproblemen (15-152), auf das Hohelied beziehen sich zwei Beiträge (153-186), auf den Prediger drei (187-230), auf Hiob vier (231-313) und auf Proverbien zwei (315-348). Insofern ist die Auswahl etwas einseitig auf die Psalmen ausgerichtet. - Bibelstellenregister (349-365) und Autorenindex (366-370) erschließen das Buch.

Im Inhaltsverzeichnis (5-7) hätte man sich die Aufnahme der Vermerke zur Ersterscheinung gewünscht; so muß man sich diese Angaben etwas mühsam zusammenstellen beim jeweiligen Aufsatz. Dabei fällt dann auf, daß die Mehrzahl der Beiträge aus den achtziger Jahren stammt; drei liegen früher (1976, wobei sich 2 als Antworten auf den klassischen Beitrag von Luis Alonso Schökel zur poetischen Struktur von Psalm 42-43 [The Poetic Structure of Psalm 42-43, hier 16-23] beziehen: M. Kessler [24-27] u. N. H. Ridderbos [28-34], jeweils unter der Überschrift "Response to Alonso Schökel") und 3 stammen von 1990-1992: John T. Willis, A Cry of Defiance-Psalm 2 (1990, hier 117-134); Ellen F. Davis, Exploding the Limits: Form and Function in Psalm 22 (1992, hier 135-152) und Stephan de Jong, A Book on Labour: The Structuring Principles and the Main Theme of the Book of Qohelet (1992, 222-230).

Damit sind wir schon bei den Autoren und Themen angekommen! Zu den Psalmen werden neben den gerade genannten Arbeiten folgende Beiträge aufgeboten: Walter Brueggemann ist mit zwei Arbeiten vertreten: Psalms and the Life of Faith: A Suggested Typology of Function (35-66) und: The Costly Loss of Lament (84-97). Von John Goldingay stammt: The Dynamic Cycle of Praise and Prayer in the Psalms (67-72); von Gerald H. Wilson: The Use of Royal Psalms at the ’Seams’ of the Hebrew Psalter (73-83); endlich von Terence Collins: Decoding the Psalms: A Structural Approach to the Psalter (98-116). Zu diesen umfassender ansetzenden Aufsätzen treten dann solche, die ihr Interesse auf einen Einzelpsalm konzentrieren: neben die schon genannten Beträge von J. T. Willis zu Psalm 2 und E. F .Davis zu Ps 22 tritt noch Mark S. Smith: Setting and Rhetoric in Psalm 23 (147-152).

Die beiden Beiträge zum Hohenliede: Edwin C. Webster, Pattern in the Song of Songs (154-172) und Fokkelien van Dijk-Hemmes, The Imagination of Power and the Power of Imagination: An Intertextual Analysis of Two Biblical Love Songs: The Song of Songs and Hosea 2 (173-186). Die drei Beiträge zu Qohelet: R. N. Whybray, Qoheleth, Preacher of Joy (188-198); Michael V. Fox, Aging and Death in Qohelet 12 (199-221); dazu die genannte Arbeit von St. de Jong.

Die Arbeiten zu Hiob sind sehr umfassend angelegt: von Edwin C. Webster: Strophic Patterns in Job 3-28, und: Strophic Patterns in Job 29-42 (232-259 u. 260-273); Stuart Lasine, Bird’s Eye and Worm’s-Eye Views of Justice in the Book of Job (274-297) und Athalya Brenner: Job the Pious? The Characterization of Job in the Narrative Framework of the Book (298-313), wo entgegen dem Untertitel die Veränderung dieses "Framework" durch die Reden untersucht wird. - Zu Proverbien: Carole Fontaine: Proverb Performance in the Hebrew Bible (316-332) und Gale A. Yee: ’Have Perfumed my Bed with Myrrh’: The Foreign Woman (’issâ zarâ) in Proverbs 1-9 (333-348), wo u. a. Überschneidungen dieser Fremden mit der "Frau Weisheit" herausgearbeitet werden.

Man kann sagen, daß zu den Psalmen und zu Hiob recht wichtige und interessante Arbeiten zusammengestellt sind; beim Hohenliede und Proverbien bin ich da nicht so sicher, v.a. wenn man in die Überlegung einbezieht, daß die Sammlung primär Studierenden gilt. Das ist - wohlverstanden - keine Kritik an den vorliegenden Beiträgen; es ist nur ein Hinweis darauf, daß die Zusammenstellung von Aufsätzen aus einer alttestamentlichen Zeitschrift eben doch eine begrenzte Basis hat.

Ich artikuliere einige Probleme - einfach aufgrund eines momentanen Interesses - anhand der beiden Beiträge zum Hohenliede: Webster fügt den vorliegenden Vorschlägen zur Gliederung des Hohenliedes (man kann noch auf R. Rendtorff, Das Alte Testament. Eine Einführung. 41992, 276 verweisen) einen weiteren bei, der seine Pointe wohl doch darin findet, mithilfe eines Akrostichs, das er aus seinen Überlegungen zur Ringkomposition des Textes gewinnt, das allegorische Verständnis in den Text hineinzulesen: (vgl. 169, 171 f.): Danach (das Akrostich lautet: Juda, die Mutter/das Mutterland, wieder/noch liebt Jah[we] = JHDH HM cD JH ’HB; Subjekt ist Jahwe) wäre die Beziehung Jahwe-Juda auf recht geheimnisvolle Weise im Text des Hohenliedes angedeutet. Man kann dann u. a. fragen, wie das zur Interpretation der Lieder "from a wedding context" (170) paßt. Aber grund-sätzlich hängt das von der Plausibilität der Kompositionsrekonstruktion ab, die ich (ohne das hier ausführen zu können) für nicht gegeben halte.

Die Arbeit von Frau van Dijk-Hemmes versucht eine intertextuelle Analyse von Hhld und Hos 2. Verstehe ich sie richtig (auch in leiser Korrektur zur Beschreibung des Herausgebers, 13), tendiert sie freilich auch dazu, direkte Beziehungen zwischen Texten des Hhlds (in mündlicher Vorform) und Hos anzunehmen: so weist sie auf enge Bezüge von Hhld 3,1-4 zu Hos 2,7; von Hhld 5,6 f. zu 2,8 und der Gabenliste Hhld 5,1 zu Hos 2,7.11 hin (177-180). Die eigentliche Pointe ist freilich eine kritische Re-lecture des Hosea-Textes durch den Text des Hhlds, um die männliche Optik des Hosea aufzubrechen bzw. diskutierbar zu machen. Hier sind lohnende Fragestellungen angeschnitten, die es zu vertiefen gilt.

Wer sich für neuere Forschungsansätze textorientierter Art interessiert, ist bei diesem Sammelband zweifellos gut aufgehoben. Das gilt vorrangig für die Psalmen, weniger stark für die weiteren Bücher des 2. Kanonteils.