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Ausgabe:

Januar/1999

Spalte:

61–64

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Gatz, Erwin [Hrsg. unter Mitwirkung von C. Brodkorb]

Titel/Untertitel:

Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448-1648. Ein biographisches Lexikon.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 1996. XCVI, 871 S. m. Abb., 1 farb. Faltkarte gr.8. Lw. DM 298,-. ISBN 3-428-08422-5.

Rezensent:

Gottfried Seebaß

Erfreulicherweise hat Erwin Gatz den bisher von ihm herausgegebenen Bänden der ’Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches’ (1648-1803 und 1785/1803-1945) einen weiteren Band folgen lassen, der von 1448 bis 1648 reicht. Der Beginn des Zeitraums wurde mit Blick auf das Wiener Konkordat gewählt, weil es jene Bestimmungen über die Reichsbistümer brachte, die nach den mannigfachen Doppelbesetzungen der Konzilszeit bis zum Ende des alten Reiches ihre Gültigkeit behielten. Der Westfälische Friede ist als Einschnitt nicht nur im Blick auf den früher erschienenen Band notwendig - sondern auch aus der Sache heraus, schuf er doch im Unterschied zum Augsburger Religionsfrieden eine völlig neue und bis zum Ende des alten Reiches bestehende Ordnung der Reichskirche. Erfaßt werden für den so umrissenen Zeitraum die zum Reich gehörenden Bistümer, selbst wenn sie - wie manche Bistümer im Westen - zu bestimmten Zeiten aus dem Reichsverband ausschieden. Im Süden sind die Bistümer der Schweiz, sowie die Bistümer bis Trient, Triest und Pedena aufgenommen, im Nordosten auch die preußischen Bistümer, die seit 1466 nicht mehr zum Reich gehörten, leider aber nicht die damals zum Reich gehörenden baltischen Bistümer, da - wie der Hrsg. mitteilt - niemand für die fristgerechte Bearbeitung gefunden werden konnte.

Im Blick auf die Erfassung der Bischöfe (650 Biogramme) stellte dieser Band, der ja die konfessionelle Spaltung des Reiches unter den Bedingungen des Augsburger Religionsfriedens und des Westfälischen Friedens berücksichtigen mußte, die Bearbeiter vor besondere Probleme. Hier hat Gatz eine zwar einleuchtende, aber vielleicht doch nicht ganz befriedigende Lösung gefunden. Da es sich in erster Linie um ein Nachschlagewerk über die (katholischen) Bischöfe, nicht über die Bistümer handelt, wurden auch alle Bischöfe aufgenommen, die konfessionell noch nicht eindeutig zuzuordnen waren oder den Wechsel zum Protestantismus erst im Lauf ihrer Amtszeit vollzogen. Dagegen wurden die protestantischen Landesherrn, die nominell als Bischöfe bezeichnet wurden, nicht mehr berücksichtigt. Daß man den Letztgenannten kein Biogramm gewidmet hat, ist angesichts anderer Nachschlagewerke ja durchaus verständlich, es wäre aber doch wohl hilfreich gewesen, sie wenigstens mit Namen und Daten und einem entsprechenden Verweis auf ein anderes biographisches Nachschlagewerk auszustatten. Denn für das Reich existierten ja die Bistümer bis zur Säkularisierung zu Beginn des 19. Jh.s weiter.

Die tatsächlich aufgenommenen Biogramme geben verläßlich Auskunft über die wichtigsten Daten zu den einzelnen Bischöfen, versuchen aber auch, die Bischöfe in den Rahmen der Diözesan- und Landesgeschichte sowie der Kirchen - und allgemeinen Geschichte hineinzustellen. Daß sich dabei nicht nur nach der derzeitigen Forschungslage, sondern auch nach den jeweiligen Zeiten und ihren Kontexten sowie aufgrund der Schwerpunktsetzung der Verfasser unterschiedliche Gewichtungen ergeben, ist nicht verwunderlich. Besonders schwierig gestalten sich die Biogramme dort, wo jemand mehrere Erz- und Hochstifte in einer Hand vereinigte, wie etwa Albrecht von Brandenburg oder Johannes, Herzog von Lothringen, in der ersten Hälfte des 16. Jh.s. Denn hier wird die Berücksichtigung der unterschiedlichen Diözesen und Landesherrschaften in einem solchen Abriß ausgesprochen schwierig. Gleiches gilt für die Gewichtung. Zweifellos sind die Verhandlungen, die es Albrecht ermöglichten, eine solche Fülle von Bistümern in einer Hand zu vereinen, hoch interessant. Aber mit 2/5 des Gesamtumfangs des Biogramms sind sie vielleicht doch überrepräsentiert. Von solchen Ermessensfragen abgesehen stellen die Biogramme insgesamt aber vorzügliche und schnelle Information bereit.

Wie angesichts der Quellen- und Forschungslage nicht anders zu erwarten, machte in diesem Band die Berücksichtigung der Weihbischöfe (350 Biogramme) und der Generalvikare erhebliche Schwierigkeiten. G. hat hier die nicht eben glückliche Entscheidung getroffen, diejenigen Weihbischöfe, für die so wenige Daten vorliegen, daß ein Biogramm gar nicht zu erstellen ist, nur im Verzeichnis der Bistümer am Ende des Bandes mit Namen und Anmerkung zu verzeichnen. Eine kurze Notiz im Werk selber hätte den Band zweifellos nicht unangemessen aufgeschwemmt, aber für den Benutzer den Vorteil gehabt, ohne weiteres Nachschlagen jedenfalls ein vollständiges Verzeichnis geboten zu bekommen.

Übrigens zeigen Stichproben, daß die Biogramme keineswegs immer den "jeweiligen Forschungsstand" repräsentieren. So ist etwa der Beitrag über den Speyerer Weihbischof Anton Engelbrecht absolut unbefriedigend, da ausschließlich auf Literatur zu Speyer basierend. Hätte man sich die - nicht einmal große - Mühe gemacht, die Spuren des Weihbischofs auch über seine Wendung zum Luthertum und seinen Weggang aus Speyer hinaus zu verfolgen und die in diesem Zusammenhang entstandenen biographischen Forschungen gründlich zur Kenntnis zu nehmen, so hätte man unglaublich viel über diesen Mann erfahren können. Man hätte berichten können, daß er in Engen in Baden geboren wurde, in Leipzig 1503 studierte und später in Basel den Doktorgrad erwarb. Er war es, der den Straßburger Reformator Martin Bucer aus dem Dominikanerorden entließ. 1524 verließ er seine Pfarre in Bruchsal und sein Amt in Speyer, um von 1524-1534 das Pfarramt an St. Stephan in Straßburg zu übernehmen. Über die Frage der konfessionellen Abschließung der Stadt geriet er in Auseinandersetzung mit Bucer und verlor seine Pfarre. Vor 1544 ist er zur alten Kirche zurückgekehrt und hat - in der Umgebung Johannes Groppers - für das härteste Pamphlet gegen Bucer gesorgt. Nach Bucers Flucht nach England kehrte er 1549 zu seiner Familie nach Straßburg zurück und starb dort 1558. Dies und manches mehr hätte man dem hervorragenden Aufsatz von Werner Bellardi im ARG 64,1973,183-206 entnehmen können. Hier ist also nicht nur schlecht recherchiert, sondern auch ausgesprochen schlecht bibliographiert worden. Der lobenswerte Grundsatz, auf die Nennung älterer Titel zu verzichten, um neuere und weiterführende Literatur anzugeben, wurde in diesem Fall geradezu auf den Kopf gestellt. Da wundert man sich nicht, wenn in diesem Falle auch das Schriftenverzeichnis, das möglichst jeder Person beigegeben werden sollte, fehlt. Das ist allerdings glücklicherweise eher eine Ausnahme.

Von den Generalvikaren, für die die Überlieferung noch schlechter als für die Weihbischöfe ist, sind in den Band überhaupt nur diejenigen aufgenommen, die ein wirkliches Biogramm erhalten haben. Nicht ganz verständlich ist, daß man für die Generalvikare ein eigenes Verzeichnis beigegeben hat, statt auch sie mit den kurzen einführenden Bemerkungen, die bei dem einen oder anderem Bistum im Blick auf die Verwaltung notwendig waren, in dem Verzeichnis der Personen nach Diözesen unterzubringen, so daß man dort Bischöfe, Weihbischöfe und die berücksichtigten Generalvikare beieinandergehabt hätte.

Daß dem Band wie den beiden bisher erschienenen ein solches Verzeichnis der Personen nach Diözesen geordnet beigegeben ist, ist freilich sehr zu begrüßen. Hilfreich sind in diesem Verzeichnis vor allem auch die ganz knappen kurzen Einführungen zu jedem Bistum. Man kann mit Hilfe dieses Verzeichnisses also auch von den Diözesen her die Schätze des Bandes vorzüglich erschließen. Ebenso dankenswert ist aber auch, daß man ein eigenes Verzeichnis der behandelten Personen auf den Seiten LXIII-XCVI vorangestellt hat, obwohl es vielleicht besser mit den anderen Verzeichnissen am Ende des Bandes vereint worden wäre. Da vor allem die Anführung der Adeligen oft unterschiedlich gehandhabt wird, hebt dieses Verzeichnis im Fettdruck hervor, unter welchem Namensteil die betreffende Person zu finden ist, wobei als Faustregel dienen kann, daß Mitglieder des Hochadels und der regierenden Häuser unter ihren Vornamen, sonstiger Adel und Bürgerliche unter ihren Nachnamen zu finden sind. Bei Namensgleichheit mehrerer Personen machen hinzugesetzte Angaben deutlich, um wen es sich handelt.

Ebenso gelungen scheint mir insgesamt die Illustration des Bandes mit 125 Porträts, die der Bedeutung der behandelten Personen folgen, möglichst aber alle Erzbischöfe zeigen sollen. Der Grundsatz, nur individuell sichere Porträts zu bringen, ließ sich verständlicherweise nicht ganz durchhalten. Und über die Auswahl im einzelnen kann man immer streiten.

So ist schwer verständlich, warum man das eindrucksvolle Epitaph für Lorenz von Bibra zwar erwähnt hat, aber nicht das großartig plastische Porträt von diesem, sondern einen späteren, viel weniger eindrücklichen Kupferstich bringt. Ähnliches gilt für einen anderen bekannten Würzburger Bischof, nämlich Julius Echter von Mespelbrunn, für den es ebenfalls sehr viel bessere Porträts als das hier gewählte - offensichtlich nicht zeitgenössische - gibt. Das muß vermutungsweise geäußert werden, da es zwar einen Bildnachweis, aber sonst keine Mitteilungen zu den Porträts gibt.

Zur benutzerfreundlichen Ausstattung des Bandes zählt auch ein Verzeichnis der zeitgenössischen Regenten und Nuntien. Man findet neben den Päpsten und deutschen Königen und Kaisern die Könige der dem Reich benachbarten Königreiche, sodann die Nuntien am Kaiserhof, in Köln, in Frankreich, Polen und der Schweiz. Darüber hinaus aber auch die Regenten der weltlichen Kurfürstentümer und die von Bayern, Hessen, Lothringen und Württemberg, und schließlich auch eine Reihe der nichtbischöflichen geistlichen Fürsten wie die Hoch- und Deutschmeister, die Äbte und Pröpste von Berchtesgaden, Corvey, Ellwangen, Fulda, Kempten, Murbach-Lüders, Prüm, Stablo-Malmedy und Weißenburg. Sehr hilfreich sind zwei Karten, von denen die eine die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches nach dem Stand um 1500 zeigt, die andere die Erz- und Hochstifte sowie die reichsunmittelbaren Klöster und Stifte zur gleichen Zeit. Hier wäre es, zumal die Diözesangrenzen auf der zweiten Karte nur schwer zu erkennen sind, sicher hilfreicher gewesen, wenn man die zweite Karte mit schwarzen Einträgen auf durchsichtiger Folie vor die andere gebunden hätte, so daß beim Aufeinanderlegen das Verhältnis von Diözese und Erz- bzw. Hochstift unmittelbar deutlich geworden wäre. Um so erfreulicher sind die kurzen Einführungen, die sich zu den beiden Karten finden.

Die vorstehenden kritischen Anmerkungen sollen keinesfalls in Frage stellen, daß hier insgesamt ein wirklich hervorragendes Nachschlagewerk bereitgestellt worden ist, auf das niemand verzichten kann, der sich - in welcher Weise auch immer - mit der Reichskirche vom Spätmittelalter bis zum Ende des alten Reiches befaßt. Man erwartet deswegen auch mit Spannung und Ungeduld den bereits angekündigten vierten Band, der die Bischöfe des Reiches zwischen 1198 und 1448 vorstellen soll.