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Ausgabe:

Oktober/2014

Spalte:

1248–1249

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Kraus, Georg

Titel/Untertitel:

Die Kirche – Gemeinschaft des Heils. Ekklesiologie im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2012. 464 S. Kart. EUR 34,95. ISBN 978-3-7917-2424-9.

Rezensent:

Vasile Hristea

Entsprechend bedeutenden theologiegeschichtlichen Kontexten, die eigene ekklesiologische Akzente gesetzt haben (Augustinus, Th. von Aquino, Luther, Bellarmin), würdigt Georg Kraus einleitend auch die Ekklesiologie des 2. Vaticanums. Da aktuelle Probleme der katholischen Kirche Reformen für die Praxis erfordern, will das vorliegende Werk 50 Jahre nach dem 2. Vaticanum dazu beitragen und im Geiste des Konzils Lösungen vorschlagen. Die im Titel bekundete Auffassung der Kirche als Gemeinschaft des Heils ist also programmatisch. Gleichzeitig steht der Band im inneren Zusammenhang mit dem bereits erschienenen dogmatischen Werk seines Urhebers, das die Gotteslehre, die Schöpfungslehre und die Chris­tologie einbezieht. – Die ersten beiden (»Neutes­tamentliche Ansätze der Ekklesiologie« und »Die Grundzüge des Kirchenverständnisses in dem Geist des zweiten vatikanischen Konzils«) der vier Teile wirken als Voraussetzungen für die im dritten (»Die Dienste in den Grundgestalten der Kirche«) und vierten Teil (»Die vier Grundkennzeichen der Kirche«) entfaltete Erörterung, die im engeren Sinne als Beitrag K.s erachtet werden darf.
Die Betrachtung der neutestamentlichen Ekklesiologie (1) konzentriert sich auf die Entstehungsgeschichte der christlichen Kirche (A) und auf die Strukturen der Kirche in den urchristlichen Ge­meinden (B). Wird der Ursprung der Kirche im gesamten Jesus-Christus-Ereignis gesehen, so werden am Beispiel der Urgemein-de Struktur-Impulse für die gegenwärtige Kirche hervorgehoben: sy­nodale Gremien, offene Streitkultur, charismatische Begabungen, dreistufige Ämterstruktur, aber auch Frauen als Gemeindemitarbeiter.
Die Ekklesiozentrik des 2. Vaticanums (2.), anhand eines Grundrisses zum Konzildokument Lumen gentium überblicksartig vermittelt (A), wird anschließend zur Entfaltungsbasis der Grundbestimmungen der Kirche (B). So wird die heilsgeschichtlich-trinitarische Verankerung der Kirche – die Kirche als Volk Gottes, als Leib Christi – beleuchtet, ihre formale Grundbestimmung – Kirche als Sakrament und als communio – dargestellt und die prophetischen und charismatischen Wirkkräfte in der Kirche angeführt.
Der Betrachtung der Dienste in der Kirche (3.) legt K. die Auffassung der Kirche als soziologische Institution, die eine mehrfache Strukturierung aufweist, zugrunde. Dieser Strukturierung entspricht scheinbar wie von selbst die Unterscheidung zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Priestertum (A), worauf die Darstellung der Kirchendienste folgt (B). In der breit angelegten Betrachtung des allgemeinen Priestertums schildert K. zunächst in geschichtlicher Perspektive das Problem des Begriffs »Laien«, plädiert für seine Ersetzung mit der Kategorie »Kirchenmitglieder« als Überwindungsmöglichkeit des starren Schemas »Klerus-Laien« und öffnet anschließend den Blick auf die Kirche der Zukunft als »geschwisterliches Miteinander«. Diese soll sich als Gemeinschaft voller Gleichberechtigung, vielfältiger Berufungen und Gemeinschaft mit einer klar geordneten Leitung kennzeichnen. In der Besprechung der Dienste (B) wird im Kontext der Darstellung des Petrusamtes das Verhältnis zwischen dem Papst und Bischofskollegium als gleichursprünglich und kollegial bestimmt.
Im letzten Teil (4) werden die vier Grundkennzeichen der Kirche Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität besprochen. Neben der Einheit der Kirche im Glauben wird auch der Aspekt der Einigung der konfessionellen Kirchen diskutiert. Als Weg der Einheit werden die gegenseitige Anerkennung von Ämtern und Sakramenten sowie die katholische Anerkennung der Eucharistiegemeinschaft vorgeschlagen. Würde dadurch die Abendmahlgemeinschaft tatsächlich möglich, so stünde den konfessionellen Kirchen eine (römische) Einheit in versöhnter Verschiedenheit nichts mehr im Wege. Die Heiligkeit der Kirche und die Sünde der Menschen wird darauf folgend als Übergewicht der Heiligkeit gegenüber der Sündigkeit in der Kirche diskutiert und als quantitative Differenz „in der Dauer und in der Tiefe“ angesehen. Während die Katholizität soteriologisch, als Auftrag eines universalen Heilsdienstes für die gesamte Menschheit neu interpretiert wird, wird die Apostolizität der Kirche auch im Sinne der Anerkennung des lutherischen Amtes aufgrund presbyterialer Sukzession erfasst.
Das Buch ist eine Reaktion auf die Problemlage der katholischen Kirche und will als Neubesinnung auf das 2. Vaticanum »mögliche und nötige Reformen« vorschlagen. Es spricht daher vor allem katholisch-kirchliche und -theologische Kreise an. Ökumenisch ist es soweit entgegenkommend, wie es ihm im Rahmen der Konzilstheologie und der katholischen Glaubenslehre möglich ist. An­schaulich dargestellt und zugänglich kommentiert stellt das Werk ein kostbares Lehrbuch der katholischen Ekklesiologie dar.