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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1107–1108

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Prof. Dr. Jörg Lauster, Dekan

Titel/Untertitel:

Dietrich Stollberg zum Gedenken

Der Fachbereich Evangelische Theologie trauert um Prof. em. Dr. Dietrich Stollberg, der am 4. Juni 2014 im Alter von 77 Jahren verstorben ist. Dietrich Stollberg lehrte von 1979 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2001 als Professor für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Poimenik, Liturgik und Homiletik an der Phi-lipps-Universität. Zahlreiche Publikationen in allen Schwerpunkten seines Faches erwuchsen aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Über viele Jahre hinweg war er, ein begeisterter und hoch musikalischer Liturgiker und beliebter Prediger, Universitätsprediger der Philipps-Universität. 1984/85 und 1998/99 war er Dekan des Fachbereichs Evangelische Theologie.
In besonderer Weise hat Dietrich Stollberg die seelsorgetheoretische und pastoralpsychologische Fachdebatte geprägt, die seit dem Ende der 60er Jahre durch den intensiven Dialog mit der Psychoanalyse und anderen psychotherapeutischen Verfahren eine neue theoretische und methodische Orientierung gewann. Dietrich Stollberg, geb. 1937, lernte in den 60er Jahren durch einen Aufenthalt in den USA die amerikanische Seelsorgebewegung kennen und machte – gemeinsam mit einigen anderen Praktischen Theologen – ihre Prinzipien, Methoden und Ausbildungsgänge durch wissenschaftliche Veröffentlichungen bekannt und entwickelte sie für den deutschen Kontext weiter. Als lutherischer Theologe legte er den Akzent auf eine rechtfertigungstheologische Profilierung der Seelsorgetheorie. Sein Buch »Wahrnehmen und Annehmen« von 1978 steht exemplarisch für diesen Ansatz. 1972 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP), deren Ehrenmitglied er gewesen ist.
Dietrich Stollberg begann seine wissenschaftliche Laufbahn als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent bei Prof. D. Kurt Frör an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Da­neben absolvierte er psychoanalytische und gruppentherapeutische Ausbildungen. Von 1971 an war er Professor für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Seelsorge und Pastoralpsychologie und Direktor des Seelsorgeinstitutes an der Kirchlichen Hochschule in Bethel/Bielefeld, ehe er 1979 den Ruf nach Marburg erhielt. Bis in sein letztes Lebensjahr hinein hat Stollberg als unüberhörbare und geschätzte Stimme in der Praktischen Theologie unablässig wissenschaftlich publiziert. Noch in diesem Jahr er­schien sein Buch »Religion als Kunst. Nachdenken über praktische Theologie und Ästhetik« bei der Evangelischen Verlagsanstalt.
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist Stollberg lange therapeutisch und supervisorisch tätig gewesen. Besonders die Arbeit mit Gruppen lag ihm am Herzen. Er war Lehrsupervisor der DGfP, Gruppenpsychotherapeut, Lehrgruppenleiter und Supervisor im Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAGG), jetzt Deutsche Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie/DGGG), sowie Graduiertes Mitglied und Lehrbeauftragter für Themenzentrierte Interak-tion (TZI) im Ruth-Cohn-Institut International. Viele Jahre hat er seit 1971 als Mitherausgeber der »Pastoraltheologie« das Gesicht einer der wichtigsten praktisch-theologischen Fachzeitschriften mitbestimmt. Er war Mitglied der Liturgischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Gastprofessuren führten ihn an die Universität Basel (1977), an die Humboldt-Universität Berlin (1997/98) und an die LMU München (2005/06).
Durch seine Forschung und Lehre hat Dietrich Stollberg eine ganze Generation von Seelsorgerinnen und Seelsorgern maßgeblich geprägt und sie gelehrt, theologische und psychotherapeu-tische Perspektiven in der Hermeneutik der Wirklichkeit und in der seelsorglichen Praxis produktiv miteinander ins Gespräch zu bringen.