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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

681 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hemminger, Hansjörg, u. Keden, Joachim

Titel/Untertitel:

Seele aus zweiter Hand. Psychotechniken und Psychokonzerne.

Verlag:

Stuttgart: Quell 1997. 194 S. 8 = Sekten - Sondergruppen - neue weltanschauliche Bewegungen, 2. Kart. DM 29,80. ISBN 3-7918-3491-6.

Rezensent:

Werner Thiede

Um den "Psychomarkt" als Teil der "Psychobewegung" geht es in diesem von zwei kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten verfaßten Buch, das schwerlich als wissenschaftlicher Diskussionsbeitrag, sondern offenkundig für Betroffene und solche, die mit ihnen praktisch zu tun haben, geschrieben ist. Theologische Kriterien kommen dabei nur dezent zur Geltung- vor allem im Schlußkapitel. Dessen Titel "Aus der Praxis von Beratung und Seelsorge" macht zugleich deutlich, daß die Autoren ungeachtet ihrer erkennbaren Bemühung um Fairness "parteiisch", nämlich im Interesse der Ratsuchenden und Geschädigten in die komplexe Materie einführen. Die ausführlich gebrachten Beispiele (zwei von fünf Kapiteln) dienen mehr oder weniger der negativen Illustration. Sachinformation und Warnung durchdringen einander auf diese Weise oft - ohne daß deshalb die "Psychobewegung" in Bausch und Bogen verurteilt würde, denn in dem einen oder andern Punkt lassen sich Über-einstimmungen mit christlichen Grundanliegen entdecken. So problematisch aus theologischer Perspektive das zutiefst optimistische humanistische Menschenbild mit seinen Machbarkeitsimplikationen erscheinen muß, so sehr entdecken die Autoren etwa die Denkbarkeit positiver Veränderbarkeit doch als eine Gemeinsamkeit zwischen christlicher Religion und der facettenreichen "Psychobewegung", die teilweise selbst von spirituellen Impulsen getragen ist.

Wer sich aufgrund des Untertitels eine Gesamtübersicht erhofft hat, wird enttäuscht: Das großenteils induktive, an ausgewählten Beispielen orientierte Vorgehen wird manche Leserin und manchen Leser persönlich Interessierendes vermissen lassen. Zum Stichwort "NLP" etwa, das in manchen Kirchengemeinden mittlerweile einen erstaunlich positiven Klang erworben hat, wird nur auf andere Literatur verwiesen. Die zweifellos nachvollziehbare Entscheidung der Autoren für ihre Art der Darstellung verleitet in der Konsequenz zu der gegenläufigen Tendenz, sich zum Ausgleich gern in Verallgemeinerungen auszudrücken (Wörter wie "oft" oder "viele" u. ä. sind keine Seltenheit!). So fügt sich für den Leser ein reichhaltiges und dennoch bisweilen vage bleibendes Bild zusammen. Das mag auch teilweise daran liegen, daß beispielsweise ein immer wieder vorkommender Begriff wie "New-Age-Bewegung" in keiner Weise problematisiert, also jenseits seiner wissenschaftlichen Diskussion verwendet wird (entsprechend schmal fällt das Literaturverzeichnis aus).

Indes - der Band beschreitet in mutiger Weise Neuland und füllt eine Marktlücke auf dem weiten Feld des "Psychomarkts". Wer als Seelsorger, Psychotherapeut oder "Klient" wenigstens ein Stück mehr Übersichtlichkeit und erste Orientierungshilfe erstrebt, wird hier durchaus fündig. Insbesondere das zentrale Kapitel über "Psychokurse zwischen Genialität und Quacksalberei", ergänzt um Informationen zur Rechtslage und konkrete Ratschläge, bringt zahlreiche erhellende Aspekte hinsichtlich verbreiteter Methoden, Techniken und ihrer Gefahren. Die langjährige Praxiserfahrung der beiden Autoren ist dem gesamten Buch abzuspüren.