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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1079–1080

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hrsg. u. verantwortlich für die dt. Übersetzung: Th. Dieter u. W. Thönissen.

Titel/Untertitel:

Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017. Bericht der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt; Paderborn: Bo­nifatius 2013. 102 S. Kart. EUR 14,80. ISBN 978-3-374-03418-5 (Evangelische Verlagsanstalt); ISBN 978-3-89710-549-5 (Bonifatius).

Rezensent:

Walter Klaiber

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

From Conflict to Communion. Lutheran-Catholic Common Commemoration of the Reformation in 2017. Report of the Lutheran-Roman Catholic Commission on Unity. Hrsg. v. The Lutheran World Federation (LWF)/The Pontifical Council for Promoting Christian Unity (PCPCU). Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt; Paderborn: Bonifatius 2013. 93 S. Kart. EUR 12,80. ISBN 978-3-374-03390-4 (Evangelische Verlagsanstalt); ISBN 978-3-89710-548-5 (Bonifatius).


Das Reformationsjubiläum 2017 bleibt ökumenisch eine heikle Angelegenheit. Einerseits ist bei den Veranstaltern der klare Wille vorhanden, die Fehler früherer Säkularfeiern mit ihrem konfessionalistischen oder nationalistischen Triumphalismus zu vermeiden und dem Ereignis ökumenische Weite zu geben. Andererseits scheint es eine schwer zu überwindende Eigendynamik solcher Gedenkjahre zu geben, die darauf drängt, mit der Feier des Reformatorischen auch das »protestantische« Profil zu stärken. Dieser Tendenz möchte der vorliegende Bericht der Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission für die Einheit des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen wehren. Er ist in zwei Fassungen erschienen, die englischsprachige ist das Original, die deutschsprachige eine von Th. Dieter und W. Thönissen verantwortete Übersetzung.
Die Studie beginnt mit einer Besinnung über die Bedeutung von »Reformationsgedenken im Zeitalter von Ökumene und Globalisierung«, in der die veränderte Situation bewusst gemacht wird, in der diese Säkularfeier stattfindet. In einem zweiten Schritt wird knapp umrissen, wie sich sowohl in der Erforschung der Reformation als auch in wichtigen Grundüberzeugungen die Positionen einander angenähert haben (»Martin Luther und die Reformation – Neue Perspektiven«, 18–25), wobei der Eindruck entsteht, dass sich dabei auf katholischer Seite sehr viel mehr bewegt hat. Diese Annäherung ist Grund für ein bemerkenswertes Ergebnis. Es ist möglich, gemeinsam »eine historische Skizze der lutherischen Reformation und der katholischen Antwort« (Kapitel III) zu bieten, also zumindest in der historischen Beurteilung der Vorgänge mit einer Stimme zu sprechen. Den Hauptteil des Berichts bildet Kapitel IV: »Hauptthemen der Theologie Martin Luthers im Licht der lutherisch/römisch-katholischen Dialoge«. Hier werden im We­sentlichen die Ergebnisse der bekannten Dialoge zu den Themen Rechtfertigung, Eucharistie, Amt, Schrift und Tradition sowie Evangelium und Kirche referiert mit dem Ergebnis, dass im Grunde bei fast allen dieser klassischen kontroverstheologischen Themen ein weitreichender Konsens erreicht wurde mit Ausnahme in der Amtsfrage, obwohl es auch hier »hoffnungsvolle Perspektiven für eine Annäherung« gibt (§ 194). Es muss also an der Ekklesiologie »in Richtung Konsens« weitergearbeitet werden.
Erste Folgerungen für das eigentliche Thema zieht Kapitel V: »Zum gemeinsamen Gedenken aufgerufen«, das als Grundlage da­für die Taufe und die gemeinsame Freude am Evangelium nennt, aber auch ein eindrucksvolles katholisches bzw. lutherisches Be­kenntnis »von Sünden gegen die Einheit« enthält. Das Ganze mündet in »fünf ökumenische Imperative« für das gemeinsame Gedenken von Lutheranern und Katholiken im Jahr 2017: Lutheraner und Katholiken sollen 1. »immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben«; 2. »sich selbst ständig durch die Begegnung mit dem Anderen und durch gegenseitiges Zeugnis des Glaubens verändern lassen«, 3. »sich erneut dazu verpflichten, die sichtbare Einheit zu suchen«, 4. »gemeinsam die Kraft des Evangeliums Jesu Christi für unsere Zeit wiederentdecken« und 5. »in der Verkündigung und im Dienst an der Welt zusammen Zeugnis für Gottes Gnade ablegen«.
Das sind noble Ziele, und es ist erfreulich, dass gerade die beiden letzten deutlich machen, dass das Streben nach Einheit nicht Selbstzweck ist, sondern einer übergeordneten Aufgabe dient. Der Bericht bringt naturgemäß inhaltlich keine neuen Ergebnisse, aber macht klar, wie breit die gemeinsame Basis zwischen beiden Kirchen schon ist – oder wäre, wenn die Dialogergebnisse rezipiert wären. Gerade angesichts dieser erfreulichen Bilanz stellt sich aber doch die Frage: Wenn es wirklich nur noch an der Amtsfrage hängt, ob man – trotz bleibender unterschiedlicher Akzentuierungen – einander grundsätzlich als Kirche Jesu Christi anerkennen kann, verrät sich daran nicht ein Grunddissens in der Auffassung von Evangelium und Kirche, den man deutlicher benennen muss, um ihn aufarbeiten zu können? Damit hängt die andere Frage zusammen: Verstehen die beiden Partner wirklich das Gleiche unter sichtbarer Einheit, die sie suchen wollen?
Ansonsten kann man den beiden Kirchen nur wünschen, dass die genannten Imperative das gemeinsame (!) Gedenken bestimmen und prägen, und vielleicht als Erinnerung anfügen, dass sie dabei nicht alleine auf dem Weg sind, sondern dass die Frage, was das Gedenken an die Reformation für uns heute bedeutet, auch noch andere Glieder der christlichen Familie bewegt.