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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

679–681

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hell, Silvia

Titel/Untertitel:

Die konfessionsverschiedene Ehe. Vom Problemfall zum verbindenden Modell.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1998. 498 S. 8. Kart. DM 88,-. ISBN 3-451-26547-8.

Rezensent:

Walter Schöpsdau

Die Innsbrucker Habilitationsschrift sucht nach einem Konvergenzmodell im Blick auf die "unterschiedliche Verhältnisbestimmung von Schöpfungs- und Erlösungsordnung" (214) in katholischer und evangelischer Ehetheologie. Die Durchsicht der konfessionellen Positionen in Theologie (ev.: E. Brunner, Althaus, Schlatter, Trillhaas, Barth, Quervain, Bonhoeffer, Elert, Thielicke, Pannenberg, Rendtorff, Koch, Wannenwetsch; kath.: K. Reinhardt, Ratzinger, Schmaus, Rahner, Schneider, Kasper) und kirchlichen Dokumenten ergibt als Anfrage an die evangelische Seite, ob die rechtfertigende Verheißung der Sakramente Taufe und Abendmahl nicht zu einer "qualitativen und damit ontischen" (46) statt bloß paränetischen Neubestimmung der Schöpfungswirklichkeit Ehe führen müsse bzw. was das spezifisch Christliche einer Ehe zweier Getaufter ausmache.

Eine Verständigungsmöglichkeit sieht H. am ehesten bei Wannenwetsch, der von einer "eucharistischen Wahrnehmung der Ehe" und einem "Mehr" der in der christlichen Gemeinde gelebten Ehe ausgeht, das sie in den Horizont des Versöhnungs- und Erlösungshandeln Gottes stellt. Die Frage sei nur, ob der "sakramentale Zusammenhang" lediglich eine Frage der Optik ist oder die Ehe zweier Christen "auch qualitativ umgestaltet" (139). Umgekehrt hätte katholische Ehetheologie genauer zu explizieren, wodurch die Sakramentalität der Ehe zustande kommt bzw. wie sich die Taufe auf die Ehe auswirkt und welche Rolle dabei der Glaube der Eheleute spielt (224.263).

Der zweite Teil informiert über die katholische, evangelische und ökumenische Sicht der konfessionsverschiedenen Ehe unter Einbeziehung aller einschlägigen Dokumente der Kirchen in Deutschland und Österreich wie des ökumenischen Dialogs. Der dritte Teil behandelt zunächst den gemeinsamen Eucharistieempfang, die kirchliche Dimension der konfessionsverschiedenen Ehe (Formpflicht und Kindererziehung) und das Verständnis der Unauflöslichkeit. Abschließend wird eine "Theologie des Segens" als Basis für eine Annäherung der konfessionellen Anliegen entfaltet.

In den als Segenshandlungen gedeuteten Trauliturgien mit den Elementen Anamnese, Epiklese, Doxologie, Hingabe und Gemeinschaft werden Schöpfungs- und Erlösungsordnung, Ehe und Kirche in das Verhältnis einer "durch Transsituierung und Transfinalisation bewirkte[n] Transsignifikation" gebracht. Mit ihr gewinnt auch evangelische Ehetheologie eine im weiteren Sinn sakramentale Dimension: "Die in Christus vollendete Schöpfungsverheißung wirkt sich auf die Schöpfungswirklichkeit aus, indem sie unter das göttliche Gebot und die göttliche Verheißung gestellt (transsituiert), auf den sie segnenden Gott ausgerichtet (transfinalisiert) und dadurch zum Zeichen des Neuen Bundes (transsignifiziert) wird" (457 f.). In der katholischen Trauung feiern die beiden Getauften, daß ihre Gemeinschaft in Christus wurzelt und auf Christus ausgerichtet (transsituiert und transfinalisiert) ist. Die Trauungshandlung nimmt sie in das Verhältnis Christi zu seiner Kirche hinein und transsignifiziert ihre Ehe als Begegnungsraum für das Leibwerden von Kirche.

In beiden Vollzügen wird realsymbolisch vergegenwärtigt, daß das menschliche Ja-Sagen-Zueinander, das die Bereitschaft zu lebenslänglicher Treue und zur Annahme der Kinder einschließt, immer schon in Gottes Ja zum Menschen, wie es sich im Verhältnis Christi zur Kirche ausdrückt, aufgenommen ist. Auch wenn evangelische Ehetheologie der Ehe keine rechtfertigende Gnade zuschreibt, müsse sie verdeutlichen, daß die in Taufe und Abendmahl gefeierte Verheißung sich auf die Existenz zweier Getaufter "auswirkt" und sie in einen neuen heilsgeschichtlichen Zusammenhang stellt. Da die evangelische Kirche auf die Einsegnung der Ehe zweier Getaufter Wert legt, signalisiere sie, daß der Segen etwas mit der in der Taufe besiegelten Verheißung zu tun hat, die die Schöpfungswirklichkeit Ehe in Christus "neu werden läßt". Katholischerseits ergebe sich aus dem Verständnis der Trauung als Segenshandlung eine genuin theologische Begründung der Formpflicht und eine personale Sicht des Ehesakraments "als kirchlich gefeierter Begegnungsraum mit Christus". Zur Gültigkeit könnte grundsätzlich der standesamtliche Eheabschluß genügen, während die sakramentale Eheschließung an die liturgische Segenshandlung gebunden bleibe.

Eine ökumenische Theologie der Ehe von der Handlungsstruktur der Trauung her zu entwickeln, erweist sich als verheißungsvoll. Der dogmatische und kirchenrechtlich folgenreiche Streitpunkt, ob die Erlösung sich auf die Schöpfungswirklichkeit Ehe durch die Taufe oder durch den Glauben der Eheleute auswirkt, wird allerdings durch die Rede von einem Raum der "Christusbegegnung" (222), in dem die Partner sich auf Gottes Heilshandeln "einlassen" und sich in das Bundesgeschehen "hinein nehmen lassen" (254.460 u. ö.), eher verdeckt als ausgeräumt. Ebenso bleiben Formulierungen wie die, daß in der Ehe Gottes Bundestreue "aufscheint" (247) und die Ehe "ex opere operato" von der Liebe Christi zur Kirche "geprägt", "bestimmt" oder "in eine neue Wirklichkeit transsituiert" wird (258.428), hinter H.s eigener Forderung nach Klärung der Bedeutung von Taufe und Kirchlichkeit im Fall des Scheiterns einer Ehe zurück.

An dem in vorbildlich ökumenischem Geist geschriebenen und an dogmengeschichtlichen, theologischen und liturgischen Einsichten reichen Grundlagenwerk kommt künftig keine Beschäftigung mit der Theologie der (konfessionsverschiedenen) Ehe vorbei.

Auf eine störende Kleinigkeit sei hingewiesen: Da Autoren in den Fußnoten ohne Vornamen aufgeführt sind, werden im Register G. und T. Koch, K. und H. J. F. Reinhardt oder E. und P. Brunner nicht mehr unterschieden und letztere auch im Literaturverzeichnis miteinander verwechselt.