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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1035–1037

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Hoff, Gregor Maria, u. Ulrich H. J. Körtner[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Arbeitsbuch Theologiegeschichte. Diskurse. Akteure. Wissensformen.

Verlag:

2 Bde. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. Bd. 1: 2. bis 15. Jahrhundert. 2012. 380 S. Kart. EUR 27,90. ISBN 978-3-17-019113-6. Bd. 2: 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 2013. 416 S. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-17-019114-3.

Rezensent:

Konrad Hammann

In den letzten Jahrzehnten haben im romanischen Sprachgebiet mehrere katholische Theologen Gesamtdarstellungen der Theologiegeschichte vorgelegt. Innerhalb der evangelischen Theologie ist meines Wissens als letzte umfassende Übersicht das von Carl Andersen herausgegebene »Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte« vor ca. 30 Jahren in drei Bänden erschienen. Mit dem vorliegenden Werk verbinden die beiden Herausgeber, der katholische Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff und der evangelische Systematiker Ulrich H. J. Körtner, die Absicht, einen »konzentrierten Überblick« über die Theologiegeschichte zu geben, der zugleich als Einführung in dieses weitläufige Gebiet angelegt ist. Wie dem Titel zu entnehmen ist, handelt es sich um ein Arbeitsbuch, das insbesondere auf den akademischen Lehrbetrieb zugeschnitten ist.
Unter quantitativen Aspekten sind die theologiegeschichtlichen Epochen ungleich auf die beiden Bände dieses Arbeitsbuchs verteilt. Während Band 1 den Zeitraum vom 2. bis 15. Jh. umfasst, wird in Band 2 den folgenden fünf Jahrhunderten erheblich mehr Raum zugewiesen. Diese ungleiche Verteilung des Stoffs mag freilich den herrschenden Gegebenheiten in der universitären Lehre geschuldet sein, in der der Theologiegeschichte seit dem 16. Jh. häufig mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als ihrer Entwicklung in den 15 Jahrhunderten zuvor.
Die didaktische Anlage der Darstellung entspricht den im Untertitel dieses theologiegeschichtlichen Arbeitsbuches angegebenen Zielsetzungen. Es geht um die Diskurse – die Bearbeitung theologischer Problemstellungen mit innovativem Gehalt –, um die Akteure – die Theologinnen und Theologen – sowie um die Wissensformen – die literarischen Gattungen und diskursiven Methoden, mit denen die dargestellten Autoren die Wahrheit des christlichen Glaubens zu ergründen und zu vermitteln versuchten. Die 36 biographischen Artikel sind daher einheitlich strukturiert. Einer Einführung in das Leben und Werk des betreffenden Theologen schließt sich die Skizzierung der von ihm aufgegriffenen und bearbeiteten Problemstellungen an. Sodann wird ein für sein theologisches Anliegen charakteristisches Hauptwerk vorgestellt. Be­merkungen zur Rezeptionsgeschichte und bewusst knapp gehaltene Literaturhinweise runden den Artikel ab.
Um den Eindruck zu vermeiden, es könnte sich hier um die bloße Aneinanderreihung von miteinander unverbundenen Theologenporträts handeln, sind zwischen die Einzeldarstellungen in Abständen Zäsuren eingeschaltet. Diese Einschnitte geben gewissermaßen den Rahmen ab, innerhalb dessen die jeweils nachfolgend porträtierten Theologen dachten und wirkten. Die Zäsuren fungieren mithin als die – historiographisch unentbehrlichen – Periodisierungsmarkierungen, die freilich immer auch fließende Übergänge zwischen den Epochen anzeigen.
Merkwürdigerweise setzt aber der erste Band ganz unvermittelt ein, indem er sogleich ohne jede thematische Hinführung Justin Martyr, Irenäus von Lyon, Origenes, Cyprian und Arius vorstellt. Wäre es nicht sinnvoll, ja erforderlich gewesen, diesen Einzeldarstellungen eine Zäsur vorzuschalten, die deutlich hätte machen können, wo die Anfänge der Theologiegeschichte innerhalb der Genese des frühen Christentums überhaupt zu verorten sind? Tatsächlich behandelt dann Uta Heil als ersten Einschnitt die Synode von Nicäa (325), in deren weitere Wirkungsgeschichte Gregor von Nyssa, Augustin und Nestorius eingestellt werden. Es folgt als weitere Zäsur das Konzil von Chalkedon, dessen christologische Lehrentscheidung Josef Wohlmuth erörtert. Diesem Einschnitt wird dann als einziger Theologe Pseudo-Dionysius Areopagita zugeordnet.
Anschließend profiliert Ruedi Imbach mit der Scholastik eine Zäsur, die wirklich zugleich als eine regelrechte theologiegeschichtliche Epoche gelten kann. In dem so bezeichneten Rahmen gelangen Johannes Scotus Eriugena, Anselm von Canterbury, Peter Abealard, Mechthild von Magdeburg, Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus zur Darstellung. Den Abschluss der mittelalterlichen Theologie markiert Volker Leppin mit der Via moderna und der Mystik. Ein Vertreter der Mystik wird allerdings nicht näher vorgestellt. Vielmehr repräsentieren Wilhelm von Ockham, Gregor Palamas (für die orthodoxen Kirchen) und Nikolaus von Kues den Ausgang der Theologiegeschichte des Mittelalters.
Die im zweiten Band gewählten Zäsuren spiegeln signifikant die konfessionelle Aufspaltung des abendländischen Christentums seit dem 16. Jh. wider. Als Repräsentanten der Reformation, in die Ulrich H. J. Körtner einführt, sind (nur) Martin Luther und Johannes Calvin berücksichtigt. Der Gegenreformation, Katholischen Reform und Konfessionalisierung – diese Zäsur beschreibt Gregor Maria Hoff – sind Melchior Cano und Francisco Suárez, jedoch kein Vertreter der lutherischen oder reformierten Orthodoxie zugeordnet. Den Übergang zur Moderne zeichnet sodann Ulrich Barth unter der Überschrift »Religion in der europäischen Aufklärung« nach. Unter diesem Vorzeichen werden Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schleiermacher, Johann Adam Möhler und Søren Kierkegaard behandelt.
Mit der katholischen Neuscholastik und dem Antimodernismus des späten 19. Jh.s nimmt Roman A. Siebenrock einen weiteren Einschnitt in den Blick, zu dem die anschließend dargestellten Adolf von Harnack und Sergij N. Bulgakow allerdings keine er­kennbare Beziehung aufweisen. Konfessionell zweigleisig angelegt ist zumal die Darstellung der Theologiegeschichte des 20. Jh.s. Der von Dietrich Korsch behandelten Zäsur der Dialektischen Theologie sind die Porträts von Karl Barth, Rudolf Bultmann und Paul Tillich zugeordnet. Im Umfeld des von Hans-Joachim Sander vergegenwärtigten Zweiten Vatikanischen Konzils erscheinen nicht allein Marie-Dominique Chenu, Karl Rahner und Gustavo Gutiérrez, sondern merkwürdigerweise auch John Hick und Sallie McFague.
Die beiden Herausgeber beschließen diese Einführung in die Theologiegeschichte mit einem ökumenischen Ausblick auf Herausforderungen, Übergänge und mögliche Umstellungen der Theologie im 21. Jh. Renommierte evangelische und römisch-katholische Theologinnen und Theologen haben die in dieses Ar­beitsbuch aufgenommenen Einzelporträts sachkundig gezeichnet, einige von ihnen auch in einer ansprechenden stilistischen Dik-tion. Rückfragen drängen sich auf insbesondere hinsichtlich der gewählten Zäsuren und auch im Hinblick auf die Auswahl der vorgestellten Theologinnen und Theologen. Der Rezensent versagt es sich jedoch, hier die Namen derjenigen zu nennen, die zusätzlich Berücksichtigung hätten finden können oder müssen. Schließlich handelt es sich ja bei dem vorliegenden Werk um eine Einführung, die zum weiteren Studium der Theologiegeschichte anregen soll. Leider fehlen Register, die dem Benutzer das Arbeiten mit dem »Arbeitsbuch Theologiegeschichte« hätten erleichtern können.