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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1032–1034

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Freudenberg, Matthias

Titel/Untertitel:

Theologische Köpfe aus 20 Jahrhunderten. Christliche Denker im Porträt.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2014. 211 S. Kart. EUR 24,99. ISBN 978-3-7887-2736-9.

Rezensent:

Christian Danz

In den letzten Jahren sind verstärkt Überblickswerke zur Geschichte der Theologie erschienen, in denen wichtige theologische Denker einführend porträtiert wurden. Darin zeigt sich ein wachsendes Bedürfnis nach Orientierung über die komplexen Zusammenhänge der Geschichte des theologischen und philosophischen Denkens. In diesen Kontext gehört das hier anzuzeigende Buch von Matthias Freudenberg. Es möchte einen elementaren Überblick über die »Vielgestaltigkeit des Christentums« und seiner Geschichte geben und macht sich zur Aufgabe, christliche Denker vorzustellen, »die als treibende Kräfte und Impulsgeber des Christentums gewirkt haben« (5). Von »theologischen Köpfen« ist deshalb die Rede, »um anzudeuten, dass wir es bei ihnen mit Denkern zu tun haben, auf die sich zu hören lohnt« (ebd.).
Vorgestellt werden von F. 14 Meisterdenker des Christentums, wobei der Schwerpunkt allerdings in die Reformationsgeschichte fällt. Nach einer kurzen Einführung (5–7), welche über die Intention des Buches informiert, setzt die Darstellung mit einem Überblick über die Anfänge des Christentums in dem Kapitel Von Paulus zu den Kirchenvätern (11–24) ein. F. schildert die Herausbildung des biblischen Kanons in den zahllosen Kontroversen der Alten Kirche und in den heterogenen Strömungen des frühen Christentums, die von ihm mit dem tendenziell normativen Begriff »Ur­christentum« (12.13) zusammengefasst werden. Knapp wird über die Geschichte des Paulus und dessen Theologie berichtet (13–17), um mit den theologischen Debatten in der Alten Kirche fortzufahren, die in die Dogmenbildungen von Nizäa und Konstantinopel münden. Nachdem das erste Kapitel gleichsam mehrere theologische Köpfe präsentierte, wenden sich die folgenden einzelnen Denkern zu. Zur Darstellung kommen zunächst die mittelalterlichen Denker Augustin (25–37), Anselm von Canterbury (39–50), Hildegard von Bingen (51–61) sowie Thomas von Aquin (63–73). Jedem Kapitel ist ein kurzer Überblick über den biographischen Werdegang der Gottdenker vorangestellt, und sodann folgt eine knappe Skizze des theologischen Grundanliegens, welches in den zeitgeschichtlichen Horizont eingerückt wird. So referiert F. etwa den Aufbau der Summa theologiae (69 f.) von Thomas, geht knapp auf dessen quinque viae ein (70 f.) und präsentiert abschließend als Hauptthemen von dessen Theologie die Konzeption des Verhältnisses von Gott und Welt sowie dessen Gnadenlehre (71–73).
Das Zeitalter der Reformation bildet den Schwerpunkt von F. Gleich fünf theologische Köpfe werden in Erinnerung gerufen: zunächst Martin Luther (75–92), sodann Ulrich Zwingli (93–106), Philipp Melanchthon (107–118), Heinrich Bullinger (119–132) und schließlich Johannes Calvin (133–146). Die Auswahl umfasst das gesamte Spektrum an reformatorischen Positionen. Sie werden von F. kenntnisreich in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext vorgestellt, und mitunter sind die Linien zu gegenwärtigen Fragestellungen ausgezogen. In den der Reformation folgenden Jahrhunderten scheint sich nicht viel theologisch Berichtenswertes ergeben zu haben. Auf Calvin folgt unter den theologischen Meisterdenkern Friedrich Schleiermacher (146–157). Die Darstellung des Berliner Theologen orientiert sich an dessen Werdegang. Ausgehend von der Ausbildung in den Seminaren der Herrnhuter Brüdergemeine über das Studium in Halle wird der Weg des großen Theologen nachgezeichnet. Dessen vielschichtiges Werk stellt F. indes lediglich an­hand einer knappen Skizze der Reden (150–152) sowie der Glaubenslehre (154–157) vor.
Das 20. Jh. repräsentieren die drei Denker Albert Schweitzer (159–173), Karl Barth (175–189) und Dietrich Bonhoeffer (191–205). Die beiden Letzteren gelten als Beispiel für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. »Gerade weil weite Teile der Kirche und der Theologie in Deutschland 1933 versagt haben, ist es überaus nützlich, sich mit Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer zu beschäftigen, weil sie der Irrlehre des Nationalsozialismus und seinem Eindringen in Kirche und Theologie begegnet sind und deutlich gemacht haben, dass Irrlehre kein hinzunehmendes Naturereignis ist, sondern bekämpft gehört.« (7) Wie in den anderen Kapiteln des Buches auch, thematisiert F. das theologische Werk von Schweitzer, Barth und Bonhoeffer vor dem Hintergrund ihrer biographischen Entwicklung im zeitgenössischen Kontext. Mit Albert Schweitzer ist in den Band ein Denker aufgenommen, der auf sehr unterschiedlichen Gebieten gewirkt hat. F. referiert dessen Studium der Theologie und der Philosophie in Straßburg, Paris und Berlin, den Klassiker zur Leben-Jesu-Forschung (162–164), die Beschäftigung mit Bach (164–166), die Tätigkeit als Arzt in Lambarene (166–168) sowie seine Kulturphilosophie (168–171). Letztere knüpft mit ihrem Leitgedanken »Ehrfurcht vor dem Leben« an Motive an, welche Schweitzer bekanntlich in seiner eigenen Skizze des Lebens Jesu in der »Schlußbetrachtung« seiner Geschichte der Leben-Jesu-Forschung ausgeführt hatte. Eine knappe Bibliographie mit den Quellennachweisen, die auf weiterführende Sekundärliteratur zu den behandelten Autoren verzichtet, beschließt den Band (207–211).
Die von F. vorgelegte Darstellung von theologischen Köpfen aus 20 Jahrhunderten bietet insgesamt eine orientierende Einführung in die Geschichte des theologischen Denkens seit der Antike. Eine solche Auswahl von Denkern ist selbstverständlich stets selektiv. Darauf weist F. auch völlig zu Recht selbst hin. Seiner Darstellung gehe es nicht »um Vollständigkeit und lexikalische Ausführlichkeit« (5), vielmehr soll die Auswahl einen exemplarischen Charakter haben. Gleichwohl wird man um das Urteil nicht herumkommen, dass die Theologie des modernen Protestantismus in dem Buch etwas unterrepräsentiert ist. Gerade vier Autoren aus den auf die Reformation folgenden 500 Jahren werden von F. für wert befunden, als »treibende Kräfte und Impulsgeber des Christentums gewirkt zu haben« (ebd.). Die Aufklärungstheologie sowie die komplexen theologischen Debattenlagen im 19. und 20. Jh. kommen in dem Buch nicht in den Blick. Das ist insofern schade, als sich das Buch an eine breitere Leserschicht wendet, der doch ein recht einseitiger Überblick über die komplexen theologischen und philosophischen Debatten geboten wird.