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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

674–676

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Link, Hans-Georg

Titel/Untertitel:

Bekennen und Bekenntnis.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998. 231 S. 8 = Ökumenische Studienhefte, 7. ISBN 3-525-87175-9.

Rezensent:

Horst G. Pöhlmann

Das "Bekennen" ist für den Vf. "das umfassende Umsetzen des ersten Gebotes im alltäglichen Leben" (17). Neben der formalen Eigenschaft, daß man es vor anderen ablegt, besteht die inhaltliche Eigenart des Bekenntnisses in folgenden Essentials: Es ist die verschriftete "Zusammenfassung des wesentlichen Glaubensinhalts", mit der seine "Wiederholbarkeit", ein weiteres Spezifikum des Bekenntnisses, zusammenhängt. Es hat ferner eine "erzählende, lobpreisende Struktur" ("Doxologie"). Weitere Wesensmerkmale sind die "Knappheit", die "(Unter-)Scheidung zwischen Orthodoxie und Häresie" und die "eschatologische Dimension", wenn hier die "Zukunft Gottes" in die "Gegenwart" bekennend hineingeholt wird (18 f.). Ich vermisse in dieser Liste folgende Wesenseigenschaften eines christlichen Bekenntnisses: ein Bekenntnis des Glaubens ist immer zugleich Sündenbekenntnis (Mt 3,6, vgl. den Doppelsinn von Confessio), im Bekenntnis spricht immer das Wir der Kirche, nicht eine subjektivistische Solostimme, ein Bekenntnis ist immer Bekenntnis zu Christus (Mk 8,27; 1Kor 8,6), nicht nur zu Gott allgemein, es ist immer Bekenntnis zu Christus, nicht nur zu einer Moral oder nur zu einem sozialen und politischen Programm, wie heute oft in der Gesellschaft, aber auch im Christentum. Der Vf. propagiert neue Glaubensbekenntnisse, die dieses Kriterium nicht erfüllen (183, 186, 187, 201). Das Frauen-Bekenntnis "Ich glaube an mich selbst, in der Beweglichkeit, die Gott mir geschenkt hat. An die Erfahrung der allergrößten Freude: mich selbst zu geben auf meiner Straße nach Emmaus und Jericho" (188), das der Vf. zustimmend zitiert, verstößt gleich gegen mehrere Kriterien eines christlich-kirchlichen Bekenntnisses, vor allem gegen das vom Vf. selbst reklamierte, eine "Zusammenfassung des wesentlichen Glaubensinhalts" zu sein.

Es ist sicher richtig, wenn der Vf. "neue Bekenntnisaussagen" fordert, um auf neue Fragen neue Antworten zu geben (189). Doch er widerspricht seinem eigenen Bekenntniskriterium: die "(Unter-)Scheidung zwischen Orthodoxie und Häresie", wenn er pauschal "das Außer-Kraft-Setzen der gegenseitigen Lehrverwerfungen" der Kirchen verlangt, "um einen Rückfall in einen kirchengeschichtlich nicht mehr zeitgemäßen, entwicklungspsychologisch gesprochen: infantilen Konfessionalismus zu verhindern" (189). Lehrverwerfungen können doch wohl nur aufgehoben werden, wenn sie den gemeinten Gegner nicht mehr treffen, aber nicht grundsätzlich. Seltsam ist auch das Kriterium "nicht mehr zeitgemäß". Ich denke, die Wahrheit, die wir zu bekennen haben, ist nie zeitgemäß, sondern immer ein Stachel, der sich in unsere Welt nie einbürgern wird, sondern in ihr immer als Fremdling empfunden wird. Das war mit allen Bekenntnissen so, von dem Bekenntnis zu dem einen Kyrios des Paulus (1Kor 8,6) bis zum Barmer Bekenntnis.

Bedenklich sind von daher auch die Sätze des Vf.s: "Wir fragen auf dem Hintergrund des christlich-jüdischen Gesprächs, ob das trinitarische Denken den biblischen Monotheismus hinreichend zur Geltung bringt oder polytheistischen Tendenzen in Richtung auf einen Tritheismus die Türen öffen" (190 f.). Die Konsensfähigkeit im christlich-jüdischen Dialog ist noch lange nicht ein Kriterium für das, was christlich wahr ist; und die Trinitätslehre tritheistisch mißzuverstehen, ist seltsam - als ginge es bei den drei "personae" um drei göttliche Subjekte und nicht um drei Begegnungsweisen des einen Gottes (Boethius). Wenn der Vf. die "Homoousios-Formel" des Nizänums gar noch in Frage stellt, durch die angeblich die "Gottheit-Christi" "zu hoch angesiedelt" sei (191), dann wird er der Ökumene keinen guten Dienst tun und die antiökumenische Stimmung in der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche nur verstärken. Die Formel bringt zudem ein biblisches Faktum treffend auf den Punkt: daß Jesus Christus Gott ist und nicht nur ein mit Gott besonders intensiv geeinter Mensch ist, als welcher er uns nicht hätte erlösen können.

Man kann dem Vf. nur zustimmen, wenn er die ökumenische Verständigung begrüßt und positiv deutet, von der Leuenberger Konkordie bis hin zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre und zu den Erklärungen von Meißen und Porvoo (196 f.). Er behauptet zu Recht, "daß im Zusammenhang mit den gegenseitigen Begegnungen und Lehrgesprächen alle christlichen Haupttraditionen im 20. Jh. ihre partikularen Positionen überschritten und die gemeinsamen ,katholischen’ Gesichtspunkte gestärkt haben. Mehr noch: Wir stehen vor der gleichermaßen erstaunlichen wie erfreulichen Tatsache, daß innerhalb der vergangenen 25 Jahre sämtliche Konfessionsfamilien damit begonnen haben, verbindliche Vereinbarungen zu treffen ..." (197 f.). Der Vf. klagt auch mit Recht die "Handlungsorientierung" der Bekenntnisse ein, die herkömmlichen Bekenntnissen oft abgeht (199). "Lehraussage und Handlungsorientierung ... gehören in einem Bekenntnis untrennbar zusammen", wie er mit K. Barth betont (200). Die Rechtfertigung des Sünders zielt auf soziale Gerechtigkeit (204), - ist sie doch, auch nach den reformatorischen Bekenntnissen forensisch und zugleich effektiv zu verstehen (Apol. Art. 4 Nr. 72 c Nr. 78). Aber gute Werke sind nie die Voraussetzung, sondern nur die Folge unserer Rechtfertigung und Christus ist es, der alleine gerechtspricht und gerechtmacht, nicht wir selber. Es ist nur zu begrüßen, wenn der Vf. im "ökumenischen Konzil der ganzen Kirche Jesu Christi" das Ziel der ökumenischen Bewegung erblickt (217), an das schon das Augsburger Bekenntnis appelierte (Unser Glaube 56f.).