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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

997–998

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Swain, Scott R.

Titel/Untertitel:

Trinity, Revelation, and Reading. A Theological Introduction to the Bible and its Interpretation.

Verlag:

London u. a.: T & T Clark International (Bloomsbury) 2011. VIII, 153 S. = T & T Clark Theology. Kart. US$ 27,95. ISBN 978-0-567-26540-1.

Rezensent:

Christoph Bultmann

Das Buch in Gestalt eines Traktats mit liturgischem und homile-tischem Charakter soll zur Schriftlektüre in reformatorischer Treue ermutigen. Zur Eröffnung wählt sein Autor Scott R. Swain die Theatermetapher: Gott als der »Divine Rhetor« setzt »the unfolding drama of creation, redemption, and consummation« in Gang (12 f.). Das Schauspiel, auch griffig »the unfolding kingdom drama« ge­nannt (20.27), umfasst in klassischer Terminologie »God’s cov­-enantal economy of salvation« (17, vgl. 23). S. gibt einen Überblick über die göttliche Heilsökonomie (15–33), die Rolle der Bibel in derselben (35–60), die Inspiration der Bibel und ihre Autorität, Wahrheit, Umfassendheit, Klarheit (61–93), den vom Geist geleiteten, in der Kirche beheimateten Leser (95–118) sowie über Praktiken der Schrift­lektüre (119–136).
Ein guter Einstieg in S.s Projekt sind zwei Passagen zu »virtues that aid reading« nach John Webster bzw. Kevin Vanhoozer: »Read­ing does not invent meaning, but instead attempts to follow ›the determinate, authoritative‹ words of the text« (99), bzw. »The obedi­ent interpreter is the one who follows the directions of the text rather than one’s own desires« (117). Dass ein Leser in seinen »de­-sires« (117) oder »concerns« (100) eine authentische Identität haben könnte, die nicht einfach zu verwerfen wäre, wenn es um den christlichen Glauben geht, wird als Problem ebenso wenig erfasst wie die Frage, wie eigentlich jene »authoritative words« oder »directions of the text« zu erschließen seien.
Überraschend ist, wie wenig bei S.s Versuch über den »Divine Rhetor« die Texte der Bibel selbst zur Geltung kommen. Dass – wie theologiegeschichtlich bekannt – Gen 3,15 eine Verheißung auf Christus darstellt, wird betont (22 u. ö.), dass die biblischen Autoren sich mit der Frage der Erkenntnis von gut und böse beschäftigen (Gen 3,5 f.22), bleibt unerwähnt: »As a result of their actions, the human family inherits the serpent’s hidden agenda in disputing God’s word« (21). Dass – ebenso bekannt – 2Sam 7,14 einen Bund Gottes mit David darstellt, wird betont (29), dass nach 1Sam 8,4–9 das (sakrale) Königtum selbst als ein Problem betrachtet wird, bleibt unerwähnt. Dass Ps 19,13 (MT) die Stimme einer 1. Person Singular zu Gehör bringt, stört; für einen christlichen Beter käme es wohl nicht in Betracht, die Gebetswendung für sich selbst nachzuvollziehen. Es muss hier deshalb von Israels ›unfathomable sin‹ die Rede sein (28 f.); dieses Israelbild wird später mit Begriffen wie »innate« oder »exceeding sinfulness« verstärkt, ohne dass ein Seitenblick auf Röm 9–11 fiele (50 f.). Joh 1,29 wird auf »the sins of his [God’s] people« bezogen (32), im Lehrhaus des Johannes hat man sich bei kosmos wahrscheinlich etwas anderes gedacht. Die Gesetze der Torah sind ein Grund zum Jubel (28); Gebote wie Dtn 21,18–21 irritieren S. so wenig wie Eph 5,21–24, vielmehr wird als »lucid explanation« durch N. T. Wright zitiert, »we cannot relativize the epistles […] by suggesting any intervening […] cultural shifts which would render them […] misleading« (26 f.). Neben der »hidden agenda« aus Gen 3 ist » self-rule« das Problem (29); S. zitiert zum individuellen Handeln Ri 21,25, das kollektive Handeln etwa nach 1Sam 8,7 f. darf vernachlässigt werden. Der einzige Gegenhalt zu solcher hochgradig schematischen Bibellektüre findet sich in einem caveat: »human beings, the recipients of revelation, […] in this life never fully comprehend that revelation« (25, Anm. 36).
Die Theatermetaphorik bewährt sich nicht als hermeneutisches Grundprinzip. Ideengeschichtlich wäre es wichtiger, das theologische Modell eines Reformators wie Bullinger (17) als solches zu rekonstruieren und im Kontext der Religionskultur seiner Zeit zu verstehen. Theologisch wäre es wichtiger, im religionskulturellen Kontext der Gegenwart die biblischen Texte als Texte ihrer Verfasser zu lesen. Doch wenn biblische Hermeneutik unter das Verdikt »disputing God’s word« gestellt wird, entsteht hier eine Aporie. Darüber informiert das bibliographisch reichhaltige Buch sehr direkt.