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Ausgabe:

Juli/August/2014

Spalte:

935–937

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Studebaker, Steven M.

Titel/Untertitel:

From Pentecost to the Triune God. A Pentecostal Trinitarian Theology.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. V. Eerdmans 2012. X, 281 S. = Pentecostal Manifestos. Kart. US$ 34,00. ISBN 978-0-8028-6530-4.

Rezensent:

Martin Hailer

Steven Studebaker ist Associate Professor für Systematische und Historische Theologie am McMaster Divinity College, Ontario (Canada), zuvor war er Pfarrer in Gemeinden der World Assemblies of God Fellowship. Nach Vorstudien zur Trinitätslehre von Jonathan Edwards legt er hier einen Entwurf aus pfingstlicher Perspektive vor. Der Band gehört in die seit einigen Jahren zu beobachtende Akademisierung pfingstlerischer Theologie, die – zumindest in der kontinentaleuropäischen Systematischen Theologie – noch nicht genug Aufmerksamkeit erfährt.
Nach pfingstlerischer Überzeugung wurde die Lebendigkeit und Eigenständigkeit des Heiligen Geistes von den großen Konfessionen des Westens wie des Ostens durch lange tradierte theologische Fehlwahrnehmungen verstellt. Der Geist ist vielmehr ein eigenständiges Aktzentrum der Trinität; der Prozess von Erlösung/Versöhnung ist ohne seinen genuinen Beitrag nicht denkbar. Das soll im vorliegenden Band durch fundamentaltheologische und exegetische Überlegungen (Kapitel 1–2), Diskussionen zu trinitätstheologischen Konzepten (Kapitel 3–5) und materialdogmatische Konkretionen (Kapitel 6–7) gezeigt werden. Die These lautet: »My understanding of the Spirit as person is in many respects consistent with the traditional Western notion that a divine person is a unique substistence of the divine nature. Where I differ from traditional theology is in the degree of agency I attribute to the Spirit, which I believe the biblical narratives about the Spirit warrant.« (6)
Kapitel 1 traktiert vor allem Fundamentaltheologie und betont die besondere Rolle, die der aktuellen Glaubenserfahrung im Pentekostalismus zugesprochen wird. Der Vf. unterstreicht die Wichtigkeit des Schriftprinzips, vermutet aber, dass es in einer Fassung wie bei George H. Lindbeck Erfahrungen nur noch präformiert und ihnen keine kreative Funktion mehr zugesteht. Dagegen wendet er sich durch eine exegetische Beobachtung: Das Apostelkonzil habe den entscheidenden Anstoß zur christlichen Mission gegeben, formal aber so, dass der aktuellen Visionserfahrung der Vorzug ge-genüber dem Schriftargument gegeben wurde. Schriftevidenz selbst spricht also für Erfahrungsevidenz. Kapitel 2 referiert exegetische Beobachtungen und kommentiert sie systematisch. Das Schöpfungswerk, der Geist Christi und das Pfingstereignis werden auf ihre Beteiligung des Geistes hin durchgesehen, wobei jeweils gezeigt wird, wie der Geist den Ereigniszusammenhang beginnt (»liminal«), ihn konstituiert und zu seiner eschatologischen Vollendung führen wird. Weil sich das für jeden der drei Ereigniszusammenhänge zeigen lässt, gilt in einem Rückschluss von Ökonomie auf Immanenz: »The Spirit is the divine person who consti-tutes and consummates the immanent fellowship of the Trinitarian God.« (98) Der Geist ist konstitutiv für Gottes Heilswerk, nicht nur ergänzend und ornamental (99).
Das schrifthermeneutische Argument ist nicht ohne Witz, wird aber wohl kaum alleine Bestand haben, zumal die Entscheidung des Apostelkonzils ja im Diskursraum der biblischen Tradition stattfindet. Für die Beobachtungen in Kapitel 2 wäre der kritische Anschluss an die – auch auf Englisch vorliegende – Pneumatologie Michael Welkers hilfreich gewesen. Das Zitat lässt fragen, ob die Betonung des Geistes nicht auf Kosten einer zum Tritheismus neigenden Bestimmung erkauft wurde.
Beim Durchgang durch einige klassische und moderne Positionen in Kapitel 3–5 wendet der Vf. sich zum einen wiederholt gegen Augustins Trinitätslehre und ihre Rezeption: Der Heilige Geist ist als vinculum caritatis notwendig subordiniert, auch wird er dann lediglich zum Erfüllungsgehilfen der Sendung des Sohnes. Dies Momentum macht der Vf. auch bei anderen Autoren aus, auch bei denen, die der Tradition seiner Konfession nahestehen oder sie sogar mitentscheidend prägen. Zum anderen wendet der Vf. sich gegen die in der östlichen Trinitätslehre gängige Vorstellung von der Monarchie des Vaters. Er referiert sie unter Bezug auf John Zi­zioulas und hält ihr eine mit dem Westen durchaus vergleichbare Geistvergessenheit vor. Der Vf. betont, dass es ihm nicht um eine neue Trinitätslehre zum Zwecke der Neuheit gehe, dass wohl aber die pfingstlerische Erfahrung in den ökumenischen Diskurs eingespeist werden solle, was bislang nicht ausreichend geschah (207).
In diesen Berichten fehlt eine Reflexion auf die Intentionen der Kritisierten: Es wäre doch interessant zu wissen, warum auch charismatische und pfingstliche Autoren am augustinischen Leitbild meinen festhalten zu sollen, wenn ihnen von der Glaubenserfahrung her die Eigenständigkeit des Geistes ein Anliegen sein muss. Ähnlich verhält es sich in der Zizioulas-Diskussion: In gerade einer Fußnote (133, Anm. 69) wird die Meinung eines Dritten zu Zizioulas’ möglicher Intention, die Monarchie des Vaters zu betonen, mitgeteilt, in der Darstellung aber nicht diskutiert. Auch dass sie innerorthodox umstritten ist, erfährt man nicht. So haben wir es in Kapitel 3–5 mit einer Tendenz zu vordergrundsprachlichen Referaten zu tun.
Die intendierte Trinitätslehre zeitigt Ergebnisse vor allem in inner-pfingstlerischen Kurskorrekturen: In Sachen Theologie der Religionen (Kapitel 6) tendiert pentekostale Theologie zu inklusi-vis­tischen Positionen, lehnt aber eine positive Rolle der Religionen für den Heilsprozess ab. Der Vf. optiert wiederholt dafür, dass das biblische Narrativ des Geistes mit der Schöpfung beginnt und also universal ist. Vor diesem Hintergrund kann eine liminale Rolle der Religionen im Heilsprozess gedacht werden. Um eine angemessene Theologie der Natur denken zu können (Kapitel 7), distanziert der Vf. sich von evangelikalen Grundlagen der pfingstlerischen Theologie, nach denen Umweltkatastrophen Zeichen der Endzeit sind, und die darüber hinaus stark dualistisch gefärbt sind. Gottes Geist wirkt in der Schöpfung, deshalb: »creation care« is »an arena of the Spirit’s work and […] a form of sanctification and a path of discipleship« (262).
Die Konstruktivität, mit der dieser Band aus pfingstlerischer Perspektive in die weitere systematische Diskussion eintritt, ist zu würdigen. Auf dieser Basis stellen sich Anschlussfragen: Ist die Betonung der Eigenständigkeit des Geistes durch das Stichwort »trinitarian fellowship« gegen Missverständnisse abgesichert? Und: Wird hier gegenüber der breit diskutierten sozialen Trinitätslehre wirklich Neues gesagt? Ferner: Es leuchtet ein, dass die in Kapitel 6 und 7 genannten Themen aus evangelikaler und pfingstlerischer Perspektive (mindestens) der genannten Kurskorrekturen bedürfen. Im weiteren Rund erntet man damit seit Langem Zu­stimmung. Man könnte mäßigen Neuerungswert feststellen – oder aber, dass wir ökumenisch weiter sind als bislang vermutet.