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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

664 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Günter, Andrea [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Feministische Theologie und postmodernes Denken. Zur theologischen Relevanz der Geschlechterdifferenz.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1996. 168 S. gr.8. ISBN 3-17-014008-6.

Rezensent:

Monika Schwinge

Den Autorinnen der hier versammelten Beiträge geht es um den Aufweis, daß und auf welche Weise postmodernes Denken feministische Theologie befruchtet. Durch die Auseinandersetzung mit der Postmoderne werde die feministische Theologie, die bisher vornehmlich von soziologischen, befreiungstheologischen Reflexionen bestimmt sei, um eine philosophisch-systematisch-theologische Reflexion bereichert. Im Zuge der Postmoderne hat sich den überwiegend katholischen Theologinnen die Möglichkeit eröffnet, von der Geschlechterdifferenz her sowohl das Frausein als auch Gott neu zu entdecken, und zwar ohne ontologische Wesenszuschreibungen.

In drei Teilen wird dieses Denken, das als neues Paradigma in die deutsche feministische Theologie eingeführt wird, entfaltet. Den Schluß des Bandes bilden zwei Text-Lektüren: Eine Interpretation eines biblischen Textes, der Enthauptung des Johannes, sowie eine von Gedichten von Christine Lavant. Sie sollen der Vertiefung der dargestellten Theorie dienen.

Im 1. Teil "Theologische Fragen mittels Postmoderne und Geschlechterdifferenz" gibt zunächst die Hrsg. einen Problemaufriß. Als grundlegend wird darin die Arbeit an der "symbolischen Ordnung" bezeichnet. Von der These ausgehend, daß wir mittels der Sprache die Welt zur Welt bringen, zeigt die Vfn., wie die durch männliche Sprache entworfene Weltordnung aussieht: Mann-Geist-Kultur-Theologie: Frau-Körper-Natur-Religion. Ihre Folgerung: Mit jedem feministischen Nachdenken müsse die Kritik an Sprache und eine Analyse der symbolischen Ordnung einhergehen. Es gelte, die Weltsicht von Frauen herauszuarbeiten und sie ebenso ernst zu nehmen wie die der Männer.

Im folgenden Aufsatz "Mimesis, das Erhabene und der verrückte Diskurs des Weiblichen" kommt V. Schlör durch eine - höchst eigenwillige - Interpretation dessen, was aus der Antike über Mimesis und das Erhabene überliefert ist, zu dem Ergebnis: Mimesis und das Erhabene stehen gegen ein Denken in festen Einheiten, sie bieten sich deshalb als Ausgangspunkte für fundamentale Kritik an dem traditionellen Subjektbegriff an. Einem Subjekt kann weder Selbstidentität noch Kontinuität zugesprochen werden, Subjekthaftigkeit bedeutet statt dessen immer Prozeßhaftigkeit.

Im zweiten Teil, in dem die Geschlechterdifferenz und die Rede von Gott thematisiert wird, untersucht zunächst C. Rehberger die Modelle zur Anthropologie der Geschlechter, wie sie in der katholischen und evangelischen Theologie des 20. Jh.s entwickelt worden sind. Sie zeigt, daß in den unterschiedlichen Modellen durchgängig die Frau als das Andere des Mannes gesehen wird, und zwar so, daß der Frau all das zugeschrieben wird, was der Mann aus seinem Selbstverständnis ausschließt. Im Gegenzug dazu stellt die Vfn. insbesondere durch eine Interpretation von Gen 1, 27 heraus, daß die Differenz der Frau keine abgeleitete, sondern eine ursprüngliche ist.

Was die Differenz der Frau ausmacht, behandelt sodann A. Günter in "Der Ort Gottes". Ihre Hauptthese lautet in Anlehnung an das von Schlör Ausgeführte: Frausein konkretisiert und verändert sich von Situation zu Situation und von Beziehung zu Beziehung. Das bedeutet, daß sich auch die Rede von Gott von Situation zu Situation, von Beziehung zu Beziehung verändert. Es gibt ebenso viele Gottesbilder, wie es Frauen gibt. Was Gott ist, entsteht und wird erkannt in der Beziehung zwischen Frauen. "Gott ist Ausdruck für das in der konkreten Beziehung zwischen zwei Frauen anwesende beziehungsdurchdringende Ganze." (66) Grundlage für diese "Theologie" ist, so im folgenden Aufsatz von A. C. Mulder, der Entwurf der Philosophin L. Irigaray.

Im dritten Teil über das Subjekt als Grundkategorie theologischen Denkens beschäftigt sich S. Hennecke ebenfalls mit Irigaray und deren poststrukturalistischen Subjektauffassung und im Vergleich dazu mit derjenigen von D. Haraway, deren theologische Implikationen sie herausarbeitet. Ihr Ergebnis ist, daß für beide Denkerinnen die christliche Theologie kein verbindlicher Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist, sondern eine Art Hilfsmittel: eine Hilfe beim Entwerfen von Formen weiblicher Subjektivität. Was hier im Blick auf die beiden poststrukturalistischen Denkerinnen gesagt wird, kann als Zusammenfassung aller Beiträge gelten. Mit einer solchen Auffassung aber haben sich die Autorinnen weit von dem entfernt, was für christlichen Glauben und christliche Theologie konstitutiv ist. Vor allem aber: Wenn das, was Frausein und das, was Gott bedeutet, von Situation zu Situation, von Beziehung zu Beziehung entsteht und sich entsprechend verändert, dann erübrigt sich notwendig jede Aussage, die über die jeweilige Beziehung hinausgeht. Abgesehen von den particula veri in einzelnen Beiträgen kann ich im übrigen angesichts dessen, wie hier insgesamt weibliche Subjektivität sowie die Beziehung von Frauen bestimmt und religiös aufgeladen werden, als Frau und als Theologin nur sagen: Ohne mich und hoffentlich auch ohne die Mehrzahl von Frauen in der christlichen Kirche.