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Ausgabe:

Juli/August/2014

Spalte:

888–889

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fee, Gordon D.

Titel/Untertitel:

Revelation. A New Covenant Commentary.

Verlag:

Cambridge: The Lutterworth Press 2013. XXII, 332 S. = New Covenant Commentaries Series. Kart. £ 27,50. ISBN 978-0-71889280-7.

Rezensent:

Martin Karrer

Die »New Covenant«-Kommentare machen es sich zur Aufgabe, exegetische Erkenntnisse und die Glaubens- und Lebenspraxis christlicher Gemeinden miteinander zu verbinden. Der Klappentext nennt das »Fusing the Horizons and Forming the Com-munity«.
Gordon D. Fee, Emeritus am Regent College in Vancouver, konkretisiert diese Aufgabe. Er will Leserinnen und Lesern helfen, die Apk als das Wort Gottes zu hören, das sie sei (IX). Diese Weichenstellung hat gewichtige Folgen: Er legt eine aktuelle englische Fassung der Apk aus, die in den Gemeinden weit verbreitet ist und an der er selbst mitwirkte, die New International Version (NIV) Bible. Zugleich hält er sich in der Auslegung gern an die großen Linien der Auslegungstradition, sachlich beschränkt durch den engen Raum des Kommentars.
Des knappen Raums wegen muss er oft auf Detailargumentationen verzichten und kann Literatur sowie griechische/hebr äische Quellen nicht im Einzelnen nachweisen. Im Literaturverzeichnis nennt er aber englische Literatur in einer trotz der Begrenzung durchaus sinnvollen Auswahl (Sch üssler Fiorenza, Yarbro Collins, DeSilva, Koester u. a.). Aus der deutschen Forschung ber ücksichtigt er nur den kleinen, jedoch durchaus gewichtigen Kommentar von Jürgen Roloff, weil er ins Englische übersetzt wurde.
Seine Entscheidungen für die NIV und für eine relativ traditionelle Auslegung sind mit Respekt wahrzunehmen, markieren aber auch Spezifika, die auf unseren Raum nicht ohne Weiteres übertragbar sind: Die gewählte Übersetzung denkt von vornherein an einen englischsprachigen Leserkreis. In der Textkritik folgt sie weithin der aktuellen kritischen Edition (so auch in 16,5 [218 f.], wo die King James Version einer Konjektur Bezas erlag), aber nicht immer. Nun ist vertretbar und wichtig, Schw ächen des Editionsstands aufzudecken. Der Kommentar bietet allerdings für Einzelbegründungen, wie erwähnt, nicht genügend Raum. So erfahren die Leser nicht, dass die NIV an einer zentralen Stelle, beim Schlussgru ß (22,21), einem Textstand folgt, der heute allgemein als veraltet gilt, nämlich der Zuspitzung des Textes auf die Gemeinde: »The grace of the Lord Jesus be with God’s people. Amen.« (315) Dem für die Kommentarreihe maßgeblichen Interesse an einer Vermittlung in die Gemeinde entspricht die Lesart (vorbereitet durch den Codex Sinaiticus, wenn man »God’s people« als Übersetzung von ἅγιοι versteht). Doch gibt sie die universale Öffnung der Apk preis, die den Schlussakzent des heutigen kritischen Textes ausmacht (die Gnade [ …] sei »mit allen«/μετὰ πάντων; nach Codex Alexandrinus).
Die Auslegungstradition führt zu weiteren gewagten Entscheidungen. Am bedeutsamsten ist F.s Vorschlag, Autor der Apk sei der Apostel Johannes, von dem die Synoptiker erz ählen und der das Evangelium und die drei Briefe autorisiert habe, die ihm zugeschrieben sind (XIX). Die Argumente f ür diese These sind bekanntlich seit der Alten Kirche höchst umstritten. So wäre eine detaillierte Auseinandersetzung unbedingt erforderlich. Allein, der Kommentar muss sich im engen Raum wieder damit begn ügen, nur weniges zu nennen und besonders die seit Dionys von Alexandrien oft zitierten sprachlichen Unterschiede zu relativieren: Sie seien nicht gr ößer als die zwischen Gal und Röm (ebd.). Diese Argumentation genügt nach Ansicht des Rezensenten nicht, um die vielen Argumente der kritischen Forschung (angefangen bei der Anonymit ät des Joh und bis hin zu den gravierenden theologischen Differenzen selbst bei gemeinsamen Begriffen wie λόγος in Joh 1,1/ Apk 19,13 [die auf S. 276 kaum angesprochen werden]) auszuhöhlen.
Übersehen wir nicht, dass F. trotzdem in vielem einer verbreiteten mittleren Linie folgt, so in der These, Johannes schreibe die Apk als fr ühchristlicher Prophet unter Benützung apokalyptischer und brieflicher Elemente am Anfang der Christenverfolgungszeit zu Ende des 1./Anfang des 2. Jh.s (XX). Aus dieser Situation leitet er – wieder mit einem großen Forschungsstrom – ab, ein Hauptinteresse der Apk bilde der Konflikt mit Rom (Kapitel 17–18 u. ö.; XVII und 231–262). Viele Details sind gut und genau beobachtet, so dass der Kommentar durchaus f ür Kurzinformationen herangezogen werden kann. Dann aber findet sich darin verwoben auch wieder die Überzeugung, dass Johannes in der Krise seiner Zeit fähig war »to see with foresight«, da er im Geiste war (32 zu 1,10; 2,8–11), die sich nicht ganz einfach mit anderen Traditionen der kritischen Forschung verbinden l ässt.
So ergibt sich als Fazit: F.s Kommentar vertritt eine durchaus konservative theologische Position und ist interessant zu lesen, wenn jemand einen aktuellen Vertreter seiner im deutschsprachigen Raum selten vorhandenen Textauffassung sucht. Die Orientierung an einer englischen Übersetzung ohne griechische Detail-argumentationen erschwert etwas, Register erleichtern daf ür um­gekehrt die Lesbarkeit.