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Ausgabe:

Juni/2014

Spalte:

716–718

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gelander, Shamai

Titel/Untertitel:

From Two Kingdoms to One Nation – Israel and Judah. Studies in Division and Unification.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2011. IX, 259 S. = Studia Semitica Neerlandica, 56. Geb. EUR 141,00. ISBN 978-90-04-20346-4.

Rezensent:

Stefan Timm

Shamai Gelander, Senior Lecturer emeritus an der Universität Haifa, widmet sich Aspekten des narrativen Aufbaus alttestamentlicher Texte. In vier Kapiteln verhandelt er die Frage, wieweit sich im Nordreich, in Israel, verfasste Erzählungen von denen im Süd-reich, in Juda, unterscheiden, und zwar nicht nur im Thema, sondern auch in ihren narrativen Ausformungen. Die vier Kapitel sind: Chapter One: The Evidence of the Early Prophet Stories (19–58), Chapter Two: The Evidence of the Patriarchal Stories (59–98), Chapter Three: The Evidence of the Doctrines (99–192) und Chapter Four: One Nation (193–232).
In Chapter One analysiert der Vf. vier Prophetenerzählungen: 1Kön 13: die beiden Propheten in Bethel, 1Kön 19: Elia am Horeb, 2Kön 4: Elisa und die Sunamiterin und 2Kön 5: Elisa und Naaman (21–58). Dabei arbeitet er besondere Erzählzüge heraus, so etwa, dass der Gottesmann aus Bethel nicht in schwärzesten Farben gemalt ist (1Kön 13,13 f.), Elia im Vergleich mit Mose deutlich abfällt oder Elisas Gehilfe Gehazi mehr von der Sunamiterin versteht als der Prophet. Es scheint so, dass der Vf. für diese Geschichten eine Herkunft aus dem Nordreich supponiert. Im deutschen Sprachraum werden auch post-deuteronomische Einträge erwogen (vgl. Susanne Otto). Der Unterschied zwischen der Prophetie im Nordreich und der im Südreich – soweit er sich in Erzählungen über Propheten niedergeschlagen hat – wäre deutlicher geworden, sofern die genannten Erzählungen kontrastiert worden wären mit den Jesajaerzählungen Jes 37–38 bzw. 2Kön 19–20.
In Chapter Two: The Evidence of the Patriarchal Stories geht der Vf. unter Verweis auf Z. Weisman davon aus, dass die Jakoberzählungen älter seien als die Abrahamerzählungen, und kontrastiert dann Szenen aus der einen mit Szenen aus der anderen Überlieferung. Dahinter steht ein Modell wie seinerzeit bei H. Gunkel mit »Sagenkränzen«, ohne dass der Name Gunkel fällt. Für die Abrahamerzählungen stellt der Vf. heraus, dass es darin viel weniger direkte Reden gibt als in der Jakoberzählung (65 ff.). Die direkten Reden der Abrahamüberlieferung seien eher einseitige Deklarationen (vgl. die Verheißung Gen 12,1–3.7) als ein Redebeginn, auf den der Dialogpartner reagiere (anders Gen 32,5–13). Im Weiteren differenziert er noch zwischen »komplementären« und »kontrastiven Dialogen« (74 ff.). Das ist eine Unterscheidung, auf die zukünftig geachtet werden sollte.
In Chapter Three: The Evidence of the Doctrines werden zuerst die Belege für die Exodus-Tradition bei den Schriftpropheten erörtert: im (Proto-)Jesaja-, im Amos-, Hosea-, Micha- und Jeremia-Buch (99 ff.). Der Vf. ist sich aufgrund der Diskurslage im heutigen Israel bewusst, dass für viele Belege die Herkunft vom jeweiligen Propheten strittig ist. Für das (Proto-)Jesaja-Buch räumt er ein, dass etwa Jes 11,15 f. und 19,16–25 wohl nicht vom Jerusalemer Propheten stammen (101), für die Belege im Amos-Buch aber ist er geneigt, ihnen eine Herkunft vom Propheten aus Thekoa zuzubilligen (102 f.). Ob man pro oder contra entscheidet – richtig bleibt mit dem Vf., dass für die meisten Propheten aus der vorexilischen Zeit das Thema Exodus nicht die Bedeutung gehabt hat, die es bei Hosea hatte (115).
Erst nach diesen Erörterungen untersucht der Vf. die Belege zum Thema Exodus im Pentateuch, wobei er darauf aufmerksam macht, dass zwischen Jakob und Mose eine narrative Parallelität hergestellt worden ist (120). Für die Bücher Josua bis 2. Könige, die M. Noth als das »deuteronomistische Geschichtswerk« benannt hatte (der t. t. fällt hier nicht), rechnet der Vf. mit älterem Material, das in die Darstellung übernommen worden sei, einem »ephratite Text« (137), dem er nach A. Rofé die verschiedenen Anspielungen auf den Exodus zuordnet. – Das Thema Exodus wird im deutschsprachigen Raum meist in einer Theologie des Alten Testaments verhandelt (vgl. H.-D. Preuß). Auf derartige Darstellungen wird hier nicht verwiesen, auch nicht auf R. Albertz.
Nach dem Thema Exodus wendet sich der Vf. der Zion-David-Tradition zu (140 ff.), die er in »David und die Lade« und »David und die Dynastiezusage« unterteilt. Auch hier geht es um die narrativen Techniken, etwa wie der Aufenthalt der Lade im Haus Obed-Edoms heilvoll beschrieben wird, vielleicht unter Aufnahme einer kultischen Segenszeremonie (2Sam 6,10 ff.), und so ganz an­ders Davids Antwort an Michal gestaltet ist (2Sam 6,21) (153 f.). Sofern in den Szenen bestimmte Wortspiele benutzt werden, Alliterationen vorliegen oder noch andere narrative Mittel, arbeitet der Vf. das alles heraus, vgl. etwa in der Nathanverheißung 2Sam 7 das Spiel mit dem Wort bayit = »Tempel« bzw. »Dynastie« (dazu ausführlicher M. Pietsch).
In Chapter Four: One Nation geht der Vf. nicht nur der Frage nach, in welchen Texten von einer »Versöhnung« der beiden Staaten gesprochen wird, sondern auch, ab wann. Er rechnet damit, dass das seit Hiskia der Fall war, dessen Reform höher einzuschätzen sei als die Josias (194). Ein solches Urteil stammt aus der Sicht des Rezensenten nicht aus Beobachtungen zum narrativen Aufbau der Texte, sondern von anderswo her. Urteilt man über die Reform Hiskias anders (vgl. H. Spieckermann, 170–175; H. Donner, 332), so sind damit auch die entsprechenden Texte, die von einer »Versöhnung« der beiden Teilreiche reden, nicht mehr in seine Zeit zu setzen. Wenn der Vf. die Josephsgeschichte ebenso in die Zeit Hiskias datiert, so ist das innerhalb seiner Rahmenvorstellung plausibel. Aber wie viele Einzelheiten man über di e narrative Gestalt dieser schönen Geschichte auch zusammenträgt, ein Zeitpunkt für die Entstehung der Erzählung lässt sich daraus nicht gewinnen.
Insgesamt vermittelt die Studie einen Einblick in die Diskurs-lage im heutigen Staat Israel (vgl. auch die vielen Literaturangaben in Ivrith). Ihr Vf. geht dabei deutlich über J. P. Fokkelman oder R. Alter hinaus, so etwa in seinen Beobachtungen, wie höchst different direkte Reden gestaltet sein können. So sei ihm dafür Dank gesagt.
Literatur, auf die im Text verwiesen worden ist: M. Noth, Überlieferungsgeschichtliche Studien, Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, SKG.G, Halle (Saale) 1943 = Nachdruck Stuttgart 1957; A. Rofé, The Historiography of the Late Kingdom Period, The Ephratite Composition vs. the Deuteronomistic, Beit Mikra 132, 1993, 14–18 (Ivrith); H.-D. Preuß, Theologie des Alten Testaments, Bde. 1–2, Stuttgart 1991, 1992; R. Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, GAT, Ergänzungsreihe 8/1–2, Göttingen 1992; Susanne Otto, Jehu, Elia und Elisa, Die Erzählung von der Jehu-Revolution und die Komposition der Elija-Elisa-Erzählungen, BWANT 152, Stuttgart 2001; Z. Weisman, From Jacob to Israel, Jerusalem, 1986 (Ivrith); H. Spieckermann, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit, FRLANT 129, Göttingen 1982; M. Pietsch, »Dieser ist der Sproß Davids …«. Studien zur Rezeptionsgeschichte der Nathanverheißung im alttestamentlichen, zwischentestamentlichen und neutestamentlichen Schrifttum, WMANT 100, Neukirchen 2003; H. Donner, Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, ATD Ergänzungsreihe 4/1–2, 2. Aufl. Göttingen 1995; R. Alter, The Art of Biblical Narrative, New York 1981; J. P. Fokkelman, Narrative Art in Genesis, Assen/Amsterdam 1975.