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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

518–520

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meier, Johannes [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Jesuiten aus Zentraleuropa in Portugiesisch- und Spanisch-Amerika. Ein bio-bibliographisches Handbuch mit einem Überblick über das außereuropäische Wirken der Gesellschaft Jesu in der frühen Neuzeit. Bd. 3: Neugranada (1618–1771). Bearb. v. Ch. Nebgen.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2008. XXXVI, 244 S. m. Abb., Ktn. u. Tab. Geb. EUR 43,00. ISBN 978-3-402-11788-0.

Rezensent:

Mariano Delgado

Das vom Mainzer Kirchenhistoriker Johannes Meier herausgegebene bio-bibliographische Handbuch in sechs Bänden will auf der Grundlage gedruckter Quellen und der archivalischen Überlieferung Leben und Werk aller Jesuiten, die aus der Niederrheinischen, Oberrheinischen, Oberdeutschen, Böhmischen und Österreichischen Provinz der Gesellschaft Jesu stammten und in den Missionen in Iberoamerika zum Einsatz kamen, verzeichnen. Die Bände entsprechen den sechs Ordensprovinzen, die in Südamerika errichtet wurden: Brasilien, Chile, Quito, Neugranada, Peru und Paraguay. Die Bände sind nach einem einheitlichen Schema konzipiert: Nach einem Vorwort des Herausgebers stellt ein Band-Bearbeiter den Kontext dar, in dem die Missionare tätig waren. Anschließend folgt das vom Bearbeiter erstellte bio-bibliographische Verzeichnis der jeweiligen Missionare. Die Ordensprovinz Neugranada entstand 1696 durch Abtrennung der Territorien der Audienz (Ge­richtshof) von Santa Fe de Bogotá von der Ordensprovinz Quito, die nunmehr auf die Territorien der gleichnamigen Audienz reduziert wurde. Die Provinz Neugranada umfasste im Wesentlichen die Gebiete der heutigen Länder Kolumbien und Venezuela sowie das, was von den spanischen Antillen geblieben war. Die drei zentraleuropäischen Jesuiten, die vor 1696 in diesen Territorien arbeiteten, wurden auch in den Band aufgenommen.

In diesem vom Christoph Nebgen bearbeiteten Band enthält der Kontext-Teil (1–130) Studien zur Ordensprovinz Neugranada, zur historischen Ethnologie der indigenen Bevölkerung, zur Entwick-lung der Missionsgebiete, zu den Missionaren zentraleuropäischer Provenienz, zur Mission im Verständnis der indigenen Völker, zur Ausweisung und ihrer Folgen sowie zur bearbeiteten Epoche aus heutiger Sicht. Die einzelnen Kapitel sind mit hilfreichen Karten­skizzen und statistischen Tabellen versehen. Im bio-bibliographischen Verzeichnis (131–244) werden Leben und Werk von 32 Pries­tern (bei elf davon handelt es sich um Jesuiten, deren Zuordnung und Lebensweg noch unklar sind oder die unterwegs nach Neugranada gestorben sind; darunter sind auch drei Jesuiten, die auf dem von der französischen Assistenz der Gesellschaft Jesu abhängigen Teil Hispaniola eingesetzt waren: diese Personen werden aufgrund der spärlichen Quellen sehr summarisch behandelt: 227–244) und 13 Brüdern der Gesellschaft Jesu so akribisch dargestellt, wie dies der Quellenstand erlaubt. Dabei wird der Inhalt von einigen be­deutsamen missionarischen, linguistischen und ethnographischen Schriften der behandelten Personen zusammengefasst sowie das Wirken einzelner Jesuiten als Kirchenbauer und Gestaltern von Altaraufsätzen und Kirchenräumen mit Bildern der noch existierenden Kirchen illustriert (so finden sich auf S. 212–214 Bilder der vom rheinischen Bruder Jacob Loessing gestalteten Kirche San Ignacio in Santa Fe de Bogotá, oder auf S. 221 wird die Fassade der Kollegskirche in Cartagena de Indias gezeigt, die durch Bruder Michael Schlesinger nach den Plänen der Kirche des Landsberger Missionsnoviziats gestaltet wurde). Das bio-bibliographische Verzeichnis, das nach allen Regeln der Geschichtswissenschaft und mit großer Sorgfalt erstellt wurde, macht diesen Band zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk über Leben und Werk der darin dargestellten Jesuiten.

Die hinführenden Studien im Kontext-Teil enthalten so gut wie alles, was zum Verständnis des missionarischen Wirkens der behandelten Jesuiten nötig ist. Sorgfältig werden die Entstehung und die Entwicklung der Ordensprovinz Neugranada mit den verschiedenen Kollegien und Missionsdörfern und -aufgaben nachgezeichnet. Im Kapitel über die historische Ethnologie der indigenen Bevölkerung werden die indianischen Stämme vor und nach der Ankunft der Spanier bzw. der Jesuiten beschrieben. Man bekommt mit, wie die Missionsgebiete zwischen 1625–1766 entstehen und gedeihen. Im Zusammenhang mit den Jesuiten zentraleuropäischer Provenienz werden ihr Hintergrund, die Reise nach Übersee, ihr Indiobild, ihr von Paternalismus nicht freies Missionsverständnis, deren besondere Leistungen (etwa als Apotheker, Gutsverwalter, Seelsorger unter den afrikanischen Sklaven, Architekten und Bildhauer), aber auch die indigenen Reaktionen auf ihre Missionstätigkeit dargestellt. Ebenso wird bei den Folgen der Ausweisung das Schicksal der Zentraleuropäer besonders bedacht.

Alles in allem versteht man nach solchen Untersuchungen, warum pietistische Erwecker des Missionsgedankens im Protestantismus wie Philipp Jakob Spener 1677 festhielten: »was den Papisten [= den Jesuiten] möglich ist, muss uns auch möglich sein […] Es wäre ja eine Sache von so großen Unkosten und Schwierigkeiten nicht, feine, gottselige und fähige junge Leute, die zu dem Studieren tüchtig sind, sonderlich zu den fremden Sprachen und nötigen Studien anzuführen und sie eine gewisse Zeit in der Fremde zu unterhalten, dass sie alle Gelegenheit suchten, mit den Un­gläubigen umzugehen und mit Unterricht, sonderlich aber mit heiligem Wandel, einige zu gewinnen«.

Gleichwohl vermisst man in diesem Band wie in den anderen des bio-bibliographischen Handbuchs einiges: so z. B. die Erklärung des Begriffs »Conquista espiritual« (95) und, worin sich die jesuitische Variante dieser geistig-geistlichen Eroberung von der der Franziskaner oder Dominikaner unterschied, wenn überhaupt, d. h. worin das Besondere der Missionsmethode der »Reduktionen« oder »Christendörfer« der Jesuiten bestand. Das würde den Jesuiten in der Amerika-Mission etwas von deren vermeintlichen Singularität wegnehmen. Ebenso wichtig wäre ein Kapitel über die Zu­sammenarbeit zwischen den zentraleuropäischen und den spa­-nischen Jesuiten gewesen bzw. die Behandlung der Frage, ob es in Missionsverständnis, Indiobild und Missionsleistungen nennenswerte, kulturell bedingte Unterschiede gegeben hat. Dies schmälert allerdings nicht den Nachschlagewert des Bandes, der für die darin behandelten Jesuiten zentraleuropäischer Provenienz ein »Standardwerk« darstellt.