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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

451–453

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Yamayoshi, Tomohisa

Titel/Untertitel:

Von der Auslösung zur Erlösung. Studien zur Wurzel PDY im Alten Orient und im Alten Testament.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2013. XIII, 399 S. = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, 134. Geb. EUR 62,00. ISBN 978-3-7887-2581-5.

Rezensent:

Rainer Kessler

Die Tübinger, von Bernd Janowski betreute Dissertation widmet sich einer einzigen semitischen Wurzel, der Wurzel PDY, die im Hebräischen in der Form pdh vorkommt. In den hebräischen Wörterbüchern wird dafür die Übersetzung mit »auslösen, loskaufen« (HALAT, Ges18) angeboten. Mit dem Titel »Von der Auslösung zur Erlösung« legt Tomohisa Yamayoshi nahe, dass es von der Grundbedeutung »auslösen« ausgehend eine semantische Entwicklung hin zur religiös konnotierten Bedeutung »erlösen« gibt. Tatsächlich setzt er in der Einleitung mit der seit dem 19. Jh. geläufigen Bezeichnung des Christentums als einer Erlösungsreligion ein. Angesichts der »tiefgreifenden Differenzen zwischen ›Erlösung‹ und ›Auslösung‹« sieht er es als »eine notwendige Aufgabe, den Erlösungsgedanken im Christentum zu überprüfen« (2). Zu diesem Zweck also nimmt Y. sich die Untersuchung der Wurzel PDY vor.

Als Ergebnis seines Forschungsüberblicks hält Y. fest: »Die Wurzel pdh meint ursprünglich irgendeine ›Lösung‹«, wobei strittig ist, ob dies eng handelsrechtlich oder im weiteren Sinn als Lösung von Bindungen, die der Mensch selber nicht zerreißen kann, gemeint ist (8). Um einer Klärung dieser Fragen nahezukommen, legt Y. die Arbeit in zwei Teilen an. Der erste untersucht die Wurzel PDY in den semitischen Sprachen, der zweite die Wurzel pdh im Alten Testament.

Der erste Teil ist so angelegt, dass die drei ersten Abschnitte den Sprachen bzw. Sprachgruppen Akkadisch, Nordwestsemitisch und Südsemitisch gewidmet sind. Ein vierter Abschnitt befasst sich mit den semitischen Personennamen, ein fünfter mit hebräisch pdh im Rahmen der semitischen Sprachen. Der Abschnitt zum Akkadischen behandelt zunächst rechtlich-wirtschaftliche und dann kultisch-rituelle Aspekte der Auslösung. Ein dritter Punkt untersucht die geprägte Form lā pādû, die mit »schonungslos« zu übersetzen ist und als Epitheton von Göttern, Königen und Waffen erscheint. Als Ergebnis hält Y. fest, dass die Wurzel »[i]hrem Wesen nach […] dem Bereich der rechtlichen und wirtschaftlichen Sprache entnommen« ist (99). Auch bei ihrer Verwendung im kultisch-rituellen Bereich bleibe »die juridische Grundbedeutung des Verbes immer noch präsent« (100). Eine Skizze, die die »Bedeutungsentwickelung vom akkadischen padû ›auslösen‹« (101–102) darstellt und mit sich verzweigenden Pfeilen arbeitet, legt die grundsätzliche linguistische Frage nahe, was bei einer Wortbedeutung »Entwick-lung« heißt. Ganz offenkundig meint Y. damit nicht, dass frühere Bedeutungen bei weiterer Entwicklung verloren gehen, sondern dass ein Wort bei der Verwendung in einer Vielzahl von Kontexten unterschiedliche Bedeutungsaspekte hinzugewinnt.

Die Untersuchungen zum Ugaritischen, Aramäischen und Altsüdarabischen fügen solche Bedeutungsaspekte an. Dazu gehört in bestimmten Fällen die Pflicht zu einer Lösegeldzahlung sowie die wichtige Beobachtung, dass die Wurzel PDY nie für den Fall einer Selbstauslösung gebraucht wird, sondern immer ein von außen auf den zu Lösenden zukommendes Geschehen bezeichnet.

Bei den Personennamen stellt Y. fest, dass es zumeist um theophore Namen geht, die einer Gottheit für eine »Auslösung« – in der Regel bei der Geburt eines Kindes – danken, wobei »das Stellen eines Gegenwertes« nicht mehr vorkommt (144).

Die 70 Belege im Alten Testament, denen sich der zweite Teil der Arbeit zuwendet, werden unter drei Aspekten betrachtet: pdh als Terminus der Rechtssprache, der Kultsprache und der theologischen Sprache. Bei den ersten beiden Aspekten ist der Mensch das Subjekt des Auslösens, beim dritten Gott.

Im rechtlichen Kontext kommt pdh in der Hebräischen Bibel überhaupt nur viermal vor: beim Ersatz für den durch ein Tier entstandenen Schaden (Ex 21,30), beim Loskauf einer Sklavin (Ex 21,8), in Lev 19,20a und bei der Auslösung eines durch Fluch zum Tod verurteilten Lebens (1Sam 14,45). Auffällig ist, dass es immer um die Auslösung eines Lebens, nie um Sachen geht (Y.s Vorstellung, dass die Sklavin nach Ex 21,8 allererst »[d]urch die Auslösung […] nicht mehr als eine leblose Sache, sondern als ein selbständiges, verantwortliches Lebewesen behandelt« werde [176], halte ich allerdings für völlig abwegig).

Bei der kultischen Terminologie behandelt Y. die Auslösung der menschlichen und tierischen Erstgeburt durch ein Ersatztier (Ex 34,20; 13,13.15) oder durch Silber (Num 18,15–17; 3,46.48 f.51) sowie das Verbot der Auslösung von gebannten Menschen (Lev 27,29). Auch hier kann er festhalten, »dass es sich bei der Verwendung von pdh ausschließlich um das dem Tod verfallene Leben handelt« (208, i. O. mit Hervorhebungen).

Eingefügt in diesen Abschnitt ist ein kurzer Exkurs zur Wurzel g’l (202–205), die unter den semitischen Sprachen nur im Hebräischen belegt ist und ein ähnliches Bedeutungsspektrum wie pdh abdeckt. Hier ist aber auch der Loskauf von Sachen, nämlich Häusern und Grundstücken, belegt. Außerdem hat die Vokabel einen erkennbaren familienrechtlichen Hintergrund, besonders bei der Blutrache (der »Auslösung des Blutes«) und den verwandtschaftlichen Loskaufregelungen. Im theologischen Gebrauch wird g’l dann »häufig parallel bzw. fast synonym zu pdh« verwendet (205).

Der theologische Gebrauch umfasst mit 39 Stellen mehr als die Hälfte aller alttestamentlichen Belege. Er wird sowohl für die Erlösung eines Einzelnen, besonders aus Todesnot oder vor den Feinden, gebraucht, dann aber auch in einem Akt der Kollektivierung für die Erlösung des Volkes Israel. Hier ist vorrangig an den Exodus aus Ägypten zu denken. Wenn Y. allerdings zu Beginn der Analyse schreibt: »Die Herausführung aus Ägypten ist also nicht mehr vorrangig als Befreiung Israels aus der Sklaverei, sondern als Errettung vom Tod gesehen« (272, i. O. Hervorhebungen), dann dementiert die anschließende Besprechung der Belege dies sogleich, denn an fast allen Stellen ist dezidiert von der Erlösung »aus dem Sklavenhaus« die Rede (Dtn 7,8; 13,6; Mi 6,4; vgl. auch Dtn 15,15). Dagegen trifft es zu, dass bei Hosea, besonders in 13,14, die Erlösung eine Rettung aus dem Tod ist. Mit der Verschiebung hin zur Todesmetaphorik tritt dann auch die Vorstellung einer Gegenleistung für das Auslösen, die beim rechtlichen und kultischen Gebrauch des Verbs mitschwingt, völlig zurück. Das Verb wird »nicht mehr im Sinn ›auslösen, loskaufen‹, sondern vielmehr als einseitige, von Gott ermöglichte Zuwendung, nämlich als ›erlösen, retten‹ aufgefasst« (326).

Y. selbst zieht den Schluss nicht, aber mit seiner Studie lässt er sich begründen: Insofern die neutestamentliche Vorstellung von Erlösung auch auf das hebräische pdh zurückgeht – allerdings eben nicht nur, sondern zumindest auch auf die Wurzel g’l –, zeigt schon die Entwicklung innerhalb des Alten Testaments, dass zur Erlösung durch Gott keine Gegenleistung gehört. Die Vorstellung, dass der Tod Christi als Lösegeld notwendig sei, damit Gott die Menschheit erlösen könne, findet vom alttestamentlichen Gebrauch der Wurzel pdh her keine Unterstützung. Doch auch ohne solche steilen theologischen Ausblicke hat Y.s Studie ihr hohes Verdienst, indem sie sämtliche Belege im semitischen Sprachraum und der Hebräischen Bibel versammelt und bespricht. Wer also bei der exegetischen Arbeit künftig auf die Wurzel pdh stößt, wird dankbar zu Y.s Buch greifen.