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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

442–444

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meyers, Eric M., and Carol Meyers [Eds.]

Titel/Untertitel:

Archaeology, Bible, Politics, and the Media. Proceedings of the Duke University Conference, April 23–24, 2009.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2012. X, 275 S. = Duke Judaic Studies, 4. Lw. US$ 49,50. ISBN 978-1-57506-237-2.

Rezensent:

Ulrich Hübner

Seit Jahrzehnten werden alle paar Jahre aufs Neue in der medialen Öffentlichkeit bibelwissenschaftliche Scheinprobleme wie der an­gebliche Fund der Arche Noah, die wahren Gründe für den Untergang von Sodom und Gomorra, die Entdeckung des Heiligen Grals, ein weiteres Grab Jesu und Ähnliches diskutiert. Diese De­batten haben fast immer einen unseriösen, scheinwissenschaftlichen und fundamentalistischen Charakter. In Europa werden sie meist etwas unaufgeregter und weniger dramatisch, in den USA und Israel da­gegen besonders massiv und sensationell geführt. Letzteres nahmen die beiden Herausgeber Eric M. Meyers und Carol Meyers zum Anlass, im April 2009 eine Fachkonferenz über »Archaeology, Bible, Politics, and the Media« an der Duke Uni­versity in Durham/North Carolina durchzuführen. Der vorliegende Band gibt einen Einblick in die dort geführten Diskussionen und veröffentlicht die meisten der damals gehaltenen Vorträge. Die meisten der Beiträge beschäftigen sich mit Problemen der Biblischen Archäologie in Israel bzw. Palästina, einer auch mit der denkmälerpolitischen Situation im Irak ( P. Gerstenblith, The Media and Archaeological Preservation in Iraq: A Tale of Politics, Media, and the Law, 15–35) und zwei auf Zypern (Th. W. Davis, Archaeology, Identity, and the Media in Cyprus, 189–196; D. C. Haggis, Response to Thomas W. Davis, 197–201).

Da an der Konferenz fast nur Nordamerikaner bzw. in den USA arbeitende Wissenschaftler und Journalisten (E. Bronner, How It Looks from the Other Side, 261–270; R. Bruce, Responses from a Television Producer, 223–228) teilnahmen, ist der Sammelband stark von einer amerikanisch(-israelischen) Binnensicht geprägt und nimmt kaum europäische Perspektiven und entsprechende Publikationen auf. Das Hauptinteresse gilt der unmittelbaren Vergangenheit und der Gegenwart. Entsprechend wird die historische Dimension von Raubgrabungen, lukrativem Antikenhandel, Fälschungen und Öffentlichkeit kaum berücksichtigt und damit die Tatsache vernachlässigt, dass es schon lange vor dem Ersten Weltkrieg entsprechende, unter erheblichem medialen Aufsehen in der Öffentlichkeit ausgetragene Debatten gegeben hatte.

Die Beispiele, anhand derer das Beziehungsgeflecht zwischen Archäologie und Öffentlichkeit exemplifiziert wird, sind vor allem die völkerrechtswidrigen israelischen Grabungen in Silwān und in der »City of David«/Ostjerusalem (E. M. Meyers, The Quest for the Temple Mount: The Settler Movement and National Parks in Israel, 202–215; B. de Vries, Community and Antiquities at Umm el-Jimal and Silwan: A Comparision, 161–186), das Khirbet Qeiyafa-Ostrakon (Ch. A. Rollston, An Ancient Medium in the Modern Media: Sagas of Semitic Inscriptions, 123–136), die Ossuare und ihre Inschriften aus Talpiot (M. Goodacre, The Talpiyot Tomb and the Bloggers, 56–68; N. Burleigh, Scholars at the Limits of Science and the Borders of Belief: Finding Proof for Faith. A Journalist’s Perspective on the Oded Golan Case, 233–244; J. Magness, Confessions of an Archaeologist: Lessons I Learned from the Talpiyot Tomb Fiasco and Other Media Encounters, 89–95; B. R. McCane, Scholars Behaving Badly: Sensationalism and Archaeology in the Media, 101–108; M. Moreland, The Future of the Historical Documentary: Scholary Responses to »History Channel Meets CSI«, 109–122), aber auch das sogenannte »Grab Davids« (A. Wharton, History and Fiction: Comments on Morag M. Kersel’s »The Power of the Press«, 84–88), die »Joasch«-Inschrift, Masada, oder auch der biblische Themenpark in Orlando/Florida, der 2001 von einem zum baptistischen Christentum konvertierten Juden gegründet worden war (M. I. Pinsky, Not Another Roadside Attraction: The Holy Land Experience in Ame­-rica, 245–258). T. W. Cartledge, Walk about Jerusalem: Protestant Pilgrims and the Holy Land (139–160), vergleicht das Verhalten protestantischer Pilger in Jerusalem mit dem katholischer und orthodoxer Pilger und damit die Wechselwirkungen zwischen den Be­dürfnissen und Wünschen von Pilgern auf der einen und den touristischen Folgen auf der anderen Seite.

Insgesamt bietet der Band ein vielschichtiges Bild des medialen Zirkus und seiner Agenten und ruft zur Verantwortung aller Seiten auf: Die Mehrdeutigkeit archäologischer Funde und Befunde und die daraus resultierende Uneinigkeit der Wissenschaftler schafft automatisch Uneinigkeit in der Öffentlichkeit. Filme und Zeitungen unterschiedlichster Art und Qualität sind keine wissenschaftlichen Organe, müssen deswegen aber nicht per se unwissenschaftlich sein. Archäologie gilt in der Öffentlichkeit immer – auch – als Unterhaltung, archäologisches Infotainment ist deshalb nur schwer vermeidbar. Gefragt ist die Fähigkeit der Archäologen, auch komplizierte Sachverhalte durch legitime Vereinfachung für die Öf­fentlichkeit nachvollziehbar und transparent zu machen. Es ge­hört nicht zu den Aufgaben eines Archäologen, sich aus Eitelkeit und Sensationsgier zum Komplizen von Journalisten zu machen, genauso wenig wie es zu den Aufgaben eines Journalisten gehört, sich zum Komplizen ebendieser Archäologen zu machen ( J. Zias, Dealing with the Media: Response to Eric H. Cline, 51–55). Zu den Aufgaben eines Archäologen und archäologischer Institutionen und Gesellschaften sollte es gehören, unaufgefordert allgemeinverständliche Klar- und Richtigstellungen auf den eigenen Websites ins Netz zu stellen, um so die archäologische Deutungshoheit nicht Dilettanten, Scharlatanen, jüdischen, christlichen und muslimischen Fundamentalisten und jüdisch-israelischen Na­tionalisten zu überlassen.