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Ausgabe:

Mai/2014

Spalte:

642-644

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Gregur, Josip, Hofmann, Peter, u. Stefan Schreiber [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Kirchlichkeit und Eucharistie. Intradisziplinäre Beiträge der Theologie im Anschluss an 1 Kor 11,17–34.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2013. 267 S. Kart. EUR 29,95. ISBN 978-3-7917-2490-4.

Rezensent:

Wolfgang Beinert

Das Buch dokumentiert ein interessantes Experiment. Die drei an die Augsburger Theologische Fakultät neu berufenen Herausgeber einigen sich auf ein gemeinsames Rahmenthema für ihre Antrittsvorlesungen und die Vertreter der anderen Fächer lassen sich da­durch zu fachspezifischen Beiträgen inspirieren, die in gewisser (bisweilen sehr entfernter Weise) Variationen zu diesem Thema bilden. Dieses ist von bleibender, auch unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sehr spezifischer Aktualität: das Verhältnis von Eucharistie und Kirche, kanalisiert durch die berühmte Eucharis­tieperikope von 1Kor 11. Entstanden ist auf diese Weise ein Sammelwerk, an dem insgesamt 13 Autorinnen und Autoren (davon acht Professoren; die anderen sind deren wissenschaftliche Mitar beiter) kundig zusammengearbeitet haben. Ihre Beiträge sind in vier Abteilungen zu je drei Beiträgen (einer davon mit Doppel­autorschaft) gegliedert: A. Zugänge – B. Bedeutungen – C. Verständigung – D. Verkündigung.
Im Zentrum der interesseleitenden Perikope 1Kor 11,17–34 (die im ganzen Buch nicht ein einziges Mal zusammenhängend wiedergegeben wird) stehen zwei Themen: die Spaltungen in der korinthischen Gemeinde, die Paulus als direkten Widerspruch zur gemeinsamen Eucharistiefeier geißelt, und die Tradition des Herrenmahles selber, die er (als einen der insgesamt vier neutestamentlichen Berichte über das Letzte Abendmahl) referiert. Dementsprechend sind die Beiträge einmal auf den ersten, dann auf den zweiten Gedankengang fokussiert. Die Herausgeber be­streiten Abteilung 1: Stefan Schreiber stellt aus exegetischer Perspektive deutlich den Appell zur Einheit als Fundament der Herrenmahlfeier heraus. Anders als etwa die selbstverständlich ständisch abgehaltenen römischen Vereinsmähler ist die prinzipielle Gleichheit der Mahlgäste das Charakteristikum des christlichen Miteinander-Essens. Im Anschluss daran stellt der Liturgiewissenschaftler Josip Gregur »Die Gestalt der Kirche im korinthischen Herrenmahl« vor. Die feiernde Gemeinde antizipiert das eschatologische Mahl. Da­mit ist bereits eine Entscheidung in der heute heiß diskutierten Frage nach der Messe als Opfer oder Mahl zugunsten des zweiten Begriffs gefallen. Sie wird im Essay von Th. Marschler später nochmals aufgegriffen. Die dritte Antrittsvorlesung von Peter Hofmann behandelt unter fundamentaltheologischem Aspekt unter Heranziehung der Loci-theologici-Lehre die sozialethischen Implikationen der Einheitsvorstellung des Apostels.
Eine hilfreiche Ergänzung zur neutestamentlichen Sicht bietet in der zweiten Abteilung der Überblick von Dominik Helms über die Voraussetzungen von Mahlgemeinschaft und Mahlverweigerung im Raum des Ersten Testamentes. Immer geht es um die Konstituierung der Identität einer Gruppe. – Nochmals die paulinischen Überlegungen greift der zweite neutestamentliche Beitrag von Thomas Schumacher auf (»Die Hermeneutik der Hingabe. Zur kriteriologischen Funktion des Herrenmahles«): Worin immer das Fehlverhalten der griechischen Gemeinde bestand, es mangelt ihr an der unerlässlichen »Hingabe« aller Glieder an die anderen – unerlässlich deswegen, weil sie die Grundhaltung des Herrn bei seinem Letzten Mahl war, die bei dessen rechten Gedächtnis darum nicht fehlen darf. – Der Augsburger Dogmatiker Thomas Marschler bearbeitet die Opferfrage erneut: Die Messe ist Opfer nicht als unblutige Wiederholung der satisfaktorisch (miss)verstandenen Kreuzestat, sondern Christus nimmt in der Liturgie das Opfer der Gemeinde an und bringt es vor den Vater, der in der Kommunion den Feiernden das Opfer des Sohnes als den Leib Christi schenkt. Das Herrenmahl ist so der Anteil der Gemeinde am Opfer Christi und so – ganz im Duktus der Alten Kirche – zuerst Lob- und Dankopfer wie Jesu so seiner Kirche. Dieser Ansatz verdiente die ökumenische Diskussion.
Die drei Aufsätze unter dem Abteilungstitel »Verständigung« kreisen um Sachgebiete, die sich nur randständig in den Rahmen des Werkes einfügen. Der Altkirchengeschichtler Gregor Wurst referiert kenntnisreich über den Umgang mit der Eucharistie in der frühen Zeit der Kirche, der keineswegs so ängstlich wie später war – man denkt an die verbreitete Phobie vor der Handkommunion. Damals durften die Gläubigen selbst das Blut Christi mit den Fingern berühren, um ihre Sinne zu segnen. – Der Titel des folgenden Aufsatzes mutet im Kontext des Buches merkwürdig an: »Eine Palastkapelle als Zentrum der Kirche? Die römische Laurentiuskapelle (Sancta sanctorum) als Zentrum der ecclesia romana atque universalis«. Andreas Matena, wissenschaftlicher Mitarbeiter am LSt für Fundamentaltheologie, befasst sich darin mit einer besonderen Seite der Refle-xion über das Herrenmahl. Anhand der eucharistischen Theologie Papst Innozenz III. schildert er dessen primatstheologischen An­sprüche. – Franziska Auernhammer und Thomas Schärtl, Hilfskraft und Ordinarius am philosophischen Lehrstuhl, beleuchten in einer sehr subtilen Analyse die Beziehungen zwischen »Eucharistie und Ontologie« anhand des klassischen Interpretationsbegriffs Transsubstantiation. Sie versuchen mit Hilfe der Symbolkonzeption von Nelson Goodman und der Constitution View Lynne Bakers eine zeitgerechte Erklärung des Wandlungsgeschehens. Intentionen erscheinen als ontologische Konstitutionsgründe.
Die letzten drei Referate zielen die praktischen Konsequenzen aus den biblischen Vorgaben an. Georg Langenhorst unternimmt es, die von Paulus apostrophierte »Notwendigkeit« von Parteiungen in der Kirche zu transponieren auf die Differenzen unter den sogenannten abrahamitischen Religionen – ein überraschender, wenn auch nicht ganz überzeugender Entwurf. – Der Juniorprofessor für Pastoraltheologie August Laumer greift aus eucharistietheologischer Sicht das heiße Eisen des heutigen Gemeindesterbens auf: Die Zusammenlegung von traditionellen Kirchengemeinden zu einer Großraumseelsorgeeinheit ist so kontraproduktiv wie nur denkbar. Kirche ist, lautet die überzeugende Begründung, nur im eucharistisch sinnvollen Nahraum wirklich erlebbar. – Zur Eucharistiefeier ge­hört nach der Lehre des zweiten Vatikanischen Konzils die Wortverkündigung integral dazu. Die eben apostrophierten pastoralen Schwundprobleme haben die Idee der Laienpredigt deswegen gerade in Deutschland nach dem Konzil akut werden lassen. Sabine Heidl, Akademische Rätin für Kirchenrecht, schildert die ziemlich traurige Geschichte von beschränkter Zulassung und totaler Un­tersagung der Wortverkündigung durch Nichtgeweihte seitens der römischen Kirchenleitung in den letzten 50 Jahren.
Selbstverständlich sind in diesem Werk wie in jedem derartigen Sammelwerk die Spannweite, die Qualität, die Ansatzpunkte, die Detail-Thematik sehr unterschiedlich – ungeachtet des Rahmenthemas, an das sich alle Autorinnen und Autoren zu halten versucht haben. Beides, Einheit wie Differenziertheit, dieser eucharistisch-ekklesiologischen Zusammenschau machen aber auch den Reiz der Lektüre aus. Sie ist nicht allein den Fachtheologen, sondern auch den Praktikern zu empfehlen.