Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

628 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jones, Larry Paul

Titel/Untertitel:

The Symbol of Water in the Gospel of John.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1997. 267 S. gr.8 = Journal for the Study of the New Testament, Suppl.Series 145. Lw. £ 40.-. ISBN 1-85075-668-6.

Rezensent:

Jens-W. Taeger

Die Studie ist methodisch dem "literary criticism" verpflichtet, also wesentlich, wenn auch nicht ausschließlich, der synchronen Betrachtungsweise. Der Vf. will an die von ihm als bahnbrechend erachtete (30.34) Arbeit R. A. Culpeppers (Anatomy of the Fourth Gospel: A Study in Literary Design, 1983) anknüpfen und die darauf aufbauende Untersuchung C. R. Koesters (Symbolism in the Fourth Gospel: Meaning, Mystery, Community, 1995) weiterführen, aber nun neu sich vor allem auf die Bedeutung und Funktion des Wassers "as a literary device within the narrative" (34) konzentrieren. Das fügt sich zur zugrunde gelegten Definition eines Symbols "as a literary device that points beyond itself to something that defies clear and definitive perceptual expression and that in some way embodies that which it represents" (219, vgl. 19). Zu bedenken sei weiterhin, daß ein Symbol beim Wiederauftreten in der Erzählung eine Bedeutungserweiterung erfahre, eine Wirkung auf den Leser ausübe und ihn zur Entscheidung nötige.

Entsprechend dem im Einleitungskapitel (11-35) mit Seitenblicken auf neuere Forschungsbeiträge entwickelten Programm bespricht der Vf. der Reihe nach alle Vorkommen des Wasser-Motivs im JohEv, gegliedert in vier Kapitel, die an Erzählblöcken orientiert sind (Joh 1-3; 4-6; 7-9; 13-19); die in diesen Blöcken zusammengefaßten insgesamt zwölf Erzählungen werden jeweils in drei Schritten untersucht (narrativer Kontext, literarische Struktur und Entwicklung, Bedeutung und Funktion des Wassers). Da jeder Wasser-Beleg herangezogen wird (zudem bleiben bloß indirekte - wie 6,16-21.35; 9,1-41 - nicht ausgespart) und diese miteinander in Beziehung gesetzt werden, kann der Vf. auch prima vista wenig aussagekräftige Stellen extensiv interpretieren.

So deutet er z. B. das Nebeneinander von 3,22 und 23 (beim taufenden Jesus wird Wasser nicht erwähnt, wohl aber bei Johannes): "Jesus can provide for himself what John must seek from the natural environment" (84), was dann in der Erzählung 4,1 ff. direkt geschildert werde (4,13 f.). Aus der eindrucksvolleren Erfolgsnotiz in V. 26 f. (verglichen mit V. 23b) schließt er: bei Jesus empfange das Volk, was Johannes anbietet (die Taufe), und mehr. Nun wird die Überlegenheit Jesu anschließend vom Täufer Johannes, angeregt durch seine Jünger (V. 25 f.), selbst bezeugt (V. 27 ff.) und das Jesus gegenüber angemessene Verhalten in der angehängten grundsätzlichen, Joh 3 zusammenfassenden Ausführung (V. 31 ff.) thematisiert. Ist es dann aber sinnvoll, im Blick auf die Erwähnung des Wassers nicht nur festzuhalten, wie in 2,1 ff. (Umwandlung des für die Reinigung vorgesehenen Wassers in Wein) werde das Alte durch das Neue ersetzt, sondern zur Einheit 3,22-30 eben auch zu formulieren: "water clearly symbolizes a call for a decision" (223)? Daß es als Symbol keine Neutralität zuläßt und nach einer Entscheidung ruft, soll auch die zurückverweisende, Kana eine neue Identität zuschreibende Notiz in 4,46 auf dem Hintergrund von 3,1 ff. und 4,1 ff. zeigen.

Zu einigen herausragenden Belegen: Hinsichtlich des "lebendigen Wassers" in 4,1 ff. wird eine relativ offene Deutung vertreten (allein die auf die Tora abgewiesen); aus der Perspektive des ganzen Evangeliums gesehen scheine der Erzähler hier den Leser darauf vorzubereiten, die bislang gegebenen verschiedenen Bilder und Bedeutungen des Wassers "under the general heading of the pre-eminent gift of the Spirit" zu verbinden (113). Als Symbol weise das Wasser nicht nur auf die von Jesus angebotene Gabe, sondern mache diese manifest. Beim bekannten Interpunktionsproblem in 7,37 f. votiert der Vf., mich nicht überzeugend, für die Möglichkeit, der auch Nestle-Aland den Vorzug gibt, so daß hier vom Glaubenden als Quelle des lebendigen Wassers die Rede sei (153-155; als Grundlage des "Schriftzitats" komme Jes 58,11 [154 versehentlich: 58,2]; Sach 14,8 in Betracht). Dies Verständnis könnte sich vielleicht auf 4,14b berufen, läßt sich aber m. E. nur recht gequält mit 4,39; 13,14.20; 14,16 f.; 19,35; 20,31 begründen, wo der Aspekt der Weitergabe des Empfangenen hervortrete. Es überrascht schließlich nicht, wenn 19,34 als Erfüllung der Zusage des Lebenswassers, vom Erzähler in 7,39 mit dem Geist identifiziert, verstanden wird.

Die vielfältigen, vom Vf. gelegentlich allzu scharfsinnig aufgespürten Verbindungslinien und die von ihm erkannte sukzessive Entfaltung des Wasser-Motivs können hier im einzelnen nicht nachgezeichnet werden (vgl. dazu in der Zusammenfassung: 219-231).

Insgesamt ergibt sich: In den verschiedenen Bezügen, in denen das Wasser im JohEv erscheint, rufe es zu einer Entscheidung; vor allem symbolisiere es den Geist, ja Jesus ("the primary symbol" im JohEv) selbst: "water is a frequently recurring and constantly expanding symbol that points to him and renders him present" (230). Als archetypisches Symbol ohne offenkundigen Gegensatz (im Unterschied z. B. zu Licht/Finsternis) bilde es eine Brücke, die die neue Identität der Glaubenden mit den Traditionen verbinde, aus denen sie kommen, und ermutige jeden Leser, den Glaubensschritt zu tun (oder ihn zu bekräftigen). Auffallend zurückhaltend ist der Vf. in der Frage sakramentaler Bezüge (231-238); sie seien allenfalls sekundär gegenüber dem Glaubensmotiv.

Diese in ihrem Textzugriff interessante, einen gegenwärtigen Forschungstrend verstärkende, das JohEv als literarische Erzählung von Rang analysierende Studie vermittelt keine grundstürzend neuen Einsichten. Der Autor wollte eine Lesart des Textes und ein Verständnis des untersuchten Symbols vorstellen, nicht das letzte Wort zur Sache sprechen. Ihm ist zuzustimmen: "Such is the honest limitation and the joyful freedom of a literary study" (35).