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Ausgabe:

Mai/2014

Spalte:

569-571

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gudme, Anne Katrine de Hemmer

Titel/Untertitel:

Before the God in this Place for Good Remembrance. A Comparative Analysis of the Aramaic Votive Inscriptions from Mount Gerizim.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2013. XII, 181 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 441. Geb. EUR 89,95. ISBN 978-3-11-030118-2.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

Diese überarbeitete Fassung der von Anne Katrine de Hemmer Gudme im Frühjahr 2011 an der theologischen Fakultät der Universität Kopenhagen 2011 eingereichten Dissertation, bringt Licht in einen zentralen, aber bisher in der Forschung vernachlässigten Be­reich antiker Jahwereligion: Votivgaben (Introduction, 1–4). Die Vfn. stützt sich dabei auf die Analyse der in den 1980er und 1990er Jahren ausgegrabenen und 2004 durch Y. Magen, H. Misgav und L. Tsfania publizierten 380 aramäischen und neun hebräischen Votivinschriften aus den hellenistischen Schichten des samaritanischen Jahwe-Heiligtums auf dem Berg Garizim (Mount Gerizim Excavations I, Jerusalem 2004; vgl. auch J. Du sˇek, Aramaic and Hebrew Inscriptions from Mount Gerizim and Samaria, Leiden 2012; vgl. ThlZ 138, 2013, 660 f.).
In Kapitel 1 (Votive Practice. A Methodological Framework, 5–36) bereitet die Vfn. den methodologischen Grund ihrer Studie. Sie definiert »Votiv« als »representation of gift-giving«, geschaffen mit dem Ziel, eine Beziehung zwischen einer Gottheit und ihren Verehrern innerhalb eines rituellen Aktes zu vergegenständlichen und zu perpetuieren, um erwünschte Gegengaben herbeizuführen (18. 21). Votivobjekte sind ein »tangible and perpetual reminder of the gift-relationship« (36) und dokumentieren zugleich die Frömmigkeit des Stifters wie auch die besondere Kraft der Gottheit.
Kapitel 2 weist mittels knapper Kommentare über Opfer im Sinne von »non-durable votive objects«, Gelübde und Votivgegenstände bis hin zur Weihung eines Tempels nach, wie weit verbreitet die Votivpraxis in der antiken Jahwe-Religion war, wenn auch die Hebräische Bibel und ihre Derivate (LXX etc.) als Quellen für tatsächliche religiöse Praxis nur mit Vorsicht herangezogen werden können (Votive Practice in Biblical Literature, 37–51).
In Kapitel 3 fasst die Vfn. kurz die Ergebnisse der Grabungen in der hellenistischen Stadt und ihrem bereits seit der Perserzeit bestehenden Heiligtum auf dem Berg Garizim zusammen (The Votive Inscriptions from Mount Gerizim, 52–90, bes. 64–70). Überlegungen zur Definition dessen, was als »samaritanisch« zu gelten habe, und zur Entstehung und zum Charakter des Samaritanischen Pentateuch bringen die Vfn. zum Schluss, dass die Funde eher als Zeugnisse eines »Samarian Yahwism« als eigentlich partikulärer samaritanischer Religiosität zu gelten haben (64, vgl. be­reits 3).
Die aramäischen Inschriften sind allesamt private Widmungen, oft treten Männer als Weihende zugunsten von Frau und Kindern auf (71–76). Sie waren ursprünglich im öffentlichen Bereich aufgestellt, wohl der Außenseite der Trennmauer zwischen dem innerem und dem nur Priestern zugänglichem äußeren Bereich. Die wenigen, stark fragmentierten hebräischen Inschriften besitzen in ihrer großen Mehrheit jedoch keinen dedikatorischen Charakter und scheinen eher an der Innenseite der Trennmauer angebracht gewesen zu sein, allein sichtbar für die Priester (76 f.). Die Vfn. weist auf die hohe Formelhaftigkeit (ein längeres und eine kürzeres Formular) der aramäischen Inschriften hin. Ferner folgt sie Du sˇeks paläographischer Datierung der Inschriften in die erste Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. im Unterschied zur in der editio princeps vorgeschlagenen Platzierung ins Spektrum zwischen persischer und hellenistischer Periode (78–84). Die unterschiedlichen Schriftformen sowie die beiden Weiheformeln wurden offensichtlich zur selben Zeit nebeneinander verwendet und verdanken sich eher Präferenzen der Auftraggeber als einer chronologischen Entwicklung. Auffällig ist, dass die Inschriften keinerlei Hinweise auf das geben, was ne­ben dem Stein selbst (dieser wird nur zweimal erwähnt) gestiftet wurde oder zu welchem Anlass dies geschah (85–88). Naheliegend sind etwa Geldspenden an den Tempel, die durch die Inschrift sozusagen verewigt werden. Deutlich ist immerhin, dass die Weihetätigkeit nicht allein die Bauphase des Heiligtums betraf, sondern darüber hinaus fortdauerte. Das Formelelement »vor dem Gott an diesem Ort« spricht dabei klar aus, dass die Weihung als Geschehen »unter den Augen Gottes« galt. Der Garizim ist ein heiliger Ort, weil dort Gott wohnt (89 f., vgl. aber 132–134).
Breiteren Raum nimmt die Diskussion der »Erinnerungsformel« ein (zkr: »may he be remembered for good«). Kapitel 4 (Votive Inscriptions with a Version of a Remembrance Formula, 91–134) bietet zunächst umfangreiches Vergleichmaterial aus Assur, Hatra, Jebel Ramm in Jordanien, Palmyra, Sumatar Harabesi und von einigen antiken Synagogen und demonstriert, wie tief die Diktion der aramäischen Inschriften vom Garizim in unterschiedlichen religiösen und geographischen Kontexten verankert ist. Der zentrale Gedanke dabei ist: »the inscription in the sanctuary is a defense against oblivion, because remembrance, even the remembrance of a deity, is dependent on materiality and visibility« (134). Dieses Thema führt die Vfn. in ihrer kurzen Diskussion über (wechselseitiges) Erinnern in der biblischen Tradition fort (Kapitel 5: Ritual and Remembrance in Biblical Literature, 135–147). Auch hier spielt die Materialität des Erinnerungsobjektes eine wichtige Rolle, durch das sich der Weihende Jahwes »gutes«, i. e. wohlwollendes, Erinnern zu sichern sucht.
Kapitel 6 (Conclusions, 148–150) fasst die Ergebnisse zusammen, eine ausführliche Bibliographie (151–171), ein knappes Autoren-, Stellen- und Stichwortregister ergänzen den wichtigen, aber oft recht knappen Band, der anhand eines faszinierenden und in seiner Bedeutung gerade erst ansatzweise erschlossenen Inschriftenkorpus mit einem zentralen Thema semitischer Religiosität bekannt macht.