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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

623–625

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Backhaus, Knut

Titel/Untertitel:

Der Neue Bund und das Werden der Kirche. Die Diatheke-Deutung des Hebräerbriefs im Rahmen der frühchristlichen Theologiegeschichte.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1996. XV, 414 S. gr.8 = Neutestamentliche Abhandlungen, NF 29. Lw. DM 145,-. ISBN 3-402-04777-2.

Rezensent:

Peter Pilhofer

In seiner Münsteraner Habilitationsschrift von 1994 geht es Backhaus um die diatheke im Hebräerbrief vor allem, aber dann auch weit über diesen hinaus (die Formulierung im Untertitel: "im Rahmen der frühchristlichen Theologiegeschichte" verspricht nicht zu viel). Der erste Hauptteil der Studie (A. Grundlegung, 1-72) referiert den Forschungsstand und erörtert methodologische und terminologische Voraussetzungen sowie einleitungswissenschaftliche Grundfragen.

Der forschungsgeschichtliche Überblick führt zu dem Desiderat einer "Untersuchung des diatheke-Begriffs in Hebr" (19), "die die Resultate der philologischen Forschungsphase weithin voraussetzen kann, die einschlägigen Texte umfassend interpretiert und die textpragmatischen und theologiegeschichtlichen Ansätze weiterführt" (19 f.). Doch ist B. zufolge dabei auch die Perspektive des jüdisch-christlichen Dialogs zu bedenken, für den "die schroffe Sicht des Hebr nicht gesprächs-erleichternd" (Kraus, bei B., 25) zu sein scheint. Plausibel ist die methodische Vorgehensweise B.s, "zunächst mit den Mitteln einer historisch-deskriptiven Exegese den Textbefund als solchen" zu erheben, um später dann zu fragen, "welcher Beitrag" zum jüdisch-christlichen Dialog "von der diatheke-Konzeption des Hebr zu erwarten ist" (29 f.).

Im Unterschied zu manchen Hebr-Kommentaren, die auf eine Gliederung verzichten und nur "eine Vielzahl von ,Einzelperikopen’" anführen, legt B. auf eine genaue Analyse der Struktur großen Wert; er schlägt eine eigene rhetorische Disposition vor, die an Quintilian orientiert ist (58-64).

Auf ihrer Grundlage wendet sich B. im zweiten Hauptteil (B. Interpretation, 73-282) der Interpretation der einzelnen Texte im Hebr zu, die in einer Synthese gipfelt, wo das "semantische Geflecht", der "theologische Gehalt" und die "pragmatische Orientierung" des diatheke-Begriffs abschließend dargestellt werden. Die theologiegeschichtliche Würdigung (Teil C, 283-344) geht nicht nur auf Philon, Jesus und Paulus ein, sondern zieht auch sonst von neutestamentlicher Seite eher vernachlässigte Schriften wie den Barnabasbrief und den Dialog Justins des Märtyrers heran.

Aus der Fülle der interessanten Beobachtungen und anregenden Thesen greife ich nur einige Beispiele heraus: B. siedelt den Hebr "im dialogoffenen Klima der stadtrömischen Gemeinde des letzten Drittels des ersten Jahrhunderts" an, was seinen "Kontakt zum paulinisch geprägten Urchristentum" ebenso verständlich macht wie seine frühe Rezeption im 1. Klemensbrief (230). Der Verfasser des Hebr schreibt keineswegs für Judenchristen oder gar Juden - wie einst angenommen wurde, ganz im Gegenteil: "Die Argumentation des Schreibens ist nur gegenüber einer nicht spezifisch judenchristlich geprägten Gemeinde denkbar!" (278).

Besonders interessant ist das Ergebnis, wonach "die diatheke-Theologie des Hebr" "ihren ursprünglichen ,Sitz im Leben’ und ihren christologischen Interpretationskontext in der Praxis des Herrenmahls" findet (227 f.).

Der Verfasser des Hebräerbriefs begründet keine ,biblische Theologie’; der Hebr "ist im strengen Sinn eine Predigt allein über die neue diatheke und ihren offenbarungsgeschichtlichen Rang" (247). In Justin sieht B. einen "bundestheologischen" Erben des Hebr (320), der gerade die diatheke-Theologie "in eigentümlicher Fortschreibung" an die Großkirche weitergibt (315 f.). Der in der Druckfassung leider erheblich gekürzte (vgl. 283, A. 1) Justin-Abschnitt gipfelt in der These, daß man dem Auctor ad Hebraeos "das Attribut des ,Philosophen’ eher zugestehen wird als dem römischen Apologeten" (322) - was zu der Frage führt, woran man einen Philosophen in der frühen Kaiserzeit denn erkennt. Wenn die Dialogfähigkeit nach außerhalb der eigenen Schule ein Kriterium ist, müßte man darüber wohl noch einmal nachdenken.

Was schließlich die aktuelle Situation und insbesondere den jüdisch-christlichen Dialog angeht (vgl. D. Ertrag, 345-369), so weist B. darauf hin, daß der Hebr "kein polemisches Darstellungsinteresse verfolgt" (348); gerade "das Bundesmodell des Hebr" biete für den heutigen Dialog "seine theologischen Chancen" (369).

Reich belehrt legt man das Buch aus der Hand, das sich nicht nur für die Hebr-Forschung als Meilenstein erweisen wird.