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Ausgabe:

März/2014

Spalte:

382–383

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Velden, Frank van der, Behr, Harry H., u. Werner Haußmann[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gemeinsam das Licht aus der Nische holen. Kompetenzorientierung im christlichen und islamischen Religionsunterricht der Kollegstufe.

Verlag:

Göttingen: V & R unipress 2013. 278 S. m. 5 Abb. Kart. EUR 34,99. ISBN 978-3-8471-0018-8.

Rezensent:

Christian Grethlein

Nicht nur der Haupttitel des Bandes ist wenig aussagekräftig. Auch der desto detailliertere Untertitel bezieht sich lediglich auf die drei Beiträge des ersten Teils des Bandes (17–65). Ansonsten finden sich recht unterschiedliche Aufsätze, die lediglich durch einen allerdings recht unterschiedlich ausgeprägten Fokus auf den Islam und den Religionsunterricht eine Gemeinsamkeit haben. Dies ist schade, weil so der ein oder andere interessante Beitrag vielleicht nicht die Beachtung findet, die er verdient.
Der erste Teil wird durch einen programmatischen Beitrag des Nürnberger islamischen Religionspädagogen Harry Harun Behr eingeleitet. Nach deutlicher Abgrenzung von funktionalen Be­stimmungen islamischen Religionsunterrichts bestimmt er diesen durch eine klare Schülerorientierung: »Er soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, sich in Fragen der religiösen Information sowie des Glaubens und der persönlichen religiösen Lebensgestaltung selbst zu führen.« (23) Dabei kann er einer islamischen Anthropologie der Selbstvervollkommnung folgen. Neben solchen grundsätzlichen Ausführungen verdienen auch Nebentöne Beachtung. So weist Behr als Erfahrung aus dem islamischen Religionsunterricht darauf hin, »dass die Selbst- und Weltwahrnehmung junger Muslime mit aufsteigendem Alter zunehmend angstbesetzt ist.« (32)
Die beiden auf Behrs Aufsatz respondierenden christlichen Religionspädagogen Clauß Peter Sajak und Wolfram Weiße verbleiben dagegen auf der programmatischen Ebene. Sajak (römisch-katho­lisch) sieht in der »religionspädagogischen Dialektik von Induktion und Edukation« (43) einen möglichen Rahmen, um Ge­meinsamkeiten und Unterschiede des islamischen und katholischen Religionsunterrichts zu bestimmen. Weiße (evangelisch) dagegen regt – neben mancher Übereinstimmung, aber auch Fragen zur Begrifflichkeit – an, die interreligiöse Perspektive in der Di­daktik des islamischen Religionsunterrichts zu stärken. Ja, er fragt sogar grundsätzlich, »ob die Einführung eines zusätzlichen, ge­trennten islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen wirklich der Integration dient.« (54)
Insgesamt geben diese drei Grundsatzartikel einen instruktiven Einblick in die sich durch den islamischen Religionsunterricht neu formierende religionsdidaktische Diskussionslage. Dass dabei schwierige Themen, wie etwa die Stellung von Frauen oder das Rechtsverständnis, ausgeblendet bleiben, ist wohl der Höflichkeit eines solchen Gesprächsbeginns geschuldet.
Im zweiten, wiederum drei Beiträge umfassenden Teil konnte der Rezensent kein gemeinsames Thema entdecken.
Ausgesprochen spannend sind hier die Ausführungen von Frank van der Velden, Fachleiter für Christliche Religion und Kooperativen Religionsunterricht an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo: »Erzählen schafft Ge­meinsamkeit – Argumentieren schafft Klarheit. Hermeneutische Vorüberlegungen für eine narrative Korandidaktik im Unterricht zwischen Christen und Muslimen« (107–129). Zwar geht es – auch bei den beiden anderen Aufsätzen dieses Teils – weder um Kompetenzen noch die Kollegstufe. Vielmehr wird grundsätzlich und anhand zahlreicher Beispiele aus der Ge­schichte sowie am Beispiel der Sure 19:1–33 der möglichen – und immer wieder umstrittenen – Bedeutung von Erzählungen im Islam nachgegangen. Die dabei sich eröffnenden Formen empfiehlt van der Velden als Grundlage für eine narrative Korandidaktik als Beitrag zum interreligiösen Lernen.
Der dritte Teil umfasst sechs »Best-practice-Beispiele aus dem christlich-islamischen Tandem-Unterricht« (133–232), wie er im Rahmen eines Exzellenzpraktikums Kooperativer Religionsunterricht Christentum/Islam in der gymnasialen Oberstufe der deutschen Evangelischen Oberschule Kairo (1. bis 31. März 2012) stattfand. Grundlegende Themen wie Jesus, Anthropologie, freier Wille und Gerechtigkeit werden jeweils aus christlich und islamisch theo­logischer Perspektive präsentiert. Daran schließen sich kurze Hinweise zur didaktischen Umsetzung an, die aber ohne näheren Blick auf die Schülerinnen und Schüler und deren Situation auskommen. Diese steht dagegen im Beitrag von van Velden im Mittelpunkt, der einen Bericht zu einer Unterrichtseinheit zum existentiellen Koranbezug vorstellt. Konkreter Kontext des Unterrichts waren die Ereignisse am Taksim-Platz, an denen auch Schüler teilnahmen.
Im letzten Teil berichten die Praktikanten von ihren interreligiösen Erfahrungen während des gemeinsamen Monats in Kairo. Deutlich tritt hier gegenseitige Bereicherung durch das gemein­-same Leben und Arbeiten hervor. Ein hochschuldidaktisches Glanzstück auf dem Weg zu einer Kultur interreligiösen Lernens!
Konzeptionell liegen mit dem Band interessante Beiträge unterschiedlichen Inhalts zum großen Themenbereich islamischer und christlicher Religionsunterricht vor. Meist steht die interreligiöse Thematik im Vordergrund. Hierzu finden sich unterschiedliche Anregungen, ohne dass aber schon eine kohärente Gesamtargumentation abzusehen wäre. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung dürfte die Klärung des (jeweiligen) Religionsverständnisses sein.