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Ausgabe:

Juni/1999

Spalte:

605–607

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Muraoka, Takamitsu

Titel/Untertitel:

Classical Syriac. A Basic Grammar with Chrestomathie. With a Select Bibliography Compil. by S. P. Brock.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 1997. XXV, 236 S. 8 = Porta Linguarum Orientalium, N. F. 19. Kart. DM 68,-. ISBN 3-447-03890-X.

Rezensent:

G. Wilhelm Nebe

Der Leidener Semitist T. Muraoka, der sich bereits durch Arbeiten zum älteren Aramäisch (Hrsg. Studies in Qumran Aramaic, Louvain 1992; A Grammar of Egyptian Aramaic, Leiden 1998) als Aramaist einen Namen gemacht und der 1987 eine knappe syrische Grammatik (Classical Syriac for Hebraists, Wiesbaden 21996) verfaßt hat, hat nun in der Reihe "Porta Linguarum Orientalium" die im folgenden anzuzeigende syrische Grammatik vorgelegt.

Das Buch ist Ch. Rabin gewidmet, beginnt nach einem Vorwort (XV-XVII), einer Liste der zitierten Literatur (XIX-XXV), der Abkürzungen und einigen praktischen Hinweisen mit dem Ersten Teil "Writing and Phonology" (1-16). Der Zweite Teil widmet sich der "Morphology" (17-57) und der Dritte Teil der "Morphosyntax and Syntax" (59-89). Die einzelnen Teile der Grammatik sind nach §§ durchgezählt. Es folgen 7 "Exercises" mit Auflösungen ("Key to Exercises") (90-100), auch für das Selbststudium geeignet, und Paradigmen-Tabellen zum Verbum (101-117). Der Grammatikteil ist abgeschlossen durch einen Sachindex (118-123). Der augenblicklich beste Kenner der syrischen Literatur, S. P. Brock, hat eine "select Bibliography" beigesteuert (124-147), die den Wert des Buches steigert. Des weiteren enthält die Grammatik eine "Chrestomathy" (1*-59*), eine Auswahl von 16 Texten, geschrieben in Estrangela außer Nr.14 in nestorianischer und Nr.16 in Serto-Schrift. Die Auswahl umspannt erfreulicherweise die Zeit von den Anfängen des Syrischen bis zu den syrischen Grammatikern. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Texte: Altsyrische Inschriften (Nr. 1.3), der Bericht über die große Flut 201 nach Chr. (Nr. 2), ein alttestamentlicher Text der Peschitta (Nr. 4), ein altsyrischer Evangelientext (Nr. 5), ein Text von Bardaisan (Nr. 6), zwei Oden Salomos (Nr. 7), ein Text der Thomas-Akten (Nr. 8), je einer von Afraat (Nr. 9), Ephrem (Nr. 10), Jakob von Serugh (Nr. 11), Jakob von Edessa (Nr. 13), und Ischodad von Merv (Nr. 14), ein juristischer Text (Nr. 12), einige Erzählungen (Nr. 15) und schließlich ein Abschnitt aus Bar Hebräus größerer Grammatik "Buch der Strahlen" (Nr. 16). Allen Texten der Chrestomathie sind Anmerkungen zu Sprache und Übersetzung, Nr. 4 sogar eine Transkription beigegeben. Diese Anmerkungen sind nicht nur für den Syrisch-Studenten eine große Hilfe, der Syrisch im Selbststudium erlernt. Das Buch ist abgeschlossen durch ein "Glossary" (61*-68*).

M. behandelt das "klassische" Syrisch. Er versteht darunter das Mittel- oder Buchsyrisch der ostaramäischen Christen vornehmlich des 4.-8. Jh.s nach Chr. Bekanntlich unterscheiden sich westsyrische und ostsyrische Christen durch eine ihnen je eigene Schrift (westsyrisch Serto, ostsyrisch nestorianische Schrift, die beide auf die ältere Estrangela Schrift zurückgehen), Punktation (westsyrisch Vokalzeichen, aus dem Griechischen entwickelt, und ostsyrisch Punktation) und Sprache. M. legt anders als die bisher für das akademische Studium des Syro-Aramäischen maßgeblichen älteren Grammatiken von Th. Nöldeke (Kurzgefaßte syrische Grammatik, Nachdruck Darmstadt 1977), C. Brockelmann (Syrische Grammatik, Leipzig 111968) und A. Ungnad (Syrische Grammatik mit Übungsbuch, Nachdruck Hildesheim 1992) seiner Grammatik nicht mehr die Serto-Schrift und die westsyrische Vokalisation zugrunde. Ursache für den Bruch mit dieser Lehrtradition ist, daß die traditionellen Grammatiken westsyrische Konsonanten und Vokalisation, faktisch aber die ostsyrischen Vokale ansetzen. M. sucht ebenso wie die traditionellen Grammatiken die Sprache des älteren Syrisch zu rekonstruieren, die der Kirchenspaltung von 489 nach Chr. vorausging.

Bekanntlich hat das Ostsyrische bei den Vokalen Älteres bewahrt als das Westsyrische. Deshalb meint M. exakter als die traditionellen Grammatiken zu verfahren, wenn er die ostsyrische Punktation als Basis nimmt. Nun wählt M. aber nicht die ostsyrische nestorianische, sondern die Estrangela Schrift und setzt dazu die ostsyrische Punktation. Das heißt M.s Schriftbild des Syrischen ist ein rein künstliches Gebilde. Nun ist C. Brockelmanns ostsyrisch punktiertes e- in der westsyrischen Punktation auch künstlich, aber Estrangela hat keine Punktation.

Pädagogisch begrüßenswert ist, daß M. den syrischen Wortformen eine Transkription in Lateinschrift beigibt. Er selbst spricht immer von "transliteration" (Zur Unterscheidung zuletzt E. Lipinski, Semitic Languages: Outline of a Comparative Grammar, Leuven 1997, § 9.12). Verführe M. bei seinen Transkriptionen diachronisch, könnte er auch über das Ostsyrische dem älteren Syrisch beikommen. Doch versteht er seine "transliteration" als "descriptive and synchronic". Diachronisches und semitistisch vergleichende Details sind höchstens in einigen Anmerkungen zu finden (XVI oben). Machte bei C. Brockelmann die Lautlehre zum Beispiel noch 36 Seiten aus, so bei M. nur noch 12 Seiten.

M. verfährt bei seiner "Transliteration" nicht konsequent. So ist ostsyrisches H.et nie als h, sondern immer als westsyrisches h. wiedergegeben, und es ist die ostsyrische Aussprache von b- und p nicht berücksichtigt (Brockelmann § 30 A.4), geschweige denn, daß ostsyrische Besonderheiten genannt würden, die Th. Weiss (Zur ostsyrischen Laut- und Akzentlehre, Stuttgart 1933, 10-26) zusammengestellt hat.

Bekanntlich hat das Westsyrische die Längung von Konsonanten aufgegeben und das Ostsyrische dementsprechend Älteres bewahrt. Da aber schon im älteren Syrisch auslautende lange und auch inlautende lange Konsonanten, auf die ohne Vokal ein weiterer Konsonant folgt, gekürzt sind (Nöldeke §21), berücksichtigt M. dies auch bei seiner (ostsyrischen) "Transliteration", zum Beispiel ’at "du" (aber + hu-: ’attu-, [sic]), melta-"Wort" oder ’etkar "er erinnert sich" (*’et-dk-ar > ’ettk-ar; W. Diem, ZDMG 132, 1982, 49: dd>tt vor k). Die "transliteration" mit gekürzten Konsonanten erscheint nur dann sinnvoll, wenn aus pädagogischen Gründen immer auf die volle Lautentwicklung hingewiesen wird. Ansonsten muß es dem Studierenden ein Rätsel bleiben, warum "du" nicht ’at-, "Wort" nicht melta- und "er erinnert sich" nicht ’etkar lauten.

Bekanntlich haben die west- und ostsyrischen Punktationen nach Ausweis der syrischen Grammatiker weniger auf die Vokalquantität als auf die -qualität abgehoben (dazu zuletzt R. Voigt, Oriens Christianus 81, 1997, 36-72). Alle Punktationen unterscheiden nur die Vokalqualität. So unterscheiden a und a-nicht Länge und Kürze, sondern deren verschiedenen Klang (hell/dunkel) und unterschiedliche Aussprache (offener/geschlossener). M. läßt für das Westsyrisch nur o, a, i, u, e und für das Ostsyrisch nur a-, a, i, e, e-, u, o gelten. Das heißt, M.s "Transliteration" kennt für das Ostsyrische an "Lang"-vokalen nur a- und e-, nicht aber i-, u- und o- (6 f., Anmerkung 8). Da diachronische Hinweise auf ein Minimum beschränkt sind, erschwert M. dem Studierenden eher das Erlernen, als daß er es ihm erleichtert. Der Schüler erlernt eine Sprache doch am besten, wenn er Gesetzmäßigkeiten erkennt. "Transliteriere" ich ohne historische Vokalopposition a/a- und e/e-, so sind zum Beispiel nicht auseinanderzuhalten: bat- "Tochter"/ba-t- "er übernachtete"; bar "Sohn"/ba-r "er war wüst"; man "wer?"/ma-n "was?"; barqa- "Blitz"/ba-rqa- "glänzender; Smaragd"; bi-sat- Sin-gular feminin constructus / bi-sa-t- Plural feminin constructus; t.ab- "er merkte"/t.a-b- "gut"; ’emar "sprich"/’e-mar "ich spreche"; di-neh "sein Gericht"/di-ne-h "ihre Gerichte". - Nun, M. läßt die Unterscheidung a/a-, i, e/e- für das Ostsyrische gelten, unterscheidet aber keine Vokal-"Quantität" bei i-, u- o-. Bis "Schlechtes" lautet sein Paradigma § 17 und din "Gericht" §41.

Strittig sind bekanntlich die Lautungen von yd-a’ "er erkannte" > ’id-a’ (Malula) oder ’i-d-a’ (Nöldeke § 175; Brockelmann § 73 A.4) und von yd-a- "Hand" > ’id-a- oder ’i-d-a-. (Malula; Turoyo i-d-o). I< e vor Zischlauten (Brockelmann § 49 A.1) bei ’izgadda- "Bote" (< neubabylon., > mandäisch ’asgandu (?) (St. A. Kaufman, The Accadian Influences on Aramaic, Chicago 1974, 38); < pers; kri-st.ya-na- "Christ" < christianos/chrestianos (dazu F. Blass-A.Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 111961, §24 A), chrisma. In den beiden letztgenannten Fällen muß die Quantität des Vokals, einmal i zum andern i-, doch angegeben werden! Oder bedenkt man die Opposition ’akol "iss" / ’akol "Esser". Auch bei *wa "und" > w vor Konsonant muß entschieden werden, ob u- oder nicht doch eher u gesprochen wurde. Da reicht reine Transliteration nicht aus.

Legt man die ostsyrische Punktation zugrunde, erhält man sprachgeschichtlich gesehen in vielen Fällen gerade nicht die Aussprache der auch von M. gewünschten älteren Form des klassischen Syrisch. Der Rez. muß gestehen, daß er die diachronisch verfahrende Lehrmethode der traditionellen Grammatiken doch bevorzugt. M.s Buch erhebt den Anspruch, C. Brockelmanns Grammatik zu ersetzen (XV). Dieser Anspruch wird von M.s Grammatik (Teil: Laut- und Formenlehre) nicht geleistet. Dennoch sei dem Vf. Dank für seinen Neuansatz für den syrischen Sprachunterricht und vor allem für seinen 3. Teil der Grammatik "Morphosyntax and Syntax", der über Th. Nöldeke hinaus neuere Arbeiten der letzten Jahre zur Syntax berücksichtigt.

Mißverständliches und Fehler, die in einer 2. Auflage berücksichtigt werden sollten: Zu § 10: ka-t-bi-nnan nicht > ka-t-bi-nan (Nöldeke § 64)? Zu § 11/§ 41: Das Singularsuffix 2.f.sg. eher -ek- und 3.m.sg. eher -eh. Zu §14: M. setzt mit den meisten man + hu- als manu- an, Malula aber > mannu-. - M. rechnet bei ostsyrisch ma-n +hu- > ma-naw wie westsyrisch, siehe aber Nöldeke § 49 B ostsyrisch ma-na-w (ich nenne nur Ex 16,15; 1Sam 3,17; 4,16; 15,14). Das kann natürlich für jedes westsyrisch -a-w> aw gelten. In § 13 "transliteriert" M. richtig ha-lle-n "diese", in §14 gehört zu ’ayle-n "welche?" gesagt < ’aylle-n. Zu § 43: Der Plural von bayta- lautet ba-tte-. Zu §63: Mit Nöldeke § 175, Brockelmann § 73 A.4 und Ungnad § 41b lies bei den Verben Iy,w außer bei Perfekt 3.f.sg. und 1.sg. nicht yi- (so fast immer die Schreibung), sondern ’i- oder ’i--. Zu Seite 102 ff.: Die Stämme "Ethpeel" und "Ethpaal" sind mißverständlich bezeichnet, da ee hier nicht für e- und aa nicht für a- steht.

Dankenswerterweise legt M. im Paradigma als Beispiel das Verbum kt-ab- "er schrieb" zugrunde, anders als R. Duval (Traité de Grammaire Syriaque, Nachdruck Amsterdam 1969, XVIII) mit allen Qussa-ya-- und Rukka-k-a--Punkten. Aber falsch sind ’et-kat-vat- (schreib ’et-kat-bat-) und -vet- (schreib -bet-), aber richtig in §57 wie Th. Nöldeke §162. Schwierig sind im Syrischen die Verben mit Objektsuffixen insonderheit die Verben IIIi-. Erfreulicherweise gibt M. in seiner Paradigma-Tabelle auch die Aussprache der schwierigen Formen an. Korrigiere folgende Pa’’el-Formen (abgesehen von 2.f.sg -ek- und 3.m.sg. -eh): 2.f.sg + 3.m.sg. anstelle von gallitiwy lies galli-ti-w; 3.m.pl. + 3.m.sg. anstelle von galyuw lies gallyu-y; 3.m.pl. + 3.f.sg. anstelle von galyuwh lies gallyu-h; 3.m.pl. + 1.pl. anstelle von galyuwn lies gallyu-n; 3.m.pl. + 2.m.pl. anstelle von galyuwk-on lies gallyu-k-o-n (?).- Korrigiere Seite 67: "geschrieben".