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Ausgabe:

März/2014

Spalte:

371–372

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hertfelder-Polschin, Olga

Titel/Untertitel:

Verbanntes Denken – verbannte Sprache. Übersetzung und Rezeption des philosophischen Werkes von Nikolaj Berdjaev in Deutschland.

Verlag:

Berlin: Frank & Timme 2013. 233 S. = Ost-West-Express. Kultur und Übersetzung, 15. Kart. EUR 29,80. ISBN 978-3-86596-529-5.

Rezensent:

Stefan Reichelt

Mit dieser Arbeit wurde Olga Hertfelder-Polschin im Jahr 2013 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promoviert. Seither ist sie freiberufliche Übersetzerin für Russisch und Englisch und Lehrbeauftragte am Institut für Übersetzen und Dolmetschen am Heidelberger Lehrstuhl von Jekatherina Lebedewa, die auch ihre Arbeit betreut hat.
Auf Einleitung mit Vorwort und Darlegen des Forschungsstands von 1922 bis 2012 (11–19) folgt Teil I: Verbanntes Denken. Der russische Philosoph Nikolaj Berdjaev in Deutschland. Ein zweiter Teil: Die deutsche Philosophie im Werk Nikolaj Berdjaevs. Rückübersetzung der deutschen Termini (45–91) schließt sich an. Ihm folgen Teil III: Die Philosophie Nikolaj Berdjaevs in deutscher Übersetzung– Übersetzungsstrategien und Übersetzungsprobleme, IV: Die Übersetzung und ihre Wirkung. Die Philosophie Nikolaj Berdjaevs aus der Sicht deutscher Theologen und Philosophen (135–176) und Teil V: Der Boom der Rezeption Nikolaj Berdjaevs in Russland nach der Pe­restrojka als Auslöser neuer Übersetzungen und der Rezeption in Deutschland bis 2012. Alle Hauptteile enden jeweils mit einer zusamenfassenden Bilanz. Der Schluss (209–233) enthält eine Zusam­menfassung, die chronologische Liste der Werke Nikolaj Berdjaevs in deutscher Übersetzung, eine Literaturliste wie ein Namensverzeichnis.
Bei aller nachvollziehbaren, zielgerichteten Gedankenentwick­lung verlässt die Arbeit den deskriptiven Stil nur selten. So gleicht sie über weite Strecken einem lesenswerten Forschungsbericht. Einzelne Übersetzer, wie Wolfgang Groeger, Reinhold von Walter, Otto Freiherr von Taube, Evsej Šor mit ihre Übersetzungslösungen und Strategien werden im dritten Teil näher betrachtet. Der vierte Teil systematisiert u. a. die Rezeption Berdjaevs 1948 bis 1998 erstmals und ermöglicht folglich Erkenntnisgewinn. Wünschenswert wäre ein Hinweis auf die der Vfn. zweifelsohne bekannten Verbindungen Fritz Liebs und Fëdor Stepuns bereits in der Zeit zwischen 1922 und 1948 gewesen. Der fünfte, Berdjaevs Rezeption in Russland nach der Perestroika bis 2012 behandelnde Teil ist in dieser übersichtlichen Zusammenstellung ein verdienstvolles Novum.
In der Zusammenfassung werden wesentliche Ergebnisse, wie die Tendenzen einbürgernder und verfremdender Übersetzung, noch einmal systematisch aufgezeigt. Auch wird die Polarität späterer, die Ausgangssprache stärker berücksichtigender Übersetzungen und früherer, mehr an der Zielsprache und Zielkultur orientierter, thematisiert. Zudem weist die Vfn. auf Übersetzungsirrtümer in der Berdjaev-Rezeption hin, die sie prägten.
Übersetzungslösungen diskutierend enthält die Arbeit Systematisierungen von Erkenntnissen. In welchem Maße die Vfn. ihrem Ziel entspricht: »Mit der hier ausgearbeiteten Neusicht der Sprache Berdjaevs wurden die Quelle und Tradition ihrer Eigentümlichkeit aufgezeigt. Dies soll ihre Wiedergabe in späteren Übersetzungen fördern.« (211), wird die Zukunft erweisen. Die sich anschließende chronologische Liste der Werke Berdjaevs in deutscher Übersetzung geht über Tamara Klépinines Bibliographie des œuvres de Nicolas Berdiaev, Paris 1978, nicht hinaus. Wünschenswert gewesen wäre die Aufnahme von Beiträgen in Sammelbänden, Aufsätzen etc.
Ein lesenswerter Beitrag zur allgemeineuropäischen Geistesgeschichte darf in vorliegendem Werk – ungeachtet der Monita – in jedem Fall gesehen werden.