Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2014

Spalte:

331–332

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kartveit, Magnar

Titel/Untertitel:

Rejoice, Dear Zion! Hebrew Construct Phrases with »Daughter« and »Virgin« as Nomen Regens.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2013. VIII, 200 S. = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 447. Geb. EUR 79,95. ISBN 978-3-11-030894-5.

Rezensent:

Heinz-Dieter Neef

Die jüngste Monographie des renommierten norwegischen Alttestamentlers Magnar Kartveit fragt nach der Bedeutung von »Tochter« (bt) als nomen regens in der Constructus-Verbindung »Tochter Zion« (bt ṣjwn). Zur Beantwortung dieser Frage beschäftigt er sich ausführlich mit der Constructus-Verbindung im Althebräischen. Die Studie versteht sich als philologischer Beitrag zu den Themen »Zion« und »Constructus-Verbindung im Hebräischen«. Sie bringt somit »Theologie« und »althebräische Philologie« in einen fruchtbaren Dialog. K. geht in sieben Schritten vor:
Der 1. Abschnitt (1–11) bietet einen erschöpfenden Forschungsüberblick zu neueren Studien zum Thema »Zion«. Diese liefern ihm den Problemhorizont und die zu besprechenden Fragen: Lässt sich »Tochter (von) Zion« als attributiver Genitiv verstehen? Gibt es im biblischen Hebräisch überhaupt den attributiven Genitiv? Welche Assoziationen verbinden sich mit »Tochter« im Alten Israel? Gibt es Einflüsse aus der Umwelt auf die Bedeutung von »Zion«?
Der 2. Abschnitt (12–33) stellt die Frage nach der Bedeutung der Wendung »Tochter Zion«. Bezieht sie sich auf ein Kollektivum oder ein Individuum? K. nimmt seinen Ausgangspunkt von Mt 21,5; Joh 12,15 (die Angabe »John 9« S. 12 ist falsch!), wo eindeutig ein kollektives Verständnis von »Tochter Zion« vorliegt. Er vergleicht diese beiden Stellen mit Sach 9,9; Jes 62,11 LXX und wirft einen ausführlichen Blick in die Auslegungen dieser Stellen. Abschließend formuliert er einige Problemfelder: Wie sind die Wendungen »Tochter Zion« bzw. »Jungfrau Israel« morphologisch, syntaktisch und semantisch zu deuten? Ist das erste Element dieser Constructus-Verbindung als Personifikation, Metapher, Bild, Symbol oder Vergleich zu verstehen?
K. bietet drittens eine ausführliche Übersicht über die Interpretationen der Wendung »Tochter Zion(s)« (34–72). Er nennt folgende Übersetzungen bzw. Deutungen der Wendung: »Tochter Zion« = (a) Zion, Tochter (von Gott); (b) = Hauptstadt/Jerusalem; (c) = der königliche und göttliche Zion; (d) = Personifikation; (e) = Metapher. K. diskutiert die Vor- und Nachteile dieser Übertragungen, wobei er überzeugend die Deutung (a) als grammatisch höchst unwahrscheinlich ablehnt!
Im 4. Abschnitt finden sich grundsätzliche Erwägungen zum Genitiv und zur Constructus-Verbindung in den semitischen Sprachen (73–113). Dabei kommt er zu der entscheidenden These, dass man nicht von einem status constructus ausschließlich in Verbindung mit einem nomen rectum sprechen sollte. Der status constructus sei eine Form sui generis wie die »unregelmäßigen« Formen sowie die Constructus-Form in Verbindung mit einem Relativpronomen, mit finiten Verben und anderen Konstruktionen zeigen. Er schlägt vor, auf die Bezeichnung »Genitiv« zu verzichten, da es im Hebräischen den Genitiv als morphologische Kategorie nicht gebe. Er schlägt deshalb folgende Sprachregelung vor: status constructus und status absolutus seien morphologische Ausdrücke; im Kontext der Syntax sollte man von »Constructus-Sätzen« sprechen; der »status constructus« sei in diesem Zusammenhang als »Verbindungsform« zu deuten; die Bezeichnungen nomen regens und nomen rectum sollten als syntaktische Ausdrücke beibehalten werden.
Im 5. Abschnitt (114–162) geht es um die semantische Bedeutung der Constructus-Verbindungen von »Tochter und /oder Jungfrau« als nomina regentia + Ortsangabe als nomen rectum. Diese Verbindungen listet K. anhand einer übersichtlichen Tabelle auf (114 f.). Die Analyse ergibt Folgendes: In einigen Texten ist die wörtliche Bedeutung von »Tochter« als nomen regens greifbar (so etwa Ps 45,13; die Angabe »Ps 46,13« auf S. 161 ist falsch!). In der Mehrzahl der Fälle hätten »Tochter« und »Jungfrau« jedoch eine metaphorische Bedeutung. Das Verständnis der Metapher sei dann wesentlich vom nomen rectum abhängig.
K. beantwortet im 6. Teil (163–178) die Frage: Kann ein nomen rectum als Attribut zu einem nomen regens gedeutet werden? Verstehe ich K. richtig, so bejaht er diese Frage. Er geht sogar davon aus, dass auch umgekehrt das nomen regens ein nomen rectum interpretieren (»predicates«, 178) kann. So deutet er das nomen regens »Tochter« in der Wendung »Tochter Zion« als Attribut und Metapher zum nomen rectum »Zion«.
Im Schlussabschnitt (179–184) fasst K. seine Beobachtungen prägnant zusammen: 1. Der status constructus sollte als Morphem sui generis gedeutet werden. 2. Die Analyse der Constructus-Verbindung sollte sowohl das nomen rectum als auch das nomen regens berücksichtigen. 3. Zur Analyse der Constructus-Verbindung muss wesentlich eine semantische Analyse gehören. 4. Die untersuchten Beispiele zeigen mehrheitlich eine metaphorische Bedeutung. – Als Beitrag zur Theologie des Zion schlägt K. deshalb vor, die Constructus-Verbindungen »Tochter Zion«, »Tochter Jerusalem«, »Tochter meines Volkes« im Sinne von »lieber Zion, geliebter Zion, armer Zion, liebes Jerusalem, mein geliebtes Volk« zu verstehen (184).
Das Buch schließt mit einer ausführlichen Bibliographie sowie Verzeichnissen zu modernen Autoren, Bibelstellen sowie nichtbiblischen Quellen und wichtigen Stichworten.
K. hat mit seiner weiterführenden Untersuchung einen wichtigen und weithin überzeugenden Beitrag zum Verständnis der Constructus-Verbindung sowie der Semantik der Wendung »Tochter Zion« geleistet. Seine Thesen basieren auf der Untersuchung vieler Bibelstellen und einer intensiven Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur und sind somit methodisch gut abgesichert. Eine Anfrage bleibt: Gab es im Hebräischen wirklich keinen Genitiv? – Man wird in Zukunft bei der Analyse und Übersetzung von Constructus-Verbindungen bzw. Wendungen dank K. genauer hinschauen müssen. Es kann kein besseres Kompliment für ein Buch geben als diese Schlussfolgerung. K. sei herzlich für diese wichtige Untersuchung gedankt!