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Ausgabe:

März/2014

Spalte:

329–331

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Damsma, Alinda

Titel/Untertitel:

The Targumic Toseftot to Ezekiel.

Verlag:

Leiden u.a.: Brill 2012. XXIV, 236 S. = Studies in the Aramaic Interpretation of Scripture, 13. Geb. EUR 110,00. ISBN 978-90-04-22990-7.

Rezensent:

Beate Ego

Die Studie von Alinda Damsma geht auf ihre Dissertation zurück, die im Jahre 2008 am University College in London eingereicht wurde und Teil eines Projektes mit dem Titel »Late Aramaic: The Literary and Linguistic Context of the Zohar« (2004–2009) war.
Während Targum Jonatan zu Ezechiel in der Forschung bereits ein relativ breites Interesse gefunden hat, standen die sogenannten Tosefta-Targume zu Ezechiel bisher eher am Rande des wissenschaftlichen Interesses. Vor diesem Hintergrund bereitet diese Studie das einschlägige Material in einer kritischen Edition auf und bietet eine Übersetzung sowie eine Kommentierung, die die entsprechenden Überlieferungen innerhalb der rabbinischen Literatur bzw. der mystischen Traditionen des antiken und mittelalterlichen Judentums kontextualisiert. Nach einem kurzen Überblick und einer Einführung in die Thematik präsentiert Kapitel 2 zu­nächst die targumischen Toseftot zu Ez 1,1; Ez 1,3; Ez 1,8; Ez 1,12 und Ez 1,26 mit ihrem reichen Material aus dem Bereich der jüdischen Mystik (7–128). Ein weiteres Kapitel ist dann dem Tosefta-Targum zu Ez 28,13 gewidmet mit seiner Interpretation der Klage des Königs von Tyros (129–142). Kapitel 4 behandelt die Auslegung der Ezechielschen Vision von der Auferstehung der Toten in Ez 37 (143–166). Die Arbeit schließt mit einer Auswertung des Materials, in der definitive Schlüsse für linguistische Bestimmungen dieser Überlieferungen, ihre Datierung, ihre Herkunft und ihren Sitz im Leben gezogen werden.
Eine sorgfältige Analyse der Sprache, die sowohl die Orthographie, das Vokabular, die Morphologie und die Syntax beachtet, zeigt, dass die Sprache der Toseftot zunächst einmal zu dem jü­disch-aramäischen Dialekt gehört, der in die Zeit zwischen 200 v. Chr. und 200 n. Chr. zu datieren ist und dem auch Targum Onqelos und Targum Jonathan zugeordnet werden können (zur Klassifikation S. 4, Anm. 4). Darüber hinaus fällt allerdings die sprachliche Heterogenität der Texte auf, da diese häufig auch Merkmale des Dialektes »Late Jewish Literary Aramaic« (LJLA) aufweisen, der in die Zeit zwischen dem 4. Jh. n. Chr. bis ins Mittelalter datiert werden kann und der für Targum Pseudo-Jonatan und die Targume zu den Schriften ty­pisch ist. Dabei handelt es sich um ein Genre aramäischer Texte, in dem sich eine Verbindung mehrerer Dialekte widerspiegelt. Für die Datierung des Materials bedeutet diese sprachliche Klassifizierung, dass die targumischen Toseftot zu Ez 1,1; 28,13 und 37 in die gaonäische Epoche gehören. Während die Toseftot zu Ez 1,1 und 37,1–4 östlichen Einfluss aufweisen, spiegelt die Tosefta zu Ez 28,13 eher den Einfluss der palästinischen Tradition wider. Da die einschlägigen Überlieferungen alle verschiedene Haftaroth als Basis haben (Ez 1 gehört zum Wochenfest; Ez 28,13 war die Haftara zu Gen 3,22 und Ez 37 diejenige für den Sabbath in der Woche von Passah) kann angenommen werden, dass der Sitz im Leben dieser Texte der Synagogengottesdienst an den betreffenden Festtagen bzw. an dem betreffenden Sabbat war. Somit handelt es sich bei den Tosefta-Targumen zu Ezechiel um literarische Reflektionen von ursprünglich mündlichen Überlieferungen. Einige dieser Überlieferungen dienten zudem als homiletische Einführung zu Targum Pseudo-Jonathan. Weniger deutlich zeichnet sich eine Antwort auf die Frage nach der Zugehörigkeit der Randglossen ab; hier kann überlegt werden, inwiefern diese als eine Art Kommentar fungierten (167–183).
Vor diesem Hintergrund kann – so ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Arbeit – nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Aramäisch des Buches Zohar um ein reines »Kunst-aramäisch« handelt, das von dessen Verfasser R. Moshe de Leon im 13. Jh. gleichsam erfunden wurde, um seinem Werk die Aura von Authentizität zu verleihen (so die bislang unhinterfragte These Gerschom Scholems). Vielmehr ist anzunehmen, dass wir es hier mit dem Produkt einer ungebrochenen literarischen Produktion zu tun haben und dass seine Vermischung verschiedener Dialekte und Sprachstufen des Aramäischen seine Vorläufer in einem Teil der Targum-Überlieferung hat (hierzu spez. 179).
Die Studie schließt mit einer ausführlichen Bibliographie sowie mit mehreren Appendizes, die einzelne Motive der Toseftot näher beleuchten: Appendix A: The Targumic Versions of the Recovery of the Book of the Torah (187–189); Appendix B: The Targumic Versions of Deuteronomy 28:36 (191); Appendix C: The Order of the Heavens in Rabbinic Literature (193 f.); Appendix D: The Status of the Godhead in Sefer Haqqomah compared with the Stature of the Ḥayyot in b. Ḥagiga 13a and in TosRgs. Ezekiel 1:1 (195–196); Appendix E: The Concept of the Macrocosmic Body in the Ancient Near East (197–211); Appendix F: The Order of the Underworlds in Rabbinic Literature (211–212) und Appendix G: Aggadah on the Premature Exodus of the Tribe of Ephraim in Rabbinic Literature (213–214).
D.s Studie ist sorgfältig gearbeitet und stellt einen wichtigen Beitrag sowohl für die Erforschung der Kabbala als auch der Targumliteratur und der Auslegung des Ezechielbuches dar. Sie fügt sich in eine ganze Reihe von neueren Arbeiten zur Targumliteratur ein, die zeigen, dass dieses Feld in der jüngeren Forschung wieder ein gesteigertes Interesse erfährt. Dabei tritt immer klarer die Bedeutung der Targume und der Targumproduktion im Mittelalter und ihre Funktion für das Studium der Heiligen Schrift zutage, so dass deutlich wird, dass eine Untersuchung der Targume einen un­verzichtbaren Bestandteil der Auslegungsgeschichte der Hebrä­-ischen Bibel bis in das Mittelalter hinein darstellt. Die Auslegung von Ez 1, die in der Frühzeit der rabbinischen Überlieferung ja eine Arkandisziplin darstellte, bildet hier ein besonders interessantes Beispiel.