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Ausgabe:

März/2014

Spalte:

321–322

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Haring, B. J. J., and O. E. Kaper[Eds.]

Titel/Untertitel:

Pictograms or Pseudo Script? Non-Textual Identity Marks in Practical Use in Ancient Egypt and Elsewhere. Proceedings of a Conference in Leiden, 12–20 December 2006. Ed. with the assistance of C. H. van Zoest.

Verlag:

Leiden: Nederlands Instituut vor het Nabije Oosten; Leuven: Peeters Publishers 2009. VI, 236 S. m. Abb. u. Tab. = Egyptologische Uitgaven, 25. Kart. EUR 45,00. ISBN 978-90-429-2314-0.

Rezensent:

Bernd U. Schipper

Der hier anzuzeigende Sammelband geht auf eine internationale Konferenz im Jahr 2006 an der Universität Leiden zurück. Er um­fasst elf Beiträge in deutscher und englischer Sprache zu nichttextuellen Zeichen. Dabei handelt es sich um Identitätsmarker oder Markierungen auf Ostraka und Tongefäßen sowie um Landmarkierung oder auch im Monumentalbau verwendete Zeichen. Auch wenn die Markierungen zum Teil durchaus Schriftzeichen aus literarischen Texten ähneln, müssen sie – so die Ausgangshypothese des Bandes – separat behandelt und als »Pseudo-Schrift« oder »Piktogramme« angesehen werden.
Diese Ausgangsthese wird in den einzelnen Beiträgen unterschiedlich umgesetzt. Ein Schwerpunkt liegt auf Material aus dem pharaonischen Ägypten: P. Andrassy befasst sich mit »Teammarken der Bauleute des ägyptischen alten und mittleren Reiches«, D. A. Aston und J. Budka untersuchen in jeweils eigenen Artikeln Markierungen auf thebanischer Keramik (Aston für Material aus dem Tal der Könige und Deir el-Medineh, Budka für Objekte aus dem Asasif [Theben-West]), B. J. J. Haring analysiert Markierungen thebanischer Bauleute auf Ostraka, O. Kaper befasst sich mit Markierungen von Soldaten des Alten Reiches in den westlichen Wüsten, und L. Weiss stellt mögliche Interpretationen der Zeichenfolge auf einem Ostrakon aus Deir el-Medineh vor. Hinzu kommen ein Beitrag zu Landmarkierungen am 4. Nilkatarakt in Meroe (C. Kleinitz), zu Keramik aus Kahun (C. Gallorini) und ein ausgesprochen origineller Beitrag zu mehrsprachigen Zeichenfolgen, der für Alttestamentler interessant ist (L. D. Morenz: »Sakrale Motiviertheit alphabetischer Zeichenwelten bildhaft-kananäisch, meroitisch-hieroglyphisch und eine gräko-ägyptische, hieroglyphische Alphabetschrift«). Das Spektrum wird ergänzt durch Aufsätze zu Material aus dem griechisch-römischen Ägypten (M. Depauw) und aus dem Mittelalter (D. de Vries).
Der Band versteht sich als Präsentation des Materials selbst und will darin Grundlagenarbeit leisten. So spricht zunächst für die Ausgangsthese, dass die einzelnen Zeichen nicht nur auf einem »Textträger« zu finden sind. Spezifische Zeichen sind gleichermaßen auf Ostraka, Keramik und Steinblöcken einer Epoche bezeugt. Ein Durchgang der Abbildungslisten ergibt zum Teil verblüffende Übereinstimmungen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob man das herangezogene Material tatsächlich in einem Atemzug nennen kann. Markierungen von Bauleuten sind auf einer anderen Ebene angesiedelt als Graffiti von Soldaten, die sich (ähnlich Touristen vergangener und heutiger Zeiten) auf Monumenten verewigen. Markierungen zur Landabgrenzung oder zur Mengenangabe auf Handelsgefäßen erscheinen demgegenüber wiederum als eigener Typ.
Insgesamt bietet der Band einen interessanten ersten Einstieg in einen Teil des verfügbaren Materials. Auf Ritzmarken der ägyptischen Frühzeit, auf Zeichen auf Särgen oder Steinmetzzeichen wird nicht eingegangen, so wie auch eine systematische Durchdringung, wie sie beispielsweise F. Kammerzell im Jahr 2009 vorgelegt hat, fehlt. Die Herausgeber weisen jedoch selbst darauf hin, dass die Fragestellung der Leidener Tagung 2006 auf einer Berliner Tagung 2007 weitergeführt wurde. Insofern wird man den von B. J. J. Haring und O. E. Kaper herausgegebenen Band gerne zusammen mit dem von P. Andrássy, J. Budka und F. Kammerzell edierten Sammelband zur Hand nehmen (Non-textual marking sys­tems, writing and pseudo script from prehistory to present times, Lingua Aegyptia, Studia monographica 8, Göttingen 2009). Letzterer ist die Basis für ein Forschungsprojekt, das die Fragestellung des hier zu rezensierenden Bandes grundlegend, in interdisziplinärer Perspektive und auf breiter Materialbasis angeht (vgl. dazu die Projekt­seite http://www.ntms.uw.edu.pl/index.php).