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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

264–266

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Berger, Klaus

Titel/Untertitel:

Priesterweihe auch für Frauen? Überlegungen für die Beibehaltung der ausschließlichen Weihe von Männern in der katholischen Kirche.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2012. 222 S. Geb. EUR 16,80. ISBN 978-3-402-12949-4.

Rezensent:

Walter Dietz

Der nach vorübergehendem, intern wie extern irritierendem Aufenthalt in der evangelischen Kirche voll und ganz heimgekehrte Exil-Katholik und emeritierte Neutestamentler Klaus Berger hat eine dezidierte Stellungnahme zum Thema Frauenordination vorgelegt. In seinem Buch Glaubensspaltung ist Gottesverrat (2006) hatte B. nach eigenem Bekunden »als äußerste Möglichkeit eine Tolerierung der Frauenordination durch die römisch-katholische Kirche wenigstens zart angedeutet« (12; vgl. 210 ff.: der Papst könnte extern ordinierte Frauen kraft seines Amtes »bestätigen«, vorausgesetzt sie »akzeptieren das einheitliche Lehramt«, 211). Diese zart angedeutete Toleranzoption wird nun (2012) von ihrer Kernproblematik her umrissen. Ordination versteht B. dabei als »die sakramental vermittelte Amtsgnade« (19). Der Ordinierte repräsentiert in besonderer Weise Gott bzw. Christus (vgl. Lk 10,16).

Frauen seien zwar zum Dienen qualifiziert (»besonders … an anderen Frauen«, 21), aber nicht zum öffentlichen Lehren. »Das Verbot des Lehrens hängt an 1Kor 14,34« (26, vgl. 45 zu 1Tim 2; und zwar gedacht als Selbstschutz der Frauen vor Entblößung ihrer potentiellen Dummheit, 81; vgl. 86 f.). Es sei aber »nicht so, daß Frauen überhaupt nur still sein müßten«. Prophetische Rede ist erlaubt (vgl. 43 f.). Dieses prophetische Auftreten sei jedoch schon in sich problematisch und ambivalent: »Die Prophetinnen-Existenz war das trojanische Pferd, durch das die Priesterinnen-Würde eingeschleppt wurde.« (39)

»Das paulinische Modell« (1Kor 11; 54 ff.) vertrete eine abgestufte Gottebenbildlichkeit: Gott – Christus – Mann – Frau (62; Frauen sind demnach das »letzte Glied« der Kette (68); niedrigeren Ranges, aber nicht minderwertig (75); keine Diskriminierung oder »Frauenfeindschaft« des Paulus (76; vgl. 83 f. u. 182 mit Verweis auf M. Hauke). Auf »einmalige Weise« könne nur ein Mann Christus repräsentieren (vgl. Lk 10,16; Handeln in persona Christi 69.103.183). »Sollte es zutreffen, dass im Rahmen der natürlichen Schöpfungsordnung das weibliche Geschlecht nicht in der Relation direkter Abbildlichkeit zu Jesus Christus steht, so ist dieses als direkte Repräsentanz im Rahmen der Liturgie nicht geeignet.« (60, vgl. 70). Ohne Frauen irgendwie diskriminieren zu wollen, gehe es Paulus »um äußere Ordnung« (61; vgl. 79: »ausgeprägtes Ordnungsdenken«). Hierzu gehöre auch die Pflicht zur Hauptverschleierung für die Frau (63 f.).

Zum Gottesbild: Gott sei »weder männlich noch weiblich« (89; »vor allem keine Frau«, 218), könne aber durchaus mit weiblichen Attributen beschrieben werden (139.155), wenngleich die »Metaphorik der Männlichkeit Gottes« dominiere (90; vgl. die »Vater-Metaphorik« 91). In der Bibel gehe es weniger darum, die Männlichkeit Gottes zu betonen, als vielmehr das »Nicht-Weibliche« an ihm (91). Frauen seiend keine Engel (113 ff.); Männer zwar auch nicht, stünden aber immerhin »Engeln um eine[n] Hauch näher« (119). Eben um diesen »Hauch« geht es B.: »Der männliche Nachfolger Jesu Christi kann seinen Herrn besonders gut darstellen.« (202) Die Nichtzulassung von Frauen zum geistlichen Amt sei dabei keine »Strafe« (127). Das emanzipiert-forsche Drängen nach Zulassung zum Amt in der Vision der Machtteilhabe beruhe auf einem we­sentlichen Missverständnis des Dienstes, wie B. ganz zu Recht herausstellt (192 f.).

Das Magnificat markiere die dienende Funktion Marias: Sie ist »die Begnadete«, die jedoch nirgends als »Priesterin« bezeichnet wird (130). Mariologisch kann also das Amt gerade nicht begrün-det werden, denn Maria dient einzigartig, gleichsam ›über-‹ oder ›außeramtlich‹.

Dezidiert wendet sich B. gegen die Begründung des geistlichen Amts »aus dem allgemeinen Priestertum« (132 ff.). »Im gesamten biblischen Sprachgebrauch gibt es weder Begriff noch Sache eines allgemeinen Priestertums. Vielmehr ist allgemeines Priestertum ein Widerspruch in sich selbst. Denn Priestertum ist stets etwas Be­sonderes.« (135) Das sogenannte allgemeine Priestertum (vgl. Ex 19,6 f.) ist nicht kultisch oder liturgisch zu verstehen. »[W]o alle Priester sind, ist es niemand mehr. Das ist der konsequente Unsinn der Rede vom allgemeinen Priestertum.« (141) »Ein priesterlicher Charakter kommt (metaphorisch) allen Getauften zu. Ein Pries­teramt jedoch nicht […]« (143).

Daher kritisiert B. konsequent die von Harald Goertz (1997) gelieferte Begründung des Amts (148). »Nach lutherischer Auffassung beauftragt in jedem Fall die Ge­meinde den Pfarrer, nicht der Bischof.« (151) Diese Beauftragung könne auch »per E-Mail oder per Telefonanruf« erfolgen (152; Ordination als »reiner Verwaltungsakt« 161); das Amt wird depraviert.

Im Blick auf das allgemeine Priestertum aller Gläubigen wird man m. E. wohl zugeben müssen, dass dieses Theorem exegetisch auf schwachen Füßen steht (wenngleich es dem Geist des Neuen Testaments voll entspricht), recht verstanden als munus sacerdotale. Entscheidend ist, dass von ihm keine (öffentliche) Verkündigungslizenz ausgeht und das sacerdotium vom ministerium im Kern unterschieden wird (vgl. Luther WA 6,564,11 f.). Leider wird beides oft gleichgesetzt – so auch bei B.: »Ein allgemeines Priestertum aller Gläubigen (oder: Getauften) gibt es insofern nicht, als es kein allgemeines Amt gibt.« (154) Das heißt: »Weil ministerium personal zugespitzt ist, muss es das sacerdotium auch sein.« Aber das ist nicht logisch; hier werden Pferde und Katzen kurzerhand gleichgesetzt.

Freilich bleibt B.s Kritik dennoch richtig, dass das allgemeine Priestertum nicht eine Rechtsinstanz darstellt und deshalb nicht mit »Funktionen des geistlichen Amtes« (vgl. CA 14) aufgeladen werden darf (157). Indem er Goertz (148.157) kritisiert und dessen Amtsverständnis als unbiblisch brandmarkt, trifft B. auch das VELKD-Dokument von 2004 »Ordnungsgemäß berufen«, das in­tern wie extern für große Verwirrung gesorgt und das Luthertum in der Diskussion um gut 30 bis 40 Jahre zurückgeworfen hat (si­cher auch noch hinter den sogenannten Malta-Bericht von 1972)– und zwar im Blick sowohl auf die Selbstklärung als auch auf die ökumenische Gesprächsfähigkeit. Hier vollendete die VELKD (und ähnlich die EKD) ihre zeitgeistkonforme Öffnungs- und Nivellierungsstrategie: Ordination für alle (analog: Ehe für alle usw.). Dieser Meilenstein auf dem Weg der VELKD (2004) weg von der Konsens- und hin zur »Dissensökumene« bedeutete zugleich einen maßgeblichen Schritt in Richtung auf ihre »Selbstversektung«. Die Gefahr einer Profanierung und Bagatellisierung der Or­dination besteht in der Tat, wenn man sie nur noch als Beauftragung innerhalb des allgemeinen Priestertums versteht (gegen CA 5 und CA 14). Aber auch B.s eigenes Amtsverständnis ist ›verdunklungsoffen‹, indem er das Amt ausschließlich in der Liturgie be­gründet sein lässt und diese theateranalog als eine Art Rollenspiel auffasst (als »ein höchst suggestives symbolisches dramatisches Spiel«; 107).

Die ökumenischen Dokumente zur Opferproblematik (z. B. Das Opfer Jesu Christi …, DdK 3 [1983], hrsg. v. K. Lehmann u. E. Schlink) werden von B. konsequent übergangen. Er versteht die Eucharistie im Vollsinn schlicht als »Opfer der Kirche« (97). Auch B.s Position ist somit ökumenisch sicher nicht an­schlussfähig.

Die Begründung der Frauenordination von Gal 3,27 f. her lehnt B. ab, wobei er mit dieser zentralen Belegstelle etwas schnell, vielleicht zu schnell fertig wird (165 ff.). Gal 3,28 intendiere keine »rein formale juristische Gleichschaltung« (168), auch »nicht die liturgische Gleichheit von Mann und Frau« (177), sondern nur »die Äquidistanz zu Christus« (169, vgl. 175). »Die Unterschiede zwischen Mann und Frau wird Paulus auch nicht beseitigt haben wollen.« (170) Die Repräsentation Jesu Christi hängt an dessen Mannsein: »Die Beschneidung, die Taufe und den Tod am Kreuz erleidet Jesus nackt und damit in seiner Männlichkeit klar erkennbar.« (199)

In den Abschließenden Thesen (218 ff.) führt B. aus, dass Frauen nur das prophetische, nicht aber das priesterliche Amt zukommen kann. Eine Frau könne nicht Gott oder Christus, sondern nur die »Gemeinschaft von Menschen« zur Darstellung bringen (219).

Der ganze Text wirkt schnell gestrickt (viele Bibelstellen sind falsch angegeben, zweimal finden sich längere Textdoubletten, am Ende ein alphabetisch fehlerhaft geordnetes Literaturverzeichnis – bei dem man sich wie bei so mancher Seminararbeit fragen kann, wo und wie diese Literatur eigentlich verarbeitet wurde). Im Ton wirkt er auch nicht sehr gediegen und abgewogen, sondern unterschwellig polemisch. Er kann aber auch positiv als katholisch-immanente Selbstvergewisserung im Horizont der urchristlichen und frühkirchlichen Tradition gelesen werden. Der wissenschaftliche Anspruch steht bei B. nicht im Vordergrund, so werden z. B. die Argumentationsfiguren der theologischen Debatte der letzten ca. 60 Jahre nicht ernsthaft behandelt, etwa wird die fundierte Studie von Christine Globig (Frauenordination im luthe­-rischen Kontext; Diss. bei E. Wölfel) von 1992/94 kurzerhand übergangen. Deren Argumentationstiefe und aufarbeitendes Potential (im Blick auf die De­batte des 20. Jh.s: R. Seeberg, E. Wolf, H. Diem, J. Heubach, P. Brunner, E. Schlink, W. Pannenberg, STh III [1993], 425 ff. u. a.) wird nicht erreicht und wohl auch gar nicht angestrebt.

B.s Buch bleibt ein leidenschaftliches Votum, das insoweit jedoch noch »sexistisch« verhaftet ist, als es das Mannsein Jesu zur Bedingung der Möglichkeit seiner effektiven Repräsentation (Lk 10,16) macht. Wenn der oder die Ordinierte aber nicht den irdischen, sondern den erhöhten Herrn (im Sinne von Gal 3,28) repräsentiert, sollte jene Fixierung des Geschlechtlichen (das Mannsein) nicht absolut gesetzt werden (so wenig wie im Vatersein Gottes). Allerdings bleibt es in sich durchaus folgerichtig, wenn B. die Frauenordination als eine zutiefst unordentliche, unredliche und auch traditionswidrige Praxis ablehnt. Dieses Veto ist bei ihm auch nicht willkürlich, sondern gründet in der Praxis Jesu (Zwölferkreis – neues Israel – noch ohne Frauen!) und darin, dass er im Hintergrund von 1Kor 14,34 nicht nur (gut lutherisch) eine Ordnungsfrage, sondern darüber hinaus auch Jesu eigenen Willen und dessen authentische Weisung sieht. Sofern man diese Voraussetzung bejaht, wird man B.s Position nicht als willkürlich oder traditionalistisch abtun können, selbst wenn man sie nicht teilen möchte.