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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

233–234

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Vannier, Anne-Marie [Ed.]

Titel/Untertitel:

La Christologie chez les mystiques rhénans et Nicolas de Cues. Avec le concours du Centre Écritures de l’Université de Lorraine.

Verlag:

Paris: Les Éditions du Cerf 2013. 213 S. m. Abb. = Patrimoines Christianisme. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-2-204-09836-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Zusammen mit dem Centre Écritures de l’Université de Lorraine befasst sich Frau Vannier seit Jahren mit der Theologie von Meister Eckhart und Nikolaus von Kues. So erschienen unter ihrer Leitung Sammelbände zu den Themen Gottesgeburt (2006), Predigt und Kirche (2008), Trinitätslehre (2009) und Schöpfung und Anthropologie (2011) dieser beiden Denker in der Reihe Patrimoines Christianisme. Dieser neueste Band befasst sich mit ihrer Christologie, wo­bei diesmal auch Heinrich Seuse berücksichtigt wird. Der Band enthält zwölf Aufsätze.

M.-A. Vanniers Thema ist Eckharts Christologie, in der sie »une réalité à redécouvrir« sieht. Christus sei der Schlüssel, um seine Predigten verstehen zu können. Dabei gehören Christologie und Anthropologie zusammen, konzentriert in dem Thema Gottessohnschaft (13). Jean Devriendt schreibt über Zugänge zu seiner Christologie in seinem Predigtwerk, vor allem in seiner Predigt auf dem Generalkapitel in Toulouse 1304. Auch in ihr geht es um das Thema der Gottessohnschaft, d. h. darum, dass sich der Christ Chris­tus »anzieht«. Pierre Gire widmet sich der Christologie im Prolog des Johanneskommentars von Eckhart. Yves Meessen erklärt das Thema Inkarnation als ein Phänomen des Seins: Eckhart interpretiert das aristotelische Verständnis von Sein christologisch um: »L’interprétation eckhartienne de l’Etre à partir de la révélation du Verbe présente une métaphysique qui vient réorienter celle d’Aris­tote« (56). Mit dem Thema des Verhältnisses von menschlicher und göttlicher Natur in der Person Christi befasst sich Isabelle Raviolo. Sie betont, dass bei Eckhart die Dualität der Naturen nicht die hypostatische Union verhindert. Der Sohn sei das vollkommene Ebenbild des Vaters: Der Vater und das Wort sind zwei Personen und haben ein Leben und ein Sein ohne Trennung: »Ainsi, même si le Verbe, ou l’image, est substantiellement un avec le Principe de fécon­dité éternelle, sa procession produit toujours une forme de distinction« (77). Das Motiv der Inkarnation sei Ausdruck der unendlichen Wohltaten des Sohnes. Zu den christologischen Fundamenten der Mystik Eckharts in seinen Äußerungen zur Gottesgeburt in der Seele äußert sich Jean Reaidy: Bei Eckhart führt die in­wendige Ge­burt zur Christus- bzw. Gottförmigkeit. Maxime Mauriège legt eine längere Studie vor zu Eckharts Äußerungen zum Wissen Christi. Er sieht vier Arten seines Wissens, das göttliche, das übernatürliche, das einfache wie das der Engel und schließlich das Wissen, das er durch seine Sensibilität erworben hat. Monique Gruber steuert die einzige Studie bei, die sich nicht mit Eckhart oder Nikolaus befasst: Das Bild Christi bei Heinrich Seuse. Ihr geht es um Christus als die ewige Weisheit, zugleich um den leidenden und den verherrlichten Christus, vor allem, wie ihn Seuse in Visionen geschaut hat. Seine Christologie sei nicht nur personal, sondern eminent pädagogisch ausgerichtet (166). Abbildungen zu seinen Visionen sind beigefügt.

Die letzten vier Aufsätze befassen sich mit Nikolaus von Kues. Walter Andreas Euler schließt in seinem Beitrag an das grundlegende Werk zur cusanischen Christologie von Rudolf Haubst an. Eines der Charakteristika seiner Theologie im Allgemeinen und auch seiner Christologie im Speziellen bestehe darin, dass er die metaphysische Spekulation mit der Wahrhaftigkeit des zentralen Zeugnisses der Heiligen Schrift und der Dogmen der Kirche verbindet (176). Die cusanische Christologie sei geprägt vom Johannesevangelium. Jean-Claude Lagarrigue stellt sich dem Problem der Idiomenkommunikation bei Nikolaus. Er ist davon überzeugt, dass für Nikolaus Christus ein Mensch ist, aber nicht ein Mensch wie andere, sondern ein Mensch »par excellence«: »Dire que le Christ est un vrai homme, c’est affirmer qu’il est vraiment un homme, mais c’est dire aussi de lui qu’il est la vérité de l’homme« (185 f.). Klaus Reinhardt erläutert die Empfängnis Christi durch Maria nach den Predigten, die Nikolaus zum Fest der Ankündigung seiner Geburt gehalten hat. Er schließt dabei an seinen Beitrag in dem von M.-A. Vannier 2004 herausgegebenen Band La Naissance de Dieu dans l’âme chez Eckhart et Nicolas de Cues an. Er weist auf, wie Eckhart mit seinen Gedanken über den mystischen Leib Christi auf die Predigten von Nikolaus eingewirkt hat. Er vergleicht die enge Bindung, die Christen mit ihrem Haupt Christus haben: »le Christ, le Cusain explique l’union des fils de Dieu avec le Fils de Dieu par excellence« (199). In einem letzten Beitrag kommt Harald Schwaetzer kurz zu Wort. Er behandelt das Thema der Christiformitas bei Nikolaus, ein Thema, das ihn immer wieder, besonders in seinen Predigten, beschäftigt hat. Damit steht er im Kontext zu seinem Zeitgenossen Thomas a Kempis. Ausgangspunkt dafür ist für Nikolaus Röm 13,14: »Zieht an den Herrn Christus«. Augustin hatte den Begriff geprägt; Nikolaus hat ihn beispielsweise in Sermo CCI aufgenommen (204).

Das Thema wurde nicht ausgeschöpft, aber Spezialuntersuchun­gen wurden erbracht, die man berücksichtigen sollte. Grundsätzlich aber ist zu fragen, ob sich der heute ausbreitende Terminus »Rheinische Mystik« glücklich ist. Der früher gebrauchte Begriff »Deutsche Mystik« ist in Verruf geraten, trifft aber die Sache doch besser. Eckhart ist schließlich Thüringer und hat in Erfurt die erste Hälfte seines Lebens verbracht und gelehrt. Hat sein Ortswechsel an den Rhein seine mystische Verkündigung wesentlich verändert? Es gab nicht nur Zentren der Mystik in Köln und Straßburg, sondern ebenso unter anderem auch in Erfurt und Augsburg.