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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

220–222

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lieu, Samuel N. C., Eccles, Lance, Franzmann, Majella, Gardner, Iain, and Ken Parry

Titel/Untertitel:

Medieval Christian and Manichaean Remains from Quanzhou(Zayton).

Verlag:

Turnhout: Brepols (Ancient Cultures Research Centre, Macquarie University, NSW Australia) 2012. X, 283 S. m. zahlr. Abb. = Corpus Fontium Manichaeorum. Series Archaeologica et Iconographica, 2. Geb. EUR 125,00. ISBN 978-2-503-52197-8.

Rezensent:

Desmond Durkin-Meisterernst

Dieses Buch ist ein Sammelwerk mit Beiträgen von fünf bereits durch herausragende Arbeiten bekannten australischen oder an australischen Universitäten tätigen Autoren – Samuel N. C. Lieu, Iain Gardner, Ken Parry, Lance Eccles und Majella Franzmann – die teils allein, teils in Zusammenarbeit, insgesamt elf Beiträge zu verschiedenen Aspekten der christlichen und manichäischen epigraphischen Zeugnisse in China hier vereint haben. An verschiedenen Stellen wird eine Zusammenarbeit mit Peter Zieme hervorgehoben. Nach mehreren einleitenden Kapiteln bilden ein Katalog christlicher und manichäischer Überbleibsel aus Quanzhou und der südchinesischen Küste, eine Edition lateinischer, chinesischer, uigurischer und Phagspa-Inschriften und wie­derum eine Edition türkischer Inschriften in syrischer Schrift (»Syro-Turkic«) den Kern des Buchs (83–214). Hier und in den anderen Kapiteln wird das Material in farbigen und schwarz-weißen Abbildungen dar­-geboten, und so erhalten wir eine umfangreiche Dokumentation und Bearbeitung dieser wichtigen Quellen in einer beeindruckenden Gesamtdarstellung. Das Buch ist zugleich ein Bericht über ein australisches Projekt von 2002 bis 2009 in der Provinz Fujian der Volksrepublik China.

S. N. C. Lieu würdigt die Leistung von Wu Wenliang (1903–1969), der beim Abbau der Stadtmauer in den 1920er Jahren und im Jahr 1938 zum Vorschein gekommene Steinen mit nicht-chinesischen Inschriften zu retten versuchte. Er notiert auf S. 16, dass Wu glaubte, nur 10 % des Materials gerettet zu haben, das er in einem 1957 veröffentlichten Katalog und in einer Edition erfasste; Wu Youxiong, Wu Wenliangs Sohn, veröffentlichte einen erweiterten Katalog 2005 mit 648 Seiten und mehr als 1000 Abbildungen. Im Gegensatz zum christlichen Material, das größtenteils aus im Fundament der Stadtmauer wiederverwendeten Steinen und selten von Originalstandorten stammt, wurde der manichäische Tempel in situ irgendwann vor 1956 westlich der Stadt aufgrund der Lagebeschreibung in einem Text gefunden. Für alle Funde, manichäische, christliche und muslimische, ist eine Entstehung in der Mongolenzeit festzumachen. Vier Karten machen die Lage der Funde klar, allerdings wird im Text nicht ausreichend Bezug auf sie genommen.

Iain Gardner widmet sich den Franziskanern im Mongolenreich und danach; am Anfang des 14. Jh.s wurde ein Bischofssitz in Zayton (Quanzhou) gegründet. Dennoch galt die Mission eher dem Mongolenhof (58) und nicht den chinesischen Untertanen und so ging das Christentum auch mit dem Ende des Mongolenreichs unter.

Im letzten Beitrag vor dem Katalog geht S. N. C. Lieu auf die Geschichte des manichäischen Tempels südwestlich von Quanzhou ein und zeigt, dass in den 1920er Jahren der Ort eine Wiederbelebung als Zentrum eines lokalen buddhistischen Kults ohne wirklichen Bezug zum Manichäismus erlebt hat, was zu einem weitgehenden Umbau geführt hat. Knapp beschriftete Schalen, das in­zwischen gut bekannte Wandrelief Manis als Buddha des Lichts und eine inzwischen zerstörte Inschrift, von denen der Beitrag Fotografien enthält, ist alles, was dort noch den Manichäismus bezeugt. Zwischen der letzten datierten Nutzung des Tempels durch Manichäer im Jahre 1445 und dem Umbau in den 1920er Jahren gibt es nur eine Angabe, dass die Häupter sechs manichäischer Familien sich am Boxeraufstand beteiligten. Zwei weitere manichäische Schreine der Provinz Fujian werden in Anm. 34 auf S. 73 und einer davon auf dem Foto auf S. 74 präsentiert.

Der Katalog enthält alle christlichen und manichäischen In­schriften auf Stein (und eine Schale C5 auf S. 124) in vier Museen in der Provinz Fujian: dem Quanzhou Museum of the History of Maritime Contacts, dem Anthropology Museum der Universität Xiamen, dem Quanzhou Municipal Museum und dem Jinjiang Municipal Museum. Die Gegenstände erhalten dieselben Bezeichnungen wie im ausführlichen chinesischen Katalog von 2005, die aus einem Buchstaben (›B‹ für christlich, ›C‹ für manichäisch) und einer Ziffer besteht. Die Bezeichnungen gehen von B1 bis B76 und darüber hinaus zwei Zusätze, die nicht im chinesischen Katalog sind, und von C1 bis C15. Jedes Stück ist mit einem Bild (zumeist Fotos, schwarz-weiß oder farbig, aber auch Nachzeichnungen), einer Beschreibung und verschiedenen Angaben versehen. Darauf folgen Behandlungen der Inschriften, zunächst die auf La­tein, Chinesisch, Uigurisch und in Phagspa-Schrift [Phagspa-Schrift ist eine mongolische Schriftart, die u. a. für chinesischen Text verwendet wurde] (Kapitel 7), dann die syro-türkischen (Kapitel 8) und die nestoria­nischen syro-türkischen (Kapitel 9). Die hier verwendeten Abbildungen reichen in der Regel nicht aus, um dem Leser eine selbständige Kontrolle dieser ohnehin schwierigen Texte zu er­möglichen. Auf S. 178 ist davon die Rede, dass Gelehrte den Zugang zu höher auflösenden digitalen Fotos nach Veröffentlichung des Buchs bekommen werden. Von einer Bereitstellung im Internet ist leider keine Rede.

Auf den philologischen Teil folgen noch zwei Kapitel über den indischen Hintergrund und die christliche Kunst. Das Buch enthält ferner eine Bibliographie und einen knappen Index von Eigennamen. S. 283 mit Corrigenda schließt das Buch.

Der knappe Index auf drei Seiten erfasst nicht das Material der Inschriften, das auch sonst nicht in sprachlichen Indizes erfasst wird, so dass man sagen muss, dass eine Hauptaufgabe eines solchen Buchs vernachlässigt wurde. Zumindest in der Form bleibt dieses Buch weit hinter dem Buch von Niu Ruji, La Croix-Lotus. Inscriptions et manuscripts nestoriens en écriture syriaque découverts en Chine (xiie–xive siècles), Shanghai 2010, zurück, das die Autoren nicht gekannt haben und das nicht in der Bibliographie erscheint, obwohl da sonst einige Veröffentlichungen selbst aus 2010/12 (unter Eccles) aufgeführt werden. Auf S. 214 findet sich der Hinweis, dass die Arbeiten im Frühjahr 2009 abgeschlossen wurden. Allerdings in den Details können die Autoren ohnehin Fortschritte gegenüber Niu Rujis in früheren Aufsätzen zu einzelnen Inschriften veröffentlichten Lesungen verzeichnen, die sie eingehend diskutieren, z. B. auf S.181 ff. Hier weisen sie auf die Wichtigkeit der Inschrift B17 als Beleg für die Verbindung zwischen Qo čo (= Gaochang = Turfan) und Quanzhou hin, was natürlich auch durch die uigurische Sprache der Inschrift bestätigt wird. Anlässlich der Inschrift B28 gehen sie auf S. 185 ff. auf die Probleme ein, die durch die Verlegung der Originalsteine mit Inschriften nach Beijing und deren Ersatz durch ungenaue Repliken in Quanzhou verursacht wurden, was ihre eigenen früheren Arbeiten und die von Niu beeinträchtigte. Die hier gebotene Version weicht erheblich von Niu ab und stellt einen wesentlichen Fortschritt dar, obwohl die Autoren auch für ihre Version keine Endgültigkeit reklamieren.

Vor allem findet man in diesem Buch viel mehr Material. Neben der Abbildung wird die jeweilige Inschrift in einer Nachzeichnung der syrischen Schrift, in Transliteration, Transkription und Übersetzung geboten.

Aus alledem geht hervor, dass dieses Buch einen wichtigen, gelungenen und begrüßenswerten Beitrag zur Erforschung des Christentums und des Manichäismus und vor allem der epigraphischen Zeugnisse in China darstellt.