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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

197–199

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Feldmeier, Reinhard

Titel/Untertitel:

Macht – Dienst – Demut. Ein neutestamentlicher Beitrag zur Ethik.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2012. IX, 154 S. Kart. EUR 19,00. ISBN 978-3-16-152195-9.

Rezensent:

Friedrich W. Horn

Das Buch von Reinhard Feldmeier versteht sich, wie der Untertitel sagt, als neutestamentlicher Beitrag zur Ethik, nicht aber als Beitrag zur neutestamentlichen Ethik. Seine Gesprächspartner sind daher breit gestreut: antike und frühchristliche Autoren, mittelalterliche und reformatorische Theologen, Philosophen, gegenwärtige Theologen, Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen. Die neutestamentliche Grundierung ist stets präsent, auch durch Auslegung zentraler Texte; sie erdrückt aber nie durch fachwissen schaftliche Ausarbeitungen. Zu den drei ethischen Topoi hat F. bereits mehrfach je für sich publiziert, insbesondere zur Frage der Macht bzw. der Allmacht. Indem diese Topoi aber hier in einem Band verknüpft und aufeinander bezogen werden, nimmt F. eine seit den biblischen Schriften zentrale theologische Perspektive auf: Machtstreben, Leben auf Kosten des Nächsten und Selbsterhöhung verleiten zur Sünde oder sind Sünde; Dienst und Demut hingegen erscheinen vordergründig als entsagungsvoller Machtverzicht, stellen aber in eine Relation zum Verhalten Gottes und Jesu Christi und lassen daher an deren Machtfülle partizipieren. Dieser Paradoxie, dass der sich Erhöhende erniedrigt und der sich Erniedrigende erhöht werden soll, gilt es nachzuspüren.

F. stellt vor die Ausführungen zu Macht, Dienst und Demut eine Vorrede, das »Vorspiel mit Teufel« (1–11), Überlegungen im An­schluss an die Versuchungsgeschichte Jesu. Ihr zufolge gibt es »eine Macht des Teufels, die den anderen dem eigenen Willen mit Gewalt unterwirft, und es gibt die Macht der Gottesherrschaft, die das Dasein als Mit-Sein versteht […]« (10). »Zwischen diesen beiden Formen der Macht kommt es zu einem Machtkampf, der sowohl in den das Leben Christi deutenden Evangelien wie in den das Leben der Christen deutenden Briefen auf vielfältige Weise vorgeführt wird« (10; vgl. auch 42 f. und 129). Dieser Auseinandersetzung will das Buch nachgehen im Blick auf die Macht Gottes und des Menschen, im Blick auf den rechten Gebrauch der Macht, der sich im Begriff des Dienens verdichtet, und im Blick auf die christliche Haltung der Tugend der Demut. F. möchte zeigen, dass Christus mehr ist als ein Vorbild christlicher Ethik. Er ist Urbild in dem Sinn, dass die Chris­tus Nachfolgenden in der Verbundenheit mit Christus an der Niedrigkeit des Gekreuzigten und an seiner in der Erhöhung übereigneten Machtfülle partizipieren und durch sie getragen werden.

Göttlichkeit und Macht sind in der Antike geradezu Synonyme. Wodurch unterscheidet sich das biblische Gottesverständnis von seiner Umwelt? Gott thront nicht als Bewohner der obersten Häuser über allem, sondern stellt sich dezidiert auf die Seite der Schwachen (19). In der paulinischen und johanneischen Tradition werden daher Gottes Macht und Gottes Liebe verbunden (43). Der sich in der Liebe äußernde Glaube des Menschen, sein Umgang mit der Macht, wird diesem Beziehungswillen Gottes entsprechen und als »dienende Macht« zum Maßstab für den menschlichen Gebrauch von Macht werden (44).

Explizit werden nicht nur der Einzelne, die Ämter und die ge­samte Kirche auf den Dienst als ein Dasein für andere verpflichtet (63), auch wird der Staat an seine dienende Aufgabe erinnert (68–79), »einen Schutzraum für das Gute zu sichern« (74). Die Ausführungen zu Demut fallen in eine Zeit, in der diese »verdächtige Tugend« (86) in öffentlichen Diskursen wieder häufiger und vor allem dezidiert positiv verwendet wird. F. nimmt Demut, ausgehend von dem Hymnus des Philipperbriefs (Phil 2,5–11), als »Sein in Christus« (89–110; vgl. auch 129) auf: »Durch den Philipperhymnus wird also deutlich gemacht, dass der tiefste Grund der Demut die Gemeinschaft mit dem sich erniedrigenden Christus und durch ihn mit dem Gott ist, der im Verzicht auf Alleinherrschaft seine Ehre als Vater erweist« (108). Auch hier wird also die reine Vorbildethik von einer partizipatorischen Christologie abgelöst.

Der Be­griff ταπεινοφροσύνη, zumeist mit Demut übersetzt, begegnet im Übrigen in der antiken Literatur erstmals bei Paulus (Phil 2,3), wird aber keine Wortschöpfung des Apostels sein. Die etwa gleichzeitig einsetzende Verwendung in paganer und jüdischer Literatur kennt ausschließlich eine negative Bedeutung (Kriecherei, Kleinmut, Servilität, Schäbigkeit). Paulus hingegen hat diesen Begriff in eine direkte Beziehung zu Christus gesetzt und ihn »dadurch zu einem Ideal der christlichen Ethik gemacht« (81). »Diese umstürzende Umpolung eines Unwortes zu einem Ideal hat ihren Grund in der paulinischen Kreuzestheologie […]« (82).

F. möchte in einer theologischen Auslegung für eine Ethik werben, die sich auf diese Trias von Macht, Dienst und Demut hin ausrichtet. In einer Aufnahme der Eingangsszene (Vorspiel mit Teufel) lässt er abschließend Mutter Teresa zu Wort kommen: »Wenn es eine Tugend gibt, die dem Teufel Angst einjagt, so sind es Demut und Mitleid« (131).