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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

193–195

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Radebach-Huonker, Christiane

Titel/Untertitel:

Opferterminologie im Psalter.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2010. IX, 276 S. = Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe, 44. Kart. EUR 59,00. ISBN 978-3-16-150433-4.

Rezensent:

Kathrin Liess

Die an der Göttinger Evangelisch-Theologischen Fakultät entstandene Dissertationsschrift von Christiane Radebach-Huonker un­tersucht ausgehend von der Opferterminologie das Opferverständnis der Psalmen und widmet sich damit der wichtigen Frage nach der theologischen Bedeutung des Opfers im Psalter. Die Arbeit ist klar gegliedert. Im Anschluss an die Einleitung (Kapitel 1) folgt im 2. Kapitel (5–32) ein knapper Forschungsüberblick, der von unterschiedlichen Versuchen einer Rekonstruktion des Jerusalemer Tempelkultes in der älteren Forschung (H. Gunkel, S. Mowinckel) bis zu Themen der neueren Psalmenforschung – wie dem Psalter als Ganzem und seinem Sitz im Leben oder die Bedeutung der Jerusalemer Tempeltheologie in den Psalmen – reicht (F.-L. Hossfeld, E. Zenger, H. Spieckermann, B. Janowski u. a.).

Auf den Forschungsüberblick folgt in zwei Hauptteilen die Analyse der Opferterminologie und des Opferverständnisses der Psalmen. Kapitel 3 wendet sich der Terminologie, Kapitel 4 den Texten zu. Kapitel 3 »Opferterminologie im Psalter – materiale Grundlagen« (33–97) bietet einen guten, zum Teil lexikonartigen Überblick über die Bedeutung der Terminologie der Opferarten, über Darbringungsformen (חבז »schlachten«; הלע»hinaufsteigen [lassen]« u. a.) und Anrechnungstermini (ץפח »Gefallen haben«, הצר »wohlgefällig annehmen« u. a.) sowie über die Opfermaterie und den Ort des Opfers. R.-H. untersucht die einzelnen Lexeme in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit in den Psalmen und fragt dabei jeweils nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Opferterminologie im Psalter und in priesterlichen und prophetischen Texten. Zwei Besonderheiten fallen im Hinblick auf Opferart und -materie auf: Zum einen wird die im übrigen Alten Testament wichtigste Opferart, das Brandopfer ( הלוע), in den Psalmen nur selten erwähnt; häufigster Opferterminus ist demgegenüber הדות »Dankopfer, Danklied«, mit dem der Opferanlass hervorgehoben wird (97). Zum anderen spielen nicht-materielle Opfer (R.-H. spricht auch von »entmaterialisierten«, »spiritualisierten« Opfern [96] bzw. von einem »Entmaterialisierungsprozess« [99]) eine wichtige Rolle. Diese Thematik wird hier nur angedeutet, im folgenden Kapitel 4 jedoch wieder aufgegriffen. Besonders bemerkenswert ist bei den nicht-materiellen Opfergaben die Einbeziehung von Körperteilen des Beters, wobei allerdings die Bedeutung und die hebräische Semantik von Opferaussagen wie »ein zerbrochener Geist« oder »ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz« noch präziser geklärt werden könnten.

Im 4. Kapitel »Opferterminologie im Psalter – textliche Grundlagen« (98–217) werden sechs Psalmen untersucht, die exemplarisch die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Opferthematik zeigen: Eine positive Bewertung von materiellen Opfern liegt in Ps 20 und 66 vor; Beispiele für opferkritische Passagen sind Ps 16 mit seiner Kritik am Fremdgötterkult sowie Ps 50, der das Opfer nicht generell ablehnt, jedoch an eine bestimmte innere Haltung des Opfernden knüpft (178). Da in Ps 50 der Opferterminus הדות in der doppelten Bedeutung von »Dankopfer« und »Danklied« erscheint, steht dieser Psalm nach R.-H. an der »Schnittstelle zwischen konkreten und spiritualisierten Opferaussagen« (179). Diese Bemerkung leitet über zu einem Abschnitt über »spiritualisierte« Opferaussagen (Ps 51; 141), in denen eine »Gewichtsverlagerung vom konkreten, materiellen Opfer hin zur inneren Haltung der Beter« erfolge (187). An die Stelle konkreter Opfermaterie treten in Ps 51 der »zerbrochene Geist« und das »zerbrochene, zerschlagene Herz« als Gott wohlgefällige Opfer und »ermöglichen eine unmittelbare geistige Verbindung« zwischen Mensch und Gott (187); nach Ps 141 werden Gebet und Gebetsgestus zum Opfer. Die Analyse der verschiedenen Opferaussagen wird jeweils in eine abschnittsweise Exegese des gesamten Psalms eingebettet und mit Bemerkungen zur Datierung abgeschlossen. Dabei lasse sich – wie R.-H. abschließend festhält – keine Entwicklung von materiellem Opfer in vorexilischer Zeit über opferkritische Passagen hin zu spiritualisierten Opferaussagen in nachexilischer Zeit ableiten, wohl aber seien spiritualisierte Opferaussagen in (exilisch-)nachexilischer Zeit anzusetzen (215 f.). Denn die Ursache der »Spiritualisierung« von Opferaussagen könne, so R.-H., in der Diasporasituation und der damit verbundenen räumlichen Distanz zum Jerusalemer Tempel liegen (213).

Insgesamt bietet Kapitel 4 eine gute und repräsentative Auswahl von Psalmen zur Opferthematik und zeigt die Vielfalt des Opferverständnisses; problematisch bleibt jedoch die Verwendung des Terminus »Spiritualisierung«. Auch wenn R.-H. – im Anschluss an einen kurzen Überblick über die Verwendung des Begriffs »Spiritualisierung« in der Forschungsgeschichte (179–188) – diesen wertneutral, d. h. ohne Evolutionsgedanken, verstehen will (187), bleibt er dennoch mit negativen Implikationen behaftet. So suggeriert der Vorgang der »Spiritualisierung« eine Entgegensetzung von materiell bzw. konkret versus spirituell, die dem alttestamentlichen Verständnis von Opfern nicht angemessen erscheint, be­-inhaltet doch auch ein Kult mit materiellem Opfer Spiritualität. Hier erscheinen neuere Beschreibungsversuche wie die Rede von einer »Metaphorisierung« im Sinne einer »Bedeutungserweiterung ohne Negation des Konkreten« (F.-L. Hossfeld) angemessener, um die theologisch neuen Opferaussagen zu deuten (R.-H. hat diesen u. a. von F.-L. Hossfeld und E. Zenger verwendeten Deutungsansatz zwar zur Kenntnis genommen [vgl. 186, Anm. 418], jedoch nicht für ihre Auslegung fruchtbar gemacht).

Das abschließende Kapitel 5 (218–237) fasst die Ergebnisse der Arbeit übersichtlich und klar strukturiert zusammen und vergleicht die Opferaussagen im Psalter erneut mit priesterlichen und prophetischen Schriften. So wird abschließend noch einmal das Spezifische der Opferterminologie und des Opferverständnisses der Psalmen herausgestrichen. Die Schwerpunktverlagerung vom ma­teriellen Kult zu Gebet und Gotteslob und die damit einhergehende Individualisierung (im Hinblick auf das Gotteslob ist allerdings auch dessen öffentlicher Charakter zu berücksichtigen; s. dazu auch die Studien von B. Janowski zur Dankbarkeit) und »Spiritua­lisierung« des Kultes habe schließlich in Exil und Diaspora »dazu beigetragen, auf den materiellen Kult verzichten zu können« (235). Damit werde – so die abschließende These der Monographie – mit Hilfe der Psalmen »das Fundament für das Überleben des Judentums« in tempelferner und tempelloser Zeit gelegt (237). Leider wird in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die »Spiritualisierung« von Opfertermini in Texten der – fern vom Tempelkult lebenden – Gemeinschaft von Qumran als Parallele zur »Neudefinition des Opferbegriffs« in den Psalmen nicht weiter ausgeführt (s. 235, Anm. 32; vgl. 203 Anm. 499; vgl. dazu auch F. Hartenstein, »Spiritualisierung« oder »Metaphorisierung«? Zur Erforschung der Transformation von Kultbegriffen in den Psalmen, VuF 56 [2011], 52–58). Hier böte sich eine Gelegenheit, die Thesen R.-H.s zur »Spiritualisierung« der Opferterminologie in den Psalmen von anderer Seite zu beleuchten und zu prüfen.

Ein Stellen-, Personen- und Sachregister schließt die Monographie ab, die einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Opfer­-terminologie und der Opferaussagen der Psalmen und damit zur Theologie des Psalters leistet.