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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

191–193

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Mann, Thomas W.

Titel/Untertitel:

The Book of the Former Prophets.

Verlag:

Cambridge: James Clarke and Co. (Lutterworth) 2012. 456 S. Kart. £ 30,50. ISBN 978-0-227-68010-0.

Rezensent:

Jakob Wöhrle

Die von Martin Noth begründete These, dass die Bücher Deuteronomium bis 2. Könige einst ein zusammengehöriges Werk – das sogenannte Deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) – bildeten, gehört zu den Grundfesten der alttestamentlichen Forschung. Die These hat zwar zahlreiche Modifikationen und Präzisierungen erfahren, doch die grundlegende Erkenntnis der Existenz eines DtrG wird nur selten in Frage gestellt.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die These des DtrG schon seit Langem auch Eingang in die alttestamentlichen Lehrbücher gefunden hat. Ein neues Lehrbuch hierzu wurde nun von Thomas W. Mann vorgelegt. Das Buch »The Book of the Former Prophets« behandelt – in Fortsetzung seines im Jahr 1988 erschienenen Bu­ches »The Book of the Torah« – die Bücher Josua bis 2. Könige. Es erklärt die Entstehung und Intention der einzelnen Bücher wie des gesamten Geschichtswerks und zeigt dabei insbesondere die Vielstimmigkeit der in diesem Werk versammelten Traditionen auf.

In der Einleitung des Buches (1–12) geht M. auf die Entstehung des DtrG ein. Er folgt dem im amerikanischen Raum verbreiteten Blockmodell von Frank M. Cross, nach dem das DtrG in einem zweistufigen Redaktionsprozess geschaffen wurde. Nach diesem Modell wurde zunächst in der Josiazeit ein bis 2Kön 23 reichendes Werk erstellt, das dann zur Exilszeit um weitere Traditionen er­gänzt und bis 2Kön 25 erweitert wurde.

Von besonderer Bedeutung ist nun für M., dass die Redaktoren des DtrG für ihr Werk auf zahlreiche vorgegebene Traditionen zurückgegriffen und diese zu einem vielstimmigen Ganzen verarbeitet haben. So finden sich im DtrG Erzählungen mit teils sogar gegenläufiger Tendenz. Beachtenswert ist dabei nach M., dass die Redaktoren des DtrG die verschiedenen, in ihrem Werk verarbeiteten Stimmen nicht aneinander angeglichen haben oder ihrer eigenen Sicht untergeordnet haben. Vielmehr wurden Erzählungen un­terschiedlicher Tendenz häufig schlicht nebeneinandergestellt. Die Spannung zwischen den einzelnen Erzählungen wird nach M. nicht aufgelöst. Sie soll vom Leser des DtrG wahrgenommen wer den. Gerade durch die gegenläufigen Stimmen soll der Leser zu eigener Reflexion über die im DtrG verhandelten Themen angehalten werden.

Der Hauptteil des Lehrbuches (13–379) besteht aus Einzeldarstellungen zu den Büchern Josua bis 2. Könige. In ihnen wird zu­nächst auf die Entstehung der Einzelbücher eingegangen. Es wird sodann eine umfassende, kapitelweise vorgenommene Einzelauslegung der Bücher geboten. Dabei wird – ganz auf der Linie der in der Einleitung herausgestellten Sicht auf die Entstehung des DtrG– vor allem die Vielstimmigkeit der in diesem Werk versammelten Traditionen herausgearbeitet.

So wird etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, bei den Erzählungen über die Entstehung des Königtums in 1Sam 8–12 dargelegt, wie hier pro- und antimonarchische Erzählungen miteinander verbunden wurden. Nach M. wurden die pro- und antimonarchischen Texte chiastisch angeordnet. Den Rahmen bilden die gegen das Königtum gerichteten Erzählungen in 1Sam 8 und 1Sam 12. Von diesem Rahmen her erhält nach M. der gesamte Textkomplex eine eher antimonarchische Stoßrichtung. Doch angesichts der im Zentrum des Textbereichs durchaus auch vorhandenen promonarchischen Texte präsentiert das DtrG eben keine eindeutige Sicht auf die Legitimität des Königtums. Es bleibt vielmehr die Aufgabe des Lesers, sich von den hier belegten Texten her ein eigenes Urteil zu bilden.

Am Ende des Lehrbuchs steht eine umfangreichere Zusammenfassung (380–414), in der die Themen der zuvor behandelten Bücher aufgenommen und von diesen Themen her einige hermeneutische Überlegungen vorgebracht werden. M. behandelt etwa die im DtrG aufgeworfene Theodizeeproblematik. Er geht auf die Frage des freien Willens ein. Und er thematisiert die Frage generationenübergreifender Schuld.

Das von M. vorgelegte Lehrbuch ist zweifellos solide gearbeitet und bringt zahlreiche interessante Überlegungen zur vorliegenden Gestalt und zur Intention des DtrG. Es zeigt dabei, wie redaktionsgeschichtliche Erkenntnisse, die die innere Vielgestaltigkeit der biblischen Texte herausstellen, das Verständnis dieser Texte be­reichern können.

Wirklich Neues sucht man in diesem Buch allerdings vergebens. Es ist weder auf entstehungsgeschichtlicher noch auf theologischer Ebene innovativ. Es ist ein für den amerikanischen Markt verfasstes, auf direkte Verwendung in dortigen akademischen Einführungskursen angelegtes textbook und daher wohl auch nur für ebendiesen Kontext relevant.