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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

188–189

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Patte, Daniel, and Vasile Mihoc[Eds.]

Titel/Untertitel:

Greek Patristic and Eastern Orthodox Interpretations of Romans.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2013. 224 S. = Romans Through History and Culture, 9. Kart. £ 22,99. ISBN 978-0-567-48092-7.

Rezensent:

Friedrich W. Horn

In der von Cristina Grenholm und Daniel Patte herausgegebenen und aus einer SBL-Seminargruppe erwachsenen Reihe Romans Through History and Cultures (2000 ff.) ist das vorliegende Buch bereits als Band 9 erschienen. Zur Darstellung kommt in den vor­-liegenden Bänden die Lektüre des Römerbriefs in der Alten Kirche, durch Augustin, im Mittelalter, in der Reformationszeit, in der Phi­losophie, in der Moderne, in der Gender-Forschung, um nur wenige Beispiele zu nennen. Stets werden drei Perspektiven verfolgt, die abgekürzt in etwa so beschrieben werden können: a) ein analytical frame widmet sich der Aufnahme der Textebene durch die Auslegenden; b) ein contextual frame deren gesellschaftlichem Kontext; c) ein hermeneutical frame deren religiösem Kontext. In der gemeinsamen Arbeit sei zunehmend die Frage wichtig geworden: »Why did I/we choose this interpretation rather than another one?« (Klap­pentext).

Nach einem Band, der die frühchristliche Rezeption des Römerbriefs darstellt, nun ein Band, in dem Greek Patristic and Eastern Orthodox Interpretations zu Wort kommen. Neben etlichen Beiträgen orthodoxer Theologen zu altkirchlichen, vor allem durch Johannes Chrysostomos vorgetragenen Auslegungen des Römerbriefs ist insbesondere auf den einleitenden Beitrag von Vasile Mihoc, »Facultatea de Teologie ›Andrei Saguna‹« (Sibiu/Rumänien) zu verweisen, der in großer Klarheit das Verhältnis von »Greek Church Fathers and Orthodox Biblical Hermeneutics« (1–41) bespricht und gegenüber der westlichen Theologie profiliert. Mihoc lastet die Ignoranz gegenwärtiger Bibelwissenschaft gegenüber der altkirchlichen Auslegung dem Protestantismus an, der das Prinzip sola scriptura einführte und gleichzeitig die Autorität der Väter (»[…] those early bishops who possessed a particular authority in matters of doctrine«) ausblendete (3). Das Sola scriptura-Prinzip sei daher heute wieder aufzugeben (6), da der Inhalt der Offenbarung nicht in vollem Umfang in der Schrift enthalten sei. Darüber hinaus eröffnen die Kirchenväter einen Zugang zur geistlichen Dimension der Schrift, die moderne westliche Kommentatoren nach Mihoc zumeist übersehen. Innerhalb der orthodoxen Theologie werden nun nicht Schrift und Tradition einander gegenübergestellt, sondern wie in einem großen Fluss, dessen Quelle die inspirierte Schrift ist (13), verbunden. Die Orthodoxe Kirche schließt das wissenschaftliche Bemühen um die biblischen Texte nicht aus (15), weist aber das Insistieren auf den bzw. das Stehenbleiben bei dem Literalsinn des Textes zurück (17). Der Heilige Geist nämlich spielt in der Schriftauslegung »a fundamental role« (31), denn er reaktualisiert diesen inspirierten biblischen Text in der Väterauslegung, so dass nicht von einem hermeneutischen Graben, sondern von einer hermeneutischen Brücke zu sprechen ist (18), an die wiederum gegenwärtige Ausleger in ihrer kontemplativen Zu­ wendung zum Text anknüpfen. »We noted that there is no true reading and interpretation of Scripture apart from Tradition; now we must add that Tradition cannot exist without the Church« (23), da außerhalb der Kirche wahre Schriftauslegung nicht denkbar ist. Mihoc erkauft sich dieses glatte Bild der Brückenfunktion allerdings mit einer recht harmonistischen Sicht: »The Holy Fathers avoided novelties in matters of faith. Such an attitude should be an example for our era […]« (30).

Ausführlich spricht Mihoc dann über die Theoria, die Kontemplation: »By contemplating the biblical text in the power of the Holy Spirit, the exegete discovers a spiritual sense beyond the literal meaning intended by the sacred author. It is this spiritual sense that assures the permanent actuality of biblical texts« (19). »Theoria as contemplative vision is therefore as essential for the exegete as it was for the biblical authors themselves« (20). Mihoc verdeutlicht diesen kontemplativen Zugang zur Schrift am Beispiel der Christologie. Innerhalb der westlichen Auslegung bestehe kein Raum für den Gedanken des Supranaturalismus, so dass Forscher sich auf die Suche nach dem historischen Jesus gemacht haben, um letztlich in einer Christologie von unten oder in einer Jesulogie zu landen (21). Diese Christologie habe nichts zu tun mit der Christologie der Kirche.

Daniel Patte gesteht in seinem abschließenden Beitrag zu, dass die Kirchen in Nordamerika von der geistlichen Schriftauslegung orthodoxer Theologie in ihrer eigenen Situation nur lernen könnten. Er beklagt allerdings im Blick auf westliche und östliche Schriftauslegung, dass in der Regel auf beiden Seiten der kontextuelle Charakter (Gesellschaft, Kultur, Politik etc.) der jeweiligen Auslegung ausgeblendet bleibt, so dass die Exegese zur theologischen Selbstisolierung beiträgt.