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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

186–188

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mell, Ulrich [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der eine Gott und die Geschichte der Völker. Studien zur Inklusion und Exklusion im biblischen Monotheismus. M. Beiträgen v. S. Grätz, J. Jeska, D. Pausch, U. Rü­terswörden, M. Vogel u. F. Wilk.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2011. VII, 155 S. = Biblisch-Theologische Studien, 123. Kart. EUR 22,90. ISBN 978-3-7887-2486-3.

Rezensent:

Michaela Bauks

Der Herausgeber präsentiert in diesem Band die Tagungsbeiträge einer interdisziplinär ausgerichteten Projektgruppe (Neues Testament) der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (WGTh) zum Thema »Inklusion und Exklusion im biblischen Monotheis­mus«, welche inhaltlich das Spannungsverhältnis von grenzziehenden und kulturvermittelnden Tendenzen monotheistisch geprägter Kulturen sowie das Verständnis von wahr und falsch und der Übersetzbarkeit der eigenen bzw. fremden Gottesdefinitionen untersuchen (5 f.). Der exilisch-nachexilische Monotheismus, wie er in der Hebräischen Bibel und im antiken Judentum begegnet, wird am Beispiel des Deuteronomiums ( U. Rüterswörden), der Chronikbücher (S. Grätz) sowie des Liber Antiquitatum Biblicarum des Pseudo-Philo (M. Vogel) untersucht. Die pagane Sicht eines hellenistisch-römischen Monotheismus rekonstruiert D. Pausch anhand von Dion von Halicarnassus’ Antiquitates Romanae, die neutestamentliche Sicht wird anhand des lukanischen Doppelwerks (J. Jeska) und der paulinischen Briefe (F. Wilk) untersucht.

Exklusiver Monotheismus deutet sich im Hinblick auf die Völkerthematik in einigen Texten des Deuteronomiums an, wenn z. B. nicht nur die Vorbewohner (‘amîm) und die paganen Nachbarvölker (goyîm), sondern auch die JHWH-Anhänger, die sich nicht an die zentralen Ideale wie die Kultzentralisation halten und anderwärtig als in Jerusalem JHWH-Verehrung betreiben, als gleichermaßen heidnisch angesehen sind (Dtn 12; S. 21 f.). Andererseits stellt Rüterswörden heraus, dass der Umgang mit Fremden innerhalb des eigenen Landes mitunter bemerkenswert tolerant dargestellt ist, wenn z. B. den in das Sozialsystem nicht integrierten Ausländern (< /span>naokry) – anders als im territorial orientierten Heiligkeitsgesetz – der Blutgenuss zugestanden wird (Dtn 14,21; 15,3; 17,15; 23,21; 29,21). Etwas anders ist der Fremde bzw. Beisasse (ger) behandelt, der am Sozial­system wie am Kult wenigstens teilweise partizipiert, wenn er auch nicht zum heiligen Volk zählt und im weiteren Verlauf den Proselyten in sozio-religiöser Bedeutung bezeichnet (26). Die (fremden) Völker sind als Werkzeuge des göttlichen Ge­richts genannt oder als Ort des Vergleichs zitiert, aus dem Israel sich angesichts der Güte seiner Weisung hervorhebt, ohne die Völker vorab zu verdammen. Die Bewertung der Lebensformen ergibt sich seit dem 4. Jh. aus der Öffnung zum Hellenismus in Form des Rechtsvergleichs (vgl. Dtn 4, 5–8; Ps 19; Neh 9,13; Arist § 161.168 f. und Jos Ant 12,110). Es geht nicht mehr um die Absolutsetzung der eigenen Anschauung, sondern um das Abwägen der Güte der verschiedenen Konzeptionen.

Grätz stellt heraus, dass in den Chronikbüchern eine Theologisierung des Völkerthemas vorliegt, die sich an die Zionstheologie Deuterojesajas (und das Heiligtumverständnis der Priesterschrift) anschließt, indem »historisch-kontingentes Geschehen im Rahmen der kontinuierlichen Geschichtsmächtigkeit JHWHs gedeutet und daraus folgend der Tempel in Jerusalem zum eigentlichen Zentrum der Welt« (49) wie der Völker innerhalb eines monotheistischen Konzepts wird. In den Idealprojektionen der Chronikbücher geht es um die ungebrochene Darstellung des gottgegebenen Jerusalemer Kö­nigtums als eines utopischen und für die Zukunft gültigen Entwurfs, wie er bis zum Ende des zweiten Tempels Gültigkeit hat. Ein Konzept, das die römische Tempelzerstörung und deren Konsequenzen reflektiert, untersucht M. Vogel am Beispiel von Pseudo- Philo, einem gnadentheologisch geprägten Gegenentwurf zum 4.Esrabuch, der die Bundestheologie in einen universalen Zusam­menhang stellt und die Geschichte Israels als eine von Gott be­stimmte und gelenkte darstellt. Die Geschichtsnacherzählung, die von der Schöpfung bis zu Saul reicht, präsentiert eine Sammlung von Beispielen für vorhandenes oder auch fehlendes Vertrauen in das Bundeshandeln Gottes an den Menschen. Toravergessenheit und Bundeszweifel werden verantwortlich erklärt für die Lage Is­raels. Zugleich dienen die Geschichten dem Nachweis, dass Gottes Güte unverbrüchlich ist und sich auch in Zukunft fortsetzen wird, was durch intern ausgewiesene Analogien und Verweisungszusammenhänge von Erzählungen verdeutlicht wird (76 f.). Ein Beitrag zur antiken Historiographie und ihren besonderen Strategien findet sich in der Untersuchung der Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos, seiner fiktiven Ableitung der römischen (Kul-tur-)Geschichte aus der griechischen und deren ideologischen Grundlagen, dessen unmittelbarer Beitrag zum gestellten Thema wegen des undeutlichen Religionsbezugs allerdings nicht klar wird (D. Pausch). Geradezu vorbildlich untersucht J. Jeska die Vermittlung des Lukas im Bezug auf die bei Juden, Griechen und Römern verbreiteten Glaubensvorstellungen und deren Auswirkungen für den im Doppelwerk vertretenen inklusiven Monotheismus, der für die verschiedenen Kulturen »den Weg zur Gemeinschaft der Chris­ten zu ebnen versucht« (126). Am Beispiel von Anklängen an den Heroen-, Wundertäter- und Herrscherkult zeigt er, wie Lukas sehr behutsam die diesbezüglichen Glaubensvorstellungen der griechisch-römischen Welt bedient, um sie dann aber einer streng mo­notheistisch geprägten interpretatio christiana zu unterziehen, der nach nicht nur die Glaubensväter (Mose, Elia u. a.), sondern auch Jesus selbst in einem deutlichen Abstand zum einzigen Schöpfergott gezeichnet sind. An dieser Untersuchung wird deutlich, wie wenig inklusiver Monotheismus im Neuen Testament mit synkretis­tischen Gottesvorstellungen im Sinne von Monolatrie gemeinsam hat, was wiederum terminologische Anfragen aufwirft. Der Beitrag von Wilk ist dem Thema des paulinischen Geschichtsentwurfs des einen Gottes mit der Welt gewidmet, wobei Geschichte sich realisiert in der (durchaus eklektischen) Wahrnehmung von Ereignissen, in der Herstellung von Zusammenhängen und ihrer Darstellung (129). Paulus rezipiert das Bekenntnis zu dem einen Gott konsequent vom Chris­tusgeschehen her in Erinnerung an die Universalität des göttlichen Heilshandelns und verpflichtet seine Adressaten deshalb auf die Einheit der Christengemeinde im Rückbezug auf das Evangelium, den Vorgang und Inhalt göttlicher Verkündigung mit zu­kunftsweisender Wirkung (133). Es geht ihm insbesondere um die Erfahrungen, die er als »Apostel« und die Glaubenden als Empfänger und als Zeugen des Evangeliums machen mitsamt dem als Übergangsphänomen wahrgenommenen Widerstand, der ihnen entge­gengebracht wird. Die Botschaft lautet, dass sobald die Herrschaft Christi in der Welt und die Rettung derer, die sich an ihn halten, erfolgt ist, der Sohn die Herrschaft an den Vater übergeben kann (148). Im Vergleich zur lukanischen Botschaft liegt hier ein weitaus exklusiveres Monotheismusverständnis vor, auch wenn das Nebeneinander von Schöpfergott und Sohn weitere Artikulationen nach sich ziehen musste.

Der Band zeigt eine Reihe von Aspekten auf, die die komplizierte Geschichte des Glaubens an den Einen Gott weiter zu erläutern helfen. Die Unterscheidung in inklusiven und exklusiven Monotheismus ist dabei hilfreich, lässt aber auch erkennen, dass die religiösen Verhältnisse in alttestamentlicher und neutestamentlicher Zeit sehr verschiedenen Bedingungen unterliegen, was die Begrifflichkeit mitunter sehr strapaziert. Das mag erklären, wa­rum nicht alle Autoren sich der vorgegebenen Begriffe überhaupt bedient haben.