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Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

170–172

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Lubetski, Meir, and Edith Lubetski [Eds.]

Titel/Untertitel:

New Inscriptions and Seals Relating to the Biblical World.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2012. 336 S. = Archaeology and Biblical Studies, 19. Kart. US$ 39,95. ISBN 978-1-58983-556-6.

Rezensent:

Wolfgang Zwickel

Der Band enthält zahlreiche epigraphisch relevante Aufsätze, die sich fast ausschließlich mit den Funden der Sammlung Moussaieff beschäftigen. Der erste Beitrag (A. Lemaire: »From the Origin of the Alphabet to the Tenth Century B. C. E.: New Documents and New Directions«, 1–20) beschäftigt sich zunächst mit neuen Thesen von B. Sass, der einerseits die Entstehung der Alphabetinschriften nicht vor dem 13. Jh. v. Chr. ansetzen will und andererseits die Byblos-Inschriften, die normalerweise ins 10. Jh. v. Chr. datiert werden, nun im späten 9. oder sogar frühen 8. Jh. ansiedelt. Die Low Chronology, eine von Tel Aviver Archäologen (auch Sass lehrt in Tel Aviv) angeregte Diskussion um eine Herabsetzung der Datierungen um rund 100 Jahre, hat nun auch die Epigraphik erreicht! Lemaire weist die neuen Ansätze jedoch zurück. Er verweist u. a. darauf, dass im 10. Jh. v. Chr. noch immer ein starker ägyptischer Einfluss in der Levante bemerkbar ist. Nach einem kurzen Überblick über weitere Schriftfunde aus dem 12. bis 9. Jh. veröffentlicht Lemaire hier drei neue Pfeilspitzen mit Inschriften und zwei beschriftete Äxte.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Beiträgen beschäftigt sich P. van der Veen (»Gedaliah’s Seal Material Revisited: Some Preliminary Notes on New Evidence from the City of David«, 21–33) mit einer Bulle aus der Grabung in der Davidsstadt in Jerusalem. Diese trägt die Inschrift »Gedaljahu, Sohn des Paschhur«. Er verknüpft die Inschrift mit weiteren Siegeln/Bullen aus Lachisch (»Gedaljahu, der über das Haus gesetzt ist«), aus der Sammlung Moussaieff (»Gedaljahu, der Diener des Königs«) sowie anderen Siegeln. Der Beitrag von L. J. Mykytiuk (»Sixteen Strong Identifications of Biblical Persons [plus Nine Other Identifications] in Authentic Northwest Semitic Inscriptions from be­-fore 539 B. C. E.«, 35–58) ist ein Update einer 2004 veröffentlichten Publikation. Die hier gebotenen Ergebnisse sind nicht unbedingt spektakulär und bieten keine neuen Einsichten. David, Omri, Mescha, Hazael, Ben-Hadad, Sanherib, Tiglat-Pileser, Sargon II., Jerobeam II., Usia, Hadadezer und Ben-Hadad (II./III.) finden sich auf heute allgemein akzeptierten altorientalischen Inschriften, hinzu kommen (in den Augen des Rezensenten mit einer deutlich geringeren Signifikanz) Schafan, Gemarja sowie die Priester Hilkija und Azarja auf Siegeln. Neu aufgeführt werden in diesem Update Juchal, Schelemija, Gedalja und Paschhur. Das alte Problem bleibt aber auch bei diesem Beitrag (und der zu­grundeliegenden Monographie) bestehen: Außer bei Königen ist die Gleichsetzung von Namensmaterial in Inschriften mit biblisch erwähnten Personen in der Regel immer zweifelhaft und nicht absolut überzeugend. R. Deutsch (»Six Hebrew Fiscal Bullae from the Time of Hezekiah«, 59–67) veröffentlicht in seinem Beitrag sechs weitere Fiskalsiegelabdrücke. Hierbei handelt es sich um einen Siegeltyp, der – sofern er voll ausgeführt wurde – eine Jahreszahl (wohl das Regierungsjahr eines Königs), einen Ortsnamen und die Angabe »dem König gehörend« enthält. Die Siegel sollen aus der Zeit Hiskias stammen, wo­bei zumindest von der Jahreszahl her auch Manasse durchaus in Frage kommt. Die Fundstücke sollen aus einer illegalen Grabung in Kegila stammen, bei der über 1000 (!) derartige Bullen gefunden wurden. Damit übersteigt die Zahl der Bullen allein dieser illegalen Grabung diejenige aller sonstigen legalen Grabungen in ganz Israel!

M. Lubetski (»Dml‘: A Seal from the Moussaieff«, 69–82) veröffentlicht ein Siegel aus der Sammlung Moussaieff, das die Inschrft »DML‘, Sohn des PQHYW« trägt. Verwunderlich ist hier das Material: Lapislazuli. Bei Ausgrabungen gefundene Siegel weisen oftmals nicht so hochwertiges Material auf wie diejenigen Siegel, die aus dem Antikenhandel stammen. C. Gottlieb (»Who was Bat Pharaoh, the Daughter of Pharaoh?«, 83–91) beschäftigt sich nicht mit Siegeln, sondern mit dem Ausdruck »Tochter des Pharaos«. Es soll sich bei der Frau, die Salomo geheiratet hat, nicht um die leibliche Tochter eines Pharaos handeln, sondern um eine angesehene Hofdame, die am ägyptischen Hof großgeworden ist und für Salomo den Haushalt führte. Die Angabe ist somit als Titel zu verstehen. A. Lemaire (»New Perspectives on the Trade between Judah and South Arabia«, 93–110) weist auf eine sabäische Inschrift hin, die aufgrund eines in ihr genannten Krieges zwischen Chaldäa und Ionien um 600 v. Chr. datiert werden muss. Sie nennt die Route Dedan – Gaza – Kition sowie als Abzweigung die Städte Judas für den damaligen internationalen Handel. Der Beitrag von K. Abraham (»A Unique Bilingual and Biliteral Artifact from the Time of Nebuchadnezzar II in the Moussaieff Privat Collection«, 129–136) beschäftigt sich mit einem bislang singulären Fundstück, das möglicherweise als Deckel eines Gefäßes verstanden werden kann, das 108 l fasste. Der Ton­-deckel trägt sowohl eine aramäische als auch eine akkadische Inschrift und kann aufgrund des Keilschrifttextes auf das 3. Regierungsjahr Nebukadnezars da­tiert werden. In einem weiteren Beitrag (»Bricks and Brick Stamps in the Moussaieff Private Collection«, 129–136) veröffentlicht sie einen Stempel und eine Tontafel. W. G. Lambert (»A Babylonian Boundary Stone in the Moussaieff Collection«, 137–146) publiziert einen Grenzstein der Sammlung Moussaieff. R. S. Hess (»Katuwas and the Masoretic Text of Kings: Cultural Connections between Carchemish and Israel«, 171–182) vergleicht die Katuwa-Inschrift mit biblischen Texten und stellt fest, dass im syrisch-levantinischen Raum durchaus eine gemeinsame Kultur herrscht. Höchst problematisch ist der Beitrag von Ch. Cohen (»Biblical Hebrew Philology in Light of the Last Three Lines of the Yeho’ash Royal Building Inscription (YI: lines 14–16)«, 243-276). Die von ihm zugrundegelegte Inschrift wird von nahezu allen Forschern als Fälschung angesehen.

Weitere Beiträge sind jüngeren Inschriften gewidmet: A. Lemaire (»A New Inscribed Palmyrene Stone Bowl from the Moussaieff Collection«, 147–155); M. Morgenstern (»Mandaic Magic Bowls in the Moussaieff Collection: A Prelimi­nary Survey«, 157–170). Der Beitrag von M. Lubetski (»Dr. Shlomo Moussaieff’s View of the Nerva Coin«, 277–282) beschäftigt sich mit einer qualitativ erstaunlich guten Münze von Kaiser Marcus C. Nerva, die sich auf einen jüdischen Fiscus beziehen soll, der nach dem Aufstand 66/70 n. Chr. erhoben wurde. Er gibt die Argumente wieder, die Moussaieff selbst bei einem Vortrag des International Meetings der SBL in Rom 2009 gehalten hat.

A. Millard (»Hebrew Seals, Stamps, and Statistics: How Can Fakes Be Found?«, 183–191) setzt sich kritisch mit dem Nachweis von Fälschungen an Siegeln aufgrund statistischer Methoden auseinander. Eine kritische Überprüfung der Argumente führt seiner Meinung nach dazu, dass statistische Untersuchungen zu charakteristischen Merkmalen von Siegeln keine zuverlässigen Ergebnisse bezüglich der Echtheit von Siegeln beibringen können.

Ein weiterer Beitrag, dieses Mal aus der Feder von M. Heide (»The Moabitica and Their Aftermath: How to Handle a Forgery Affair with an International Impact«, 193–241), beschäftigt sich mit Fälschungen, und zwar mit den seit über 100 Jahren als Fälschungen anerkannten Moabitica. Dieser Beitrag gehört, obwohl er sich mit eindeutigen Fälschungen beschäftigt und daher wenig zur Epigraphik der Antike beiträgt, zu den Highlights des Bandes. Hier wird die ganze Forschungsgeschichte zu den Moabitica aufgeführt, und in manchen Punkten fühlt man sich sehr an die aktuelle Diskussion um Fälschungen von archäologischem Material aus Israel er­innert.

Der Band wird beschlossen mit einem Nachruf von M. Lubetski auf W. G. Lambert (»A Teacher, A Colleague, A Friend: William G. Lambert, 1926–2011«, 283–285).

Einerseits ist es extrem wichtig, auch Privatsammlungen zu veröffentlichen. Dies sollte aber in einem in sich einheitlichen und wissenschaftlichen Maßstäben angemessenen Anspruch erfolgen. Dieser wird bei diesem Band nicht immer eingehalten. Zudem sollte bei der Publikation einer Privatsammlung schon aus methodischen Gründen immer wieder erwogen werden, dass es sich um Fälschungen handelt, auch wenn man sich damit beim Sammler nicht beliebt macht. Die Vielzahl an Fundstücken aus dem Antikenhandel wirft die Frage auf, wie zuverlässig solche Artefakte sind. Wünschenswert wäre es, wenn sich die millionen- und milliardenschweren Sammler nicht im Aufkauf von Fundstücken engagieren würden, sondern wissenschaftliche Ausgrabungen und deren Publikation unterstützen würden, damit ein gesicherter Bestand an Artefakten vorliegt. Auch so könnten sie sich für die Nachwelt einen Namen schaffen!