Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2014

Spalte:

271–286

Kategorie:

Literatur- und Forschungsberichte

Autor/Hrsg.:

Heinrich Holze

Titel/Untertitel:

Von Cyprian bis Nicephorus Blemmydes
Neue Editionen patristischer, mediävistischer und byzantinischer Texte in den Sources Chrétiennes 2007–2012

In den vergangenen Jahren sind in den Sources Chrétiennes wieder wichtige Texte erschienen. Sie umspannen den Zeitraum eines Jahrtausends und reichen von den Anfängen lateinischer Theologie in vorkonstantinischer Zeit über die karolingische Renaissance und die monastische Theologie bis hin zur Byzantinistik im 13. Jh. Die Sources Chrétiennes erweisen sich damit erneut als eine wichtige Quellenreihe zur Erschließung christlicher Literatur aus pa­tristischer und mediävistischer Zeit.

1 Lateinische Patristik

Wir beginnen den Literaturbericht in Karthago, wo Bischof Cyprian durch seine Schriften die Einheit und Reinheit der katholischen Kirche in den Umbrüchen der Zeit zu bewahren suchte. Die erste Schrift »De lapsis«1 führt mitten hinein in die Auseinandersetzungen zwischen christlicher Kirche und römischem Reich. Anlass sind die Christenverfolgungen unter Kaiser Decius, die innerhalb der Ge­meinde zu Konflikten zwischen sogenannten Rigoristen und denen, die eine zweite Buße für möglich hielten, führten. Cyprian entwickelt in seiner Schrift ein ekklesiologisches Modell, in dessen Zentrum die Vergebungsvollmacht des Bischofs steht. Die Herausgeber Michael Poirier und Graeme Clarke beschreiben in ihrer Einleitung das afrikanische Christentum in der Mitte des 3. Jh.s, erläutern die Dekrete des Decius und schildern die verheerenden Aus wirkungen der Verfolgungen. Außerdem zeigen sie in einer sprachlichen und stilistischen Analyse des Textes, mit welchen rhetorischen Fähigkeiten Cyprian seinen bischöflichen Auftrag wahrzunehmen verstand. Die Textausgabe beruht auf der kritischen Edition von Maurice Bévenot (CChr.SL 3). Die Herausgeber haben sie mit einem überarbeiteten Apparat sowie Kommentaren und Verweisen in den An­merkungen versehen. Die zweite Schrift »De zelo et livore«2, die wenige Jahre später entstand, behandelt ein ethisches Thema. Es ist ein im homiletischen Stil ge­haltener Brief, in dem Cyprian das in der Gemeinde aufgebrochene Schisma durch Verweis auf das Wirken des Teufels erklärt und an die Christen ap­pelliert, in der Kraft des Geistes zu widerstehen. Auffällig ist, dass die Anfechtungen mit alttestamentlichen Texten, ihre Überwindung aber mit Vorbildern des Neuen Testaments be­schrieben werden. Die Schrift hatte in der frühen Kirche eine große Wirkung, was sich darin zeigt, dass sie von Augustin oft zitiert wird. Cyprian hat sie in Aufbau und Wortwahl mit sorgfältig gewählten sprachlichen Mitteln entworfen und be­legt damit seine rhetorische Bildung. Der Text der Ausgabe be­ruht überwiegend auf der kritischen Edition von Manlio Simonetti (CChr.SL 3A), druckt diese aber nicht unverändert ab, sondern un­terzieht sie im Lichte der Untersuchungen von M. Bévenot und auf der Basis aller bekannten Textzeugen einer kritischen Durchsicht.

Von Laktanz, dem bedeutenden Apologeten in konstantinischer Zeit, ist das sechste Buch aus seiner Schrift über die göttlichen Un­terweisungen, »Divinae institutiones«, anzuzeigen.3 In den be­reits vorliegenden Büchern 1 (SC 326), 2 (SC 337), 4 (SC 377) und 5 (SC 204/ 205) kritisiert Laktanz die paganen Religionen und Philosophien, weist ihre Wahrheitsansprüche zurück und hebt hervor, dass sich Gerechtigkeit in der Welt erst mit der Erkenntnis Gottes durchsetzen werde. Buch 6 knüpft daran an. Laktanz nimmt das Bild von den beiden Wegen, die entweder in die Verderbnis der Welt oder in die himmlische Herrlichkeit führen, und bezieht es auf die Gottesverehrung. Er verwirft die heidnischen Opfer wegen ihrer Veräußerlichung und lenkt den Blick auf die sittliche und geistliche Di­mension der Hingabe, weil diese allein dem Wesen Gottes entspreche. Damit bereitet er das Thema des 7. Buches vor, das den Ge­dankengang abschließend von der Vollendung im seligen Leben handelt. Herausgeberin der kritischen Textausgabe ist Christiane Ingremeau (Maine/USA), die sich bereits mit ihrer Edition von »De ira Dei« (SC 289, Paris 1982) als kenntnisreiche Interpretin des Laktanzschen Werkes gezeigt hat. In ihrer Einführung analysiert sie die literarische Struktur der Institutiones und zeigt, dass Laktanz die Bücher wie in konzentrischen Kreisen aufeinander bezieht und dadurch in einer inneren Ordnung strukturiert. Außerdem bietet sie eine Analyse der zahlreichen literarischen Bezugnahmen, unter denen die auf Cicero und Seneca herausragen. Damit erhellt sie den Anspruch gelehrsamer Bildung, der das Werk insgesamt kennzeichnet.

Von Ambrosius wird dessen Traktat »Über Jakob und das glück­selige Leben«4 vorgelegt. Wie bei der »Apologie Davids«, die in den Sources Chrétiennes bereits erschienen ist (SC 239), handelt es sich um eine Schrift, die aus mehreren Homilien des Mailänder Bischofs hervorgegangen ist und die Spuren ihres mündlichen Ursprungs noch erkennen lässt, durch die Überarbeitung aber zu einer literarischen Einheit zusammengewachsen ist. Herausgeber ist Gérard Nauroy (Metz), der sich durch seine Veröffentlichungen als Kenner des ambrosianischen Œuvre gezeigt hat. In der vorliegenden Ausgabe legt er das Traktat, das von Karl Schenkl 1897 (CSEL 32,2) erstmals ediert wurde, in einer textkritischen Neubearbeitung vor. Inhaltlich kreist die Argumentation dieses Traktates, das in Am­brosius’ letztem Lebensjahrzehnt mitten in den Ausein andersetzungen mit Kaiser Theodosius entstanden ist, um die Theologie des Römerbriefs. Auffällig ist, dass Ambrosius dabei nicht nur an das 4. Buch der Makkabäer anknüpft, wobei er die jüdischen Heroen zu christlichen Märtyrern werden lässt, sondern auch das Traktat Plotins »Über das Glück« aufgreift und ihn gewissermaßen christianisiert. Nauroy bietet in seiner Einleitung eine eingehende Analyse der exegetischen Methode des Mailänder Bischofs. Ambrosius geht es demnach nicht nur darum, die Chris­ten anzusprechen, sondern auch Heiden und Juden einzuladen, sich der Gnade Christi zu öffnen. Zugleich erinnert er seine Leser an die Grundlagen menschlicher Lebensführung, an die Bedeutung der Vernunft bei der Suche nach Weisheit und an die Freiheit des menschlichen Willens angesichts des Bösen. Auf diesem Hin­tergrund beschreibt er den schwierigen Weg des Glücks, der sich nicht in den vergeblichen Erfüllungen dieser Welt, sondern nur dann finden lässt, wenn der Christ beständig danach strebt, über die Grenzen seiner zerbrechlichen Existenz hinaus die Einheit des Seins in Christus zu suchen.

2 Griechische Patristik


Zu den großen Werken der griechischen Patristik gehört der Rö­merbriefkommentar des Origenes.5 Mit ihm nimmt die lange Reihe der Auslegungen dieses paulinischen Briefes, die die Ge­schichte der Kirche durchziehen, ihren Ausgang. Der Kommentar des Alexandriners wird hier in einer vierbändigen Ausgabe vorgelegt. Da die griechische Fassung, die Origenes gegen Ende seines Lebens um 243 in Caesarea geschrieben hatte, nur in wenigen Fragmenten exis­tiert, muss die Rekonstruktion des Kommentars auf die lateinische Übersetzung zurückgreifen, die Rufin Anfang des 5. Jh.s in Aquileja angefertigt hat. Die kritische Edition dieses Textes durch C. P. Hammond Bammel in der »Vetus Latina« (1990–1998) liegt der vorliegenden Ausgabe zugrunde. Luc Brésard hat den lateinischen Text ins Französische übersetzt sowie mit Anmerkungen und einem Bibelstellenregister versehen. In der Einleitung gibt Michel Fédou einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Römerbriefkommentars. Dabei geht er auch auf die Frage ein, in welcher Weise die lateinische Rezeption des griechischen Textes dessen Verständnis ver-ändert hat. An der Deutung von Sünde und Rechtfertigung zeigt Fédou, dass Rufin, indem er mit der Übersetzung des Kommentars auf die pelagianischen Kontroversen seiner Zeit Einfluss nehmen wollte, Origenes durchaus in seinem Sinne interpretiert habe. Dennoch werde das theologische Anliegen des Alexandriners in der lateinischen Übersetzung deutlich erkennbar. Es zeige sich am Schriftgebrauch und in der Interpretation des Gesetzes, in der heilsgeschichtlichen Deutung Israels und der Völker, in der Betonung des freien Willens wie in den Ermahnungen zu einer christlichen Existenz im Geheimnis Gottes. Mit seiner Übersetzung habe Rufin zur Verbreitung der Schriften des großen Alexandriners im Abendland beigetragen und zudem den mittelalterlichen Schriftgebrauch durch patristische Impulse wesentlich beeinflusst.

Literarisches Neuland bietet eine bislang unbekannte Schrift des Euseb von Caesarea, die unter dem Titel »Fragen und Antworten über die Evangelien«6 neutestamentliche Exegesen versammelt. Herausgeber ist Claudio Zamagni, der mit der vorliegenden Edition die Ergebnisse seiner Dissertation (Paris 2004) veröffentlicht. Darin unternimmt er auf der Basis griechischer und syrischer Textzeugen eine Rekonstruktion des nicht mehr erhaltenen Gesamttextes und versieht diese mit einer französischen Übersetzung. Die Besonderheit des eusebianischen Werkes beruht darauf, dass es in einer Frage-Antwort-Struktur entworfen ist und damit in der frühen Christenheit eine neue Form der biblischen Exegese begründete, die in den folgenden Jahrhunderten viele Nachfolger finden sollte. Der vorliegende Text gliedert sich in zwei ursprünglich selbständige Teile. Während sich der erste Teil, der an einen Stephanos gerichtet ist, mit den Anfängen der Evangelien, vor allem ihren genealogischen Abschnitten, beschäftigt, wendet sich der zweite Teil, der die Fragen einem Marinos in den Mund legt, den Auferstehungsberichten zu. In seiner Auslegung greift Euseb sowohl auf die literale als auch auf die allegorische Deutung zurück, womit er – wie Zamagni betont – zwischen Antiochien und Alexandrien zu stehen kommt und nicht allein dem Origenismus zugerech- net werden kann. Die literarische Absicht sei didaktisch und ziele auf die innerchristliche Unterweisung ab, möglicherweise habe Euseb aber auch die apologetische Auseinandersetzung mit paganer Kritik am Christentum im Blick gehabt.

In die spät- bzw. nachkonstantinische Zeit fallen die unter dem Pseudonym des Justin geschriebenen »Apologetischen Werke«.7 Sie belegen die große Wertschätzung, die dem frühchristlichen Märtyrer und Apologeten noch Anfang des 4. Jh.s zuteil wurde. Es handelt sich um drei Schriften: a) »Cohortatio ad Graecos«, worin gegen die pagane Philosophie polemisiert, die Überlegenheit der jüdischen Tradition herausgestellt und damit die Aufforderung verbunden wird, sich zur christlichen Wahrheit zu bekehren; b) »Oratio ad Graecos«, worin ein hochstehender Konvertit seine Abwendung vom heidnischen Kult und den Übertritt zum Christentum begründet; c) »De Monarchia«, eine vermutlich ursprünglich jüdische und erst nachträglich christianisierte Schrift, die eine Sammlung von Tes­-timonien griechischer Dichter und Philosophen enthält, die den christlichen Monotheismus bezeugen sollen. Alle drei Texte zeigen auf unterschiedliche Weise die apologetische Grundhaltung der christlichen Theologie in der frühen reichskirchlichen Zeit, die auf das große Vorbild des 2. Jh.s zurückgriff. Auf der Basis aller zugänglichen Manuskripte werden sie von Bernard Pouderon (Tours) erstmals in einer kritischen Edition herausgegeben und mit einer in­struktiven Einleitung versehen, die die Texte in die Zeit einordnet.

Mitten hinein in die trinitarischen Lehrauseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des 4. Jh.s führen die vier Bücher »Contra Eunomius«8 des Gregor von Nyssa. Sie sind veranlasst durch die arianische Trinitätstheologie des Eunomius, Bischof von Cyzicus. Dessen Schriften, in denen das Homoousios des Nizänum verwor-fen wurde, riefen Basilius von Caesarea auf den Plan und veranlass­ten ihn zu der Gegenschrift »Contra Eunomium« (SC 299/305). Nach dem Tod seines Bruders führte Gregor von Nyssa diese Auseinandersetzung weiter. In seiner gleichnamigen Schrift setzte er sich mit dem Neo-Arianer auseinander. Von seinem großen, vier Bücher umfassenden Werk wird in den vorliegenden beiden Bänden das erste Buch vorgelegt. Die Textfassung beruht auf der kri­-tischen Edition von Werner Jaeger (GNO I,1). Raymond Winling (Strasbourg), der auch die französische Übersetzung angefertigt hat, beschreibt in seiner Einleitung den zeitgeschichtlichen und biographischen Kontext und schließt eine eingehende inhaltliche Analyse der Schrift an. Im ersten Buch behandelt Gregor in 42 Ab­schnitten die in der Auseinandersetzung mit den Arianern strittigen Aspekte der Trinitätslehre. Zu diesen gehörte die Vorstellung, dass allein Gott-Vater ungezeugt, der Sohn aber von einem anderem Wesen als der Vater sei. Während Eunomius diese Gedanken mit der Annahme einer Hierarchie göttlicher Seinsweisen begründete, lehnt Gregor eine wesenhafte Unterscheidung ab, weil sie eine Unterordnung des Sohnes und des Geistes unter Gott-Vater zur Folge habe. Die Argumentation ist, zumal wenn die gegnerische Position beleuchtet wird, kämpferisch, bisweilen polemisch. So wirft Gregor Eunomius sophistische und manichäistische Tendenzen vor, obwohl dieser davon nicht weniger weit entfernt war als Gregor selbst. Was die eigene theologische Position betrifft, bekräftigt Gregor die Wesenseinheit der Trinität und betont, dass das, was dem Vater eigen sei, auch dem Sohn gebühre, auch wenn der Vater nicht der Sohn und der Sohn nicht der Vater ist.

Amphilochius, Bischof von Iconium, war mit Gregor von Nyssa und den beiden anderen Kappadoziern freundschaftlich verbunden. Mit ihm tritt ein Theologe in den Blickpunkt, der in der Antike als Prediger hoch geachtet war, in der Folgezeit aber nahezu in Vergessenheit geriet. Die vorliegende Edition will zu seiner Wie­derentdeckung beitragen. Deswegen werden alle Predigten, Briefe und Textfragmente, die von Amphilochius verfasst oder ihm zugeschrieben werden, auch unter Einschluss der in ihrer Echtheit umstrittenen Texte, berücksichtigt. 9 Der Herausgeber Michel Bonnet (Grenoble) hat seiner Ausgabe die textkritische Edition von Cornelis Datema (CChr.SG 3) zugrunde gelegt, sie jedoch nicht nur einer erneuten Durchsicht unterzogen, sondern sie um weitere Schriften des Amphilochius ergänzt, darunter auch solche aus der syrischen Textüberlieferung. Die Einleitung erörtert zunächst biographische Fragen, die Ausbildung zum Rhetor, die Neigung zum monastischen Leben, die Weihe zum Bischof. Sodann werden die Konfliktlinien im Streit um den Arianismus aufgezeigt, insbesondere die große Bedeutung, die Basilius für Amphilochius hatte und die ihn zu einem Verteidiger seines theologischen Erbes werden ließ. Das spiegelt sich auch in den hier abgedruckten Homilien, die nicht nur Abschnitte der Evangelien im Zyklus des Kirchenjahres behandeln, sondern sich auch mit der arianischen Lehre polemisch-kritisch auseinandersetzen. Wie die Lektüre zeigt, sind die Homilien von hoher sprachlicher Qualität. Sie zielen darauf ab, bei Hörern und Lesern eine starke emotionale Wirkung hervorzurufen, und haben diese, wie die antike Rezeptionsgeschichte mit ih­ren pseudepigraphischen, Amphilochius zugeschriebenen Schriften zeigt, wohl nicht verfehlt. Mit der vorliegenden Edition hat der Herausgeber eine hervorragende Grundlage für die »relecture« dieses neunizänischen, kappadozischen Theologen ge­schaffen.

In der langen Reihe altkirchlicher Geschichtsschreiber und Chronisten bildet die Kirchengeschichte des Euagrios Scholastikos das letzte bedeutende Werk dieser Gattung. Anknüpfend an die Arbeiten seiner Vorgänger, die das Werk des Eusebios von Caesarea weitergeführt hatten, bringt der Anwalt und Jurist aus Antiochien in seinem Werk eine Darstellung der Geschichte der Kirche, die vom frühen 5. Jh. bis in die eigene Gegenwart im Ausgang des 6. Jh.s reicht. In der vorliegenden Ausgabe werden die ersten drei Bücher aufbauend auf der textkritischen Edition von Joseph Bidez und Léon Parmentier (London 1898) mit französischer Übersetzung und Kommentar dargeboten. 10 Im Zentrum stehen die Lehrauseinandersetzungen, die in der Mitte des 5. Jh.s im Umfeld der Konzile von Ephesus (431/449) und Chalkedon (451) die kirchenpolitische Szene prägten. Nach einem Prolog, der den historischen Anspruch und das methodische Vorgehen erläutert, beschreibt Evagrios den Konflikt zwischen Nestorius von Konstantinopel und Cyrill von Alexandrien, der neben der theologischen auch eine persönliche Dimension hatte und den christlichen Orient tief spaltete. Eine Sonderrolle spielten die Mönche, die sich auf beiden Seiten kämpferisch hervortaten, aber auch, wie die Styliten zeigen, eine besondere Form christlicher Askese hervorbrachten. Für Euagrios ist die kirchliche Geschichte untrennbar mit der politischen Geschichte, insbesondere der Geschichte der Kaiser, verbunden, die darum in seiner Darstellung einen gewichtigen Platz einnimmt. Gay Sabbah (Lyon) weist in seiner Einführung auf den gepflegten, anspruchsvollen altgriechischen Sprachstil hin. Charakteristisch ist vor allem die Verarbeitung zahlreicher antiker Quellen, darunter kaiserliche Dekrete, konziliare Akten, bischöfliche Enzykliken und Briefe, was die Kirchengeschichte des Euagrios zu einer geschichtlichen Quelle von außerordentlichem Rang macht.

3 Byzantinische Theologie


Zu den bedeutendsten byzantinischen Theologen des 7. Jh.s gehört Maximus Confessor, der aus vornehmem Hause stammend zunächst am Hofe von Kaiser Heraklios arbeitete, sich dann aber dem monastischen Leben zuwandte und zu einem Verfechter der Orthodoxie wurde. Sein Kampf gegen Monotheleten und Monophysiten führte ihn in ein rastloses Leben, das ihn von Ort zu Ort und schließlich in die Verbannung führte. Dass er freilich weit mehr vermochte als theologisch zu fechten, zeigen seine »Fragen an Thalassios«11, in denen er sich als ein Bibelexeget von hohem Rang erweist. Der Text der vorliegenden Ausgabe beruht auf der kritischen Edition von Carl Laga und Carlos Steel (CChr.SG), die durch Françoise Vinel (Strasbourg) mit einer französischen Übersetzung versehen wurde. In der Einführung erläutert Jean-Claude Larchet (Strasbourg) die Entstehungsumstände des um 630/34 geschriebenen Textes, als sich Maximus auf der Flucht vor den Persern in einem Kloster nahe Karthago aufhielt. Dort sei er einem gewissen Mönch Thalassios begegnet, der ihm insgesamt 55 Fragen zum Verständnis schwieriger Texte der Heiligen Schrift und der dogmatischen Lehrüberlieferung vorlegte. In seinen Antworten erweist sich Maximus in der Tradition der alexandrinischen Schule und der drei Kappadozier als ein subtiler Kenner der allegorischen Auslegungsmethode, durch die es ihm gelingt, aus völlig unterschiedlichen thematischen Bausteinen eine kohärente Deutung der göttlichen Heilsgeschichte und des geistlichen Lebens zu entwickeln. Diese Deutung hatte auf die Theologie der byzantinischen Kirche, insbesondere auf Johannes von Damaskus, prägenden Einfluss. Durch die Übersetzung der »Fragen an Thalassios« ins Lateinische durch Johannes Scotus Eriugena im 9. Jh. wurde die geistliche Theologie des Maximus auch im Abendland rezipiert.

Johannes von Damaskus schließt in der orthodoxen Tradition die Reihe der großen Kirchenväter ab. Mit der Schrift »Expositio fidei«12 hat er ein Werk vorgelegt, mit dem sich der Anspruch verbindet, das theologischen Erbe der Antike für die Gegenwart zu überliefern. Die literarischen Bezüge in den insgesamt 100 Kapiteln, in denen die Väterlehre entfaltet wird, umfassen sieben Jahrhunderte und reichen von Irenäus, den Kappadoziern und Johannes Chrysostomus bis hin zu Maximus Confessor. Die Veranlassung zu dieser Schrift liegt in den Zeitumständen, dem im Orient dominierenden Islam. Johannes selbst war, wie sein Vater und sein Großvater, ein hoher Beamter beim Kalifen von Damaskus. Mit dessen zunehmend antichristlicher Haltung aber wandte er sich vom politischen Leben ab und konvertierte zum Mönchsleben, trat ins Sabaskloster ein und wurde vom Jerusalemer Bischof zum Pries­ter geweiht. In der zweiten Lebenshälfte verfasste er sein theo­logisches Werk, das auf die Verteidigung und Darlegung der altkirchlichen Tradition zielt. Bei den beiden vorzustellenden Bänden handelt es sich um den dritten Teil eines Werkes, das unter dem Titel »Quelle der Erkenntnis« zunächst eine vom Neuplatonis­mus ge­prägte philosophische Einleitung in die Dogmatik gibt (Teil 1), dann eine Darstellung verschiedener Häresien bietet (Teil 2), und schließlich in 100 Kapiteln die Lehre der griechischen Kirchenväter entfaltet (Teil 3). Die Themenreihe dieses dritten Teils be­ginnt mit der Trinitätstheologie, der Kosmologie und der An­thropologie (SC 535) und führt über die Christologie und die Sakramentenlehre zur Eschatologie (SC 540). Pierre Ledrux legt als Herausgeber seiner Ausgabe den kritischen Text, den Bonifatius Kotter in den Patris­tischen Texten und Studien (PTS 12, Berlin 1973) vorgelegt hatte, zugrunde. Diesem stellt er eine Übersetzung sowie eine Kommentierung zur Seite, die in den Anmerkungen die literarischen An­spielungen und Querverweise herausarbeitet. Außerdem bietet er in der Einführung eine detaillierte Analyse des theologischen Ge­haltes der Schrift und zeigt, dass Johannes mehr als nur Sammler der Tradition war, dass er dieser Tradition vielmehr eine ganzheitliche Gestalt gegeben hat. Mit der vorliegenden Edition wird die »Expositio fidei« des Johannes hervorragend er­schlossen und mit ihr ein Text, der nicht nur das Vätererbe aufzeichnet, sondern mit ihm auch den Weg zu den großen Synthesen des lateinischen Mit­telalters, insbesondere zur Summa des Thomas von Aquin, öffnet.

4 Frühmittelalter


Von der Lebenszeit noch ganz der Alten Kirche zugehörig und doch bereits an der Schwelle zum Christentum des lateinischen Mittelalters steht Bischof Hilarius von Poitiers. Weil er durch seine offene Kritik des Arianismus Kaiser Konstantius herausforderte, wurde er für einige Jahre aus seiner gallischen Heimat nach Kleinasien verbannt. Dort schrieb er als Anhänger der Nizäner die dogmengeschichtlich bedeutsame Schrift »De trinitate« (SC 443, 448, 462), kehrte dann aber wieder nach Poitiers zurück und vermittelte dort die östliche Trinitätstheologie dem lateinischen Denken. Hilarius war nicht nur bekannt als theologischer Gelehrter. Auch als Pre­-diger genoss er große Anerkennung. Ein Zeugnis davon gibt der »Tractatus super Psalmos«, bei dem es sich um den ersten lateinischen Psalmenkommentar handelt, der möglicherweise aus Ho­milien, die Hilarius als Bischof gehalten hat, hervorgegangen ist. 13

Der vorliegende Band, der die Auslegung der Psalmen 1–14 enthält, beruht auf der kritischen Edition von Jean Doignon (CChr.SL 61, Tournhout 1997). Patrick Descourtieux (Paris) hat sie mit einer Übersetzung und einer Einleitung versehen, die das Psalmentraktat biographisch verortet und theologisch kommentiert. Die große Bedeutung dieses Traktates an der Schwelle von der griechischen Antike zum lateinischen Abendland zeigt sich an seiner Wirkungsgeschichte. Sie reicht von Hieronymus und Augustin über Cassio dor und Alkuin bis hin zu Hinkmar von Reims und Petrus Lombardus. Hilarius nennt keine Vorbilder, auf die er sich bezieht, erhebt vielmehr den Anspruch, die Schrift allein aus sich selbst und damit durch Christus auslegen zu wollen. Descourtieux weist je­doch nach, dass Hilarius in der Entfaltung seiner Methode durchaus Vorbilder kennt. Unter ihnen nimmt Origenes einen herausragenden Platz ein, was die Bedeutung des Alexandriners zeigt. Die großen Themen der alexandrinischen Theologie klingen auch in diesem Traktat an und finden dadurch Eingang in das lateinische Denken: die Stellung des Menschen in der Welt, die Willensfreiheit, die Hinwendung zu Gott im Gebet, das Streben nach geistlicher Vollendung, das sakramentale Leben der Kirche, der trinitarische Gott als Ursprung und Ziel der Heilsgeschichte. Hilarius erweist sich damit auch in seiner Psalmenauslegung als Mittler zwischen östlicher und westlicher Theologie.

Aus der Feder des Bischofs Alcimus Ecdicius Avitus, der an der Wende zum 6. Jh. im südgallischen Vienne wirkte, stammt die Schrift »De consolatoria castitatis laude«14. Dabei handelt es sich um eine Lobrede auf die Jungfräulichkeit, die Avitus seiner Schwes­ter, der Nonne Fuscina, gewidmet hat. Mit ihr stellt er sich nicht nur in die altkirchliche Tradition der die virginitas verherrlichenden Schriften. Wie die Herausgeberin, Nicole Hecquet-Noti (Genf), in der Einleitung zeigt, reflektiert Avitus auch die Stellung der Jungfrau in der antiken Gesellschaft. Die Entscheidung zum Leben als Jungfrau wird demnach zu einem Akt weiblicher Emanzipation in einer patriarchalischen Gesellschaft, weil sie der Frau ermöglicht, sich unter Verweis auf die geistliche Vermählung mit Chris­tus den Zwängen der Ehe zu entziehen. Damit steht Avitus in einer langen Reihe anderer Schriften der Alten Kirche. Während diese jedoch das Thema der Jungfräulichkeit im Genre des Traktates, der Hagiographie, des Briefes und der Homilie behandelten, hat Avitus die Sprache der Poesie, des Gedichtes, gewählt, um für sein Thema zu werben. Seine literarische Absicht ist es, anknüpfend an die Person der Fuscina, deren asketischer Lebensweg exemplarisch vorgestellt wird, die der Welt entsagenden Jungfrauen zu erbauen, ihnen sodann anhand biblischer Vorbilder, insbesondere Marias, paränetische Wegweisung zuteilwerden zu lassen und schließlich den Blick auf das künftige Leben in vollendeter Seligkeit zu richten. Für die Edition dieses poetischen Lobliedes weiblicher Askese hat Ni-cole Hecquet-Noti, die in den Sources Chrétiennes von Avitus be­reits »De spiritalis historiae gestis« (SC 444/492) herausgegeben hat, un­ter Heranziehung aller zugänglichen Manuskripte eine textkri­tische Fassung erstellt, die in Verbindung mit einem begleitenden Kommentar sowie einer gelungenen Übersetzung diese wichtige Schrift leicht erschließt.

Mit der Edition der Vita des Cäsarius von Arles, deren Entstehung in die Mitte des 6. Jh.s fällt, wird eine weitere wichtige Quelle aus der Völkerwanderungszeit vorgelegt.15 Entstanden wenige Jahre nach dem Tod des Bischofs von Arles, gibt die Vita aufschluss­reiche Einblicke in die politischen Veränderungen und Umbrüche unter Burgundern, Westgoten und Franken. Buch I ist chronologisch aufgebaut, setzt mit der Geburt ein, es folgt die Hinwendung zum klösterlichen Leben in Lérins und schließlich das Wirken als Bischof von Arles. Cäsarius wird als ein geschickter Organisator geschildert, der die katholische Kirche gegen politische Übergriffe verteidigt und die Bevölkerung in Notzeiten tatkräftig unterstützt. So wird erzählt, dass er sich dafür eingesetzt habe, Christen, die während der Belagerung von Arles in gotische Gefangenschaft geraten waren, wieder freizukaufen. Zugleich aber wird er als ein Bischof gezeigt, der in den Debatten um die Gnadenlehre das theologische Erbe Augustins standhaft verteidigt. Buch II der Vita folgt keiner erkennbaren Ordnung, besitzt anekdotischen Charakter und berichtet wunderhafte Ereignisse aus dem Leben des Cäsarius. Das hagiographische Interesse prägt die Darstellung. Die Vita ist, wie an verschiedenen Stellen deutlich wird, das Gemeinschaftswerk mehrerer Personen, darunter auch Bischöfe. Der individuelle Anteil lässt sich nicht mehr bestimmen, deutlich ist aber der Anspruch der Autoren, die Texte als Augenzeugen geschrieben zu haben. Die Herausgeber, Marie-José Delage (Northampton) und Marc Heijmans (Aix-Marseille), bieten in ihrer Einleitung eine detaillierte Nachzeichnung des Lebensweges des Cäsarius und stellen seine Bedeutung für die Bewahrung der Kirche in der Völkerwanderungszeit sowie für die Rezeption augus­tinischer Theologie im Abendland heraus. Im Unterschied zu den Werken des Bischofs von Arles sind von der Vita Caesarii nur we­nige Ma­nuskripte erhalten, deren Wirkungsgeschichte entsprechend ge­ring ausfällt. Kri­-t ische Editionen der Vita wurden erstmals von B. Krusch in den Mo­numenta (MGH.SRL 3, Hannover 1896) und auf erweiterter Quellengrundlage von G. Morin in den Sancti Caesarii episcopi Arelatensis Opera omnia Vol. 2 (Maredsous 1942) veröffentlicht. Letztere wurde – mit kleineren Korrekturen – dieser Ausgabe zugrunde gelegt. Die Herausgeber haben ihr eine französische Übersetzung zur Seite gestellt und damit diese wichtige Schrift einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Von Gregor dem Großen sind drei Fortsetzungseditionen anzuzeigen. Zunächst sind die in der Frühzeit seines Pontifikates gehaltenen Evangelienhomilien zu nennen.16 Nach den Predigten 1–20 (SC 485) werden nun die Predigten 21–40 (SC 522) vorgelegt. Wie im ersten Band wird der lateinische Text unverändert in der von Raymond Étaix (CChr.SL 141, Tournhout 1999) edierten Fassung übernommen. Die Übersetzung hat Georges Blanc erstellt. Die Kommentierungen gehen auf Bruno Judic (Tours) zurück, der in den Sources Chrétiennes (SC 381/382) bereits die Regula Pastoralis herausgegeben hat. Mit dem vorliegenden Band liegen die Evangelienhomilien Gregors vollständig vor. In seiner Einleitung zeichnet Judic ihre Entstehungsgeschichte nach. Der erste Teil ist in den Jahren 590/591 und der zweite Teil in den Jahren 591–593 entstanden. Vermutlich hat Gregor diese Predigten selbst gehalten oder hat sie halten lassen, so dass sie auf eine mündliche Entstehung zurückgehen. Als Adressaten werden die Mönche der klösterlichen Gemeinschaft, der Gregor vor seiner Wahl zum Papst angehörte, erkennbar. Sie werden als »fratres carissimi« angesprochen, was zeigt, dass er ihnen auch im päpstlichen Amt verbunden blieb. Während die in Band 1 veröffentlichten Homilien 1–20 den Weih­-nachts- und Osterfestkreis behandeln, setzen die Homilien 21–40 mit Ostern ein (Perikopen vom leeren Grab, Erscheinungen des Auferstandenen), es folgen Himmelfahrt und Pfingsten sowie die sogenannte festlose Zeit des Kirchenjahres. In seinen Predigten behandelt Gregor vor allem Abschnitte aus dem Lukas- und dem Johannesevangelium. Im Unterschied zu den in Band 1 gedruckten Predigten sind das Markus- und das Matthäusevangelium kaum vertreten, was sich aus der altkirchlichen Perikopenüberlieferung erklärt. Auf jeden Fall geben sie einen plastischen Einblick in die homiletische Praxis dieses bedeutenden Kirchenlehrers und zeigen ihn als einen lebendigen Prediger, dem es gelingt, die biblischen Texte in einer nacherzählenden, dem Wortsinn nachspürenden, allegorisch geprägten Auslegung zum Sprechen zu bringen.

An zweiter Stelle ist die Fortsetzung von Gregors Hiob-Kommentar anzuzeigen. Von den 35 Büchern des Kommentars sind in den Sources Chrétiennes bisher die Bücher 1–2 (SC 32 bis), 11–14 (SC 212), 15–16 (SC 221) und 28–29 (SC 476) erschienen. Nunmehr liegen auch die Bücher 30–35 vor.17 Der lateinische Text beruht – mit kleinen Korrekturen – auf der von Marc Adriaen verantworteten Edition im Corpus Christianorum (CChr.SL 143b, Tournhout 1979/ 2005). Die französische Übersetzung wurde von den Mönchen des Klosters Notre-Dame de Wisques angefertigt. Herausgeber ist Adalbert de Vogüé (Sainte-Marie de la Pierre-Qui-Vire), Nestor der französischen Mönchtumsforschung. In seiner Einführung be­schränkt er sich auf eine kurze Darstellung des Gedankenganges der edierten Texte, nimmt darin jedoch Überlegungen auf, die er in den vorangehenden Textbänden entwickelt hatte. Gregors Exegese ist von der origenistischen Tradition des mehrfachen Schriftsinns geprägt. In einer Zeile für Zeile vorgehenden Exegese geht er in einer assoziations- und bildreichen Sprache sowohl auf die gött­-liche Heilsgeschichte als auch auf die moralischen Pflichten des christlichen Lebens ein. Hiob wird unter Rückgriff auf die augustinische Theologie als Symbol Christi und seines Leibes, der Kirche, gedeutet. Die göttliche und die menschliche Natur Christi werden bei Gregor zum Inbegriff der Verbindung von kontemplativem und aktivem Leben, das allen Christen, besonders aber den kirch-lichen Amtsträgern in der Nachfolge Christi aufgetragen ist. Mit seiner Auslegung gibt Gregor den Christen in den Umbrüchen seiner Zeit geistliche Wegweisung. Das macht seine Bedeutung aus, die weit darüber hinaus auch die mittelalterliche Frömmigkeit und Theologie geprägt hat.

Schließlich hat auch die Edition der Briefsammlung Gregors eine Fortsetzung gefunden. Nach den Bänden I.1 (SC 370) und I.2 (SC 371) liegt nun der zweite Band mit den Büchern III (Briefe 1–65) und IV (Briefe 1–44) vor.18 Der Text beruht – mit nur wenigen Korrekturen – auf der kritischen Edition, die Dag Norberg nach Vorarbeiten (Critical and exegetical notes on the letters of St. Gregory the Great, Stockholm 1982) im Corpus Christianorum (CChr.SL 140, Tournhout 1982) vorgelegt hat. Marc Reydellet (Haute-Bretagne) hat die Übersetzung und die kommentierende Einführung verfasst. Die im vorliegenden Band veröffentlichten Briefe sind zwischen September 592 und August 594 entstanden, als die Langobarden ihren Einfluss in den Süden Italiens ausdehnten und für mehrere Monate Rom belagerten. In den Themen der Briefe spiegeln sich die Turbulenzen dieser Zeit. Sie bedeuteten für die römische Kirche eine enorme Gefährdung, zumal der formal noch immer herrschende byzantische Kaiser seinen Einfluss auf Mittelitalien verloren hatte. Wir erfahren, dass Gregor mit Königin Theodelinde Kontakt aufnahm, um ein Friedensabkommen mit den Langobarden zu schließen. Gregor verfolgte dabei vor allem das Interesse, die Eigenständigkeit der römischen Kirche zu verteidigen, verstand sich aber auch als Anwalt der Bevölkerung und ihrer Probleme. Innerhalb der Kirche ging es ihm erkennbar darum, den Vorrang des Bischofs von Rom über die anderen Bischofssitze durchzusetzen, weswegen er in seinen Briefen immer wieder auf Bischofswahlen in Italien, Sardinien und Afrika eingeht. Wie sehr er sich als Hirte seiner Kirche verstand, zeigt sich daran, dass er den Christen geistliche Wegweisung gab und die Aufrechterhaltung der sittlichen Disziplin anmahnte. Die Briefe Gregors wurden – wie bei amtlichen Schreiben üblich – von der päpstlichen Kanzlei redigiert. In Themensetzung und Sprache eröffnen sie gleichwohl Einblicke in seine Persönlichkeit und zeigen das Denken und die Interessen dieses großen römischen Bischofs an der Schwelle zum Frühmittelalter.

Aus der Zeit der karolingischen Renaissance stammen zwei Bibelkommentare über das Buch Ruth, die in der mediävistischen Forschung bisher kaum Beachtung gefunden haben. Geschrieben wurden sie von zwei Schülern Alkuins, dem großen Gelehrten am Aachener Hof, von Hrabanus Maurus und Claudius von Turin.19 Beide Kommentare sind trotz mancher Übereinstimmungen of­fen­bar unabhängig voneinander entstanden. Ob sie auf eine ge­meinsame Quelle zurückgreifen, muss offen bleiben. Alkuins Einfluss zeigt sich darin, dass beiden Kommentaren die an der Aachener Hofschule übliche Auslegungspraxis zugrunde liegt, die Bi­beltexte Zeile für Zeile zu deuten, dabei aber die Väterüberlieferung heranzuziehen und durch Fragen der Schüler und Antworten des Lehrers zu erläutern. Das geschieht noch nicht in der Begrifflichkeit der Scholastik, die gleichwohl später an diese Kommentare anknüpfen wird. Auch spielt der literale Sinn des Textes nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist die allegorische Deutung, welche die Namen, Zahlen und Ereignisse zu Symbolen für die Hinwendung der Völkerwelt zu Christus werden lässt. Das geschieht in einer meditativen Grundhaltung, die erkennen lässt, dass die beiden Autoren ihre Auslegung auf den gottesdienstlichen Gebrauch in der lectio divina ausgerichtet haben. Leider werden beide Kommentare nicht in einer kritischen Edition vorgelegt. Pierre Monat (Franche-Comté), der in den Sources Chrétiennes die »Göttlichen Unterweisungen« des Laktanz herausgegeben (SC 326, 337, 377, 204/5, 509) und an der Edition der »Kirchengeschichte« des Beda Venerabilis (SC 489–491) mitgewirkt hat, greift für die vorliegende Ausgabe auf bereits vorliegende Drucke zurück. Der Kommentar des Hrabanus Maurus, von dem es nur ein einziges Manuskript gibt, wird aus Migne (PL 108) übernommen, der Kommentar des Claudius von Turin wird in einer Fassung abgedruckt, die I. M. Douglas 1974/75 vorgelegt hat. Mit dieser Einschränkung eröffnen die beiden Kommentare zu Ruth, die der Herausgeber mit einer instruktiven Einleitung und einer Übersetzung versehen hat, wichtige Einsichten in die frühmittelalterliche Bibelexegese in der Zeit der karolingischen Renaissance.

Auch das Traktat »De institutione laicali« entstand in karolin-gischer Zeit. Er wurde am Anfang des 9. Jh.s von Bischof Jonas von Orléans geschrieben, um den im Bistum herrschenden Grafen Matfried von Orléans in christlicher Lebensführung zu unterweisen.20 Thematisch knüpft er darin an Schriften an, in denen er ebenfalls Themen von Ethik und Moral behandelt (SC 407). Bei dieser Schrift handelt es sich jedoch um eines der ersten frühmittelalterlichen Traktate, die sich ausschließlich an Nichtkleriker richten. Die bislang vorliegende Ausgabe dieses Traktates stammt aus dem frühen 18. Jh. und wurde ohne Änderungen aus Migne (PL 106) übernommen. Eine textkritische Edition hat nun Odile Dubreucq (Paris) mit ihrer Dissertation über »De institutione Laicali« vorgelegt. Unter Aufnahme der derzeit bekannten neun Manuskripte un­terscheidet sie zwei Textfassungen, die auf unterschiedliche Phasen der Niederschrift zurückgeführt werden können. Der kritischen Edition, von der im vorliegenden Band der erste Teil (Bücher I–II,16) veröffentlicht wird, liegt die Letztfassung zugrunde, deren Vorgeschichte in den Anmerkungen nachgezeichnet wird. Dem bischöflichen Autor geht es mit seiner Schrift darum, seinen gräflichen Adressaten – stellvertretend für alle aus dem Laienstand kommenden Leser – darüber zu unterrichten, wie das christliche Leben in der Welt geführt werden solle. Das Traktat gliedert sich in drei Kapitel, von denen das mittlere das Leben der Laien ins Zentrum stellt. Jonas ermahnt zu einem Leben aus dem Gebet, das in der Taufe begründet ist. Die Eltern werden aufgefordert, ihre Kinder nach christlichen Grundsätzen zu erziehen. Die weltliche Ob­rigkeit wird ermahnt, im Geiste der Liebe Christi zu dienen, statt zu herrschen, und gegenüber allen Menschen Gerechtigkeit zu praktizieren. Umrahmt wird der Abschnitt von zwei Kapiteln, in denen Jonas die Stellung des Menschen in der Heilsgeschichte be­schreibt, zur Nachfolge Christi auffordert und den Blick auf die Vollendung im ewigen Leben richtet. Auffällig ist, dass der Bischof von Orléans den Laien eine Priestern und Mönchen durchaus vergleichbare Würde zuerkennt. Er begründet seine Gedanken mit zahlreichen Zitaten aus der Bibel und der patristischen Tradition. Die Herausgeberin erschließt die Bezugnahmen in den Anmerkungen und zeigt damit, wie in diesem Traktat aus spätkarolingischer Zeit die Renaissance der Laien, die im Hochmittelalter zur Blüte gelangen wird, allmählich Gestalt gewinnt.

5 Hochmittelalter


Der vollständigen Ausgabe der Werke Bernhards von Clairvaux gilt in den Sources Chrétiennes die besondere Aufmerksamkeit (Œuvres complètes). In den vergangenen Jahren sind unter anderem die Predigten über das Hohelied, die Vita Malachiae und mehrere Traktate veröffentlicht worden. Von der umfangreichen Briefsammlung Bernhards wurden bereits zwei Bände mit 90 Briefen vorgelegt (SC 425, 458). Der hier anzuzeigende dritte Band führt diese Edition mit den Briefen 92–163 weiter.21 Der lateinische Text wird wie bisher unverändert aus der von Jean Leclercq und H. Rochais erstellten kritischen Ausgabe (Sancti Bernardi Opera Vol. 7, Rom 1974) übernommen. Als Herausgeber haben Gaston und Monique Duchet-Suchaux dem Text eine Übersetzung zur Seite gestellt. Der Abdruck der Briefe folgt keiner chronologischen Ordnung, freilich heben sich nach Adressaten und Themen bestimmte Briefgruppen heraus. Zahlreiche Briefe behandeln Fragen des monastischen Lebens, andere richten sich an ratsuchende adelige Frauen, wiederum andere nehmen auf das klösterliche Leben in England Bezug. Im Zentrum der Sammlung stehen die Briefe, die Bernhard in den Jahren des Papstschismas geschrieben hat. Sie zeigen den Abt von Clairvaux als Theologen und Kirchenpolitiker, der sich voller Überzeugung in den Konflikt einschaltete und mit dem Nachdruck seiner Argumente versuchte, den von ihm favorisierten Papst Innozenz II. zu stützen. Die Herausgeber erläutern in ihrer leider sehr kurz geratenen Einleitung die Ereignisse des Schismas und fügen eine chronologische Skizze der Ereignisse ein, die das Verständnis und die Einordnung der Briefe erleichtert.

Weiterhin sind Predigten Bernhards anzuzeigen, deren Edition in SC 496 (Paris 2006) begonnen wurde und mit den vorliegenden zwei Bänden abgeschlossen wird.22 Dabei handelt es sich um Predigten, die zu unterschiedlichen Anlässen gehalten wurden. Der lateinische Text ist mit dem der kritischen Werkausgabe (Sancti Bernardi Opera Vol. 4–6, Rom 1966–1972), die von Jean Leclercq, Henri Rochais und Ch. H. Talbot verantwortet wurde, identisch. Neu hinzugefügt wurden die von Pierre-Yves Émery (Taizé) erarbeitete Übersetzung sowie die von Françoise Callerot (Abtei Notre-Dame des Gardes) verfassten kommentierenden Anmerkungen. Bernhard hat diese Predigten nicht veröffentlicht und wohl auch nicht mehr überarbeitet. Nach Form und Inhalt bieten sie eine große Spannweite, die Einblicke in die »homiletische Werkstatt« des großen Zisterziensers erlauben. Bernhard richtet sich in ihnen an die Brüder in Clairvaux, die er bisweilen auch direkt anspricht, hat aber darüber hinaus alle Christen im Blick. Indem er in seinen Predigten vom Gnadenwerk Christi und der Weisheit Gottes, von den Tugenden und den Versuchungen, von der Auslegung des Psalters und des Evangeliums, von der Wachsamkeit des Herzens und vom unablässigen Gebet spricht, entfaltet er das für sein Denken charakteristische Themenspektrum asketisch-mystischer Theologie.

In einem weiteren Predigtband haben die Herausgeber unter dem Titel »Sermons Variés« zehn Predigten in lockerer Folge zu­sammengestellt.23 Im Unterschied zu den eingangs genannten Predigtbänden haben die hier abgedruckten Predigten allerdings einen Bezug zum Kirchenjahr bzw. zum Heiligenkalender, beginnend mit Advent und Epiphanias, gefolgt vom Fest der Bekehrung des Apostels Paulus. Zwei Homilien wurden am Fest des Heiligen Viktor, eines Eremiten in der Champagne, gehalten, eine weitere Predigt fällt auf den Festtag des Heiligen Benedikt. Andere Predigten meditieren den Willen Gottes, seine Barmherzigkeit und die Gaben des Heiligen Geistes. Den Abschluss bildet eine Homilie über den Heiligen Malachias, den irischen Bischof und Förderer der Zisterzienser, dem Bernhard eine hagiographische Vita widmete (SC 367). Bernhard hatte auch diese Predigten nicht für die Öffentlichkeit vorgesehen, doch geben sie gerade darum gute Beispiele seines vom klösterlichen Leben geprägten monastischen Denkens.

Von besonderer Bedeutung ist Bernhards Schrift »Gottesdienst für Sankt Viktor«24. Es handelt sich dabei um das einzige liturgische Werk, das der Abt von Clairvaux verfasst hat. Gewidmet hat er es dem Andenken des heiligen Victor von Arcis-sur-Aube († 640), von dem nur wenig mehr bekannt ist, als dass er sein Leben als Einsiedler verbrachte und im Benediktinerkloster Montiéramey bei Troyes bestattet wurde. Nach seinem Tod wandte sich der Konvent mit der Bitte an Bernhard, ein Stundengebet zum Gedächtnis des Verstorbenen zu schreiben. Dem Schreiben war eine von den Mönchen verfasste Vita des Eremiten beigelegt. Wie Gérard Dubois in der Einleitung zeigt, kam Bernhard der Bitte des Konvents gerne nach, weil der Asket für ihn ein Vorbild mönchischen Lebens war. Tatsächlich trug er mit seiner Gedächtnisliturgie dazu bei, die Erinnerung an den heiligen Viktor zu bewahren. Im Martyrologium Romanum wird seiner am 26. Februar gedacht. Claire Maître (Paris) macht in ihrer musikhistorischen Einführung darauf aufmerksam, dass Bernhards Schrift noch aus einem anderen Anliegen zu verstehen ist: dem Streben der Zisterzienser nach einer ur­sprünglichen und einfachen Liturgie. Das zeigt sich darin, dass Bernhard die Liturgie für Viktor auf die nächtlichen Gebete mit Vesper, Vigil, Nokturn, Canticum und Laudes konzentriert, während er die Tagzeitengebete Prim, Terz, Sext und Non nur beiläufig streift. Claire Maître hat die kritische Edition des »Officium Sancti Victoris Arremarensis« völlig neu erstellt, konnte dabei jedoch an den Text von Jean Leclercq in den Sancti Bernardi Opera Vol. 3 (Tournhout 1963) anknüpfen. Die anderen Texte wurden unverändert der Werkausgabe entnommen. Über die textliche Darstellung hinaus unternehmen die Herausgeber auch eine musikalische Rekonstruktion des Stundengebets. Auf der Basis des im Faksimile abgedruckten Manuskriptes von Troyes (12. Jh.) bietet die Ausgabe eine Partitur der Liturgie. Um eine Vorstellung davon zu geben, wie der Gottesdienst für Viktor einst geklungen haben mag, ist dem Band eine CD beigelegt, die mit der Einspielung der Liturgie durch die Schola der Abtei von Hauterive in Dijon (»Les Ambrosiniens«) ein eindrucksvolles Hörerlebnis vermittelt.

Aus der Schule Bernhards stammen zwei ganz unterschiedliche Schriften. An erster Stelle stehen die »Fragmenta de vita et miraculis S. Bernardi«, die unmittelbar nach dem Tod Bernhards von seinen Schülern und Verehrern Gaufridus von Auxerre und Raynaud von Foigny geschrieben wurden.25 Bei diesen Texten handelt es sich um die ältesten erhaltenen biographischen Zeugnisse Bernhards. Als solche bieten sie Einblicke in das Leben und Wirken des großen Mönchsvaters, vor allem aber in dessen spätere Deutung. Die Überlieferung beruht auf dem einzigen noch erhaltenen Textmanuskript, das von Raffaele Fassetta (Abtei Notre-Dame de Ta­mié) in einer neu erarbeiteten kritischen Edition herausgegeben wird. Kennzeichnend für die Fragmenta, die in der Tradition der mittelalterlichen Vitenliteratur stehen, ist ihr hagiographischer Charakter. Der vermutlich von Raynaud von Foigny geschriebene, nur wenige Seiten umfassende Teil enthält Erzählungen über Ge­burt, Familie und Jugend Bernhards. Im ausführlicheren zweiten Teil, der auf Gaufridus zurückgeht, folgen Episoden, die von Wundertaten, Krankenheilungen, Bekehrungen, Träumen, Visionen, Prophetien und Erscheinungen handeln. Bei allen Unterschieden geht es beiden Verfassern nicht um die Nachzeichnung historischer Geschehnisse, sondern um den Erweis göttlichen Wirkens im Leben des großen Mönchsvaters. Die Leser sollen religiös erbaut und zugleich die Vorbereitungen zur Kanonisierung Bernhards getroffen werden. Darauf lassen die zahlreichen Analogien zu biblischen Erzählungen schließen. Sie zeigen Bernhard als einen barmherzigen Diener, als Freund des Friedens und vom Geist er­füllten »Mann Gottes«, in dem die Christusgeschichte ihre Fortsetzung findet. Mit diesen Gedanken geben die Fragmenta einen wichtigen Einblick in die Frömmigkeitswelt des hohen Mittelalters.

An zweiter Stelle ist der Kommentar des Römerbriefes von Wilhelm von Saint-Thierry (1085/90–1148/49) anzuzeigen.26 Auf der Ba­sis des von Paul Verdeyen SJ (Anvers) herausgegebenen kritischen Textes (CChr.CM 86 A, Turnhout 1989) werden in dem anzuzeigenden ersten Teilband die Bücher I–III, welche die Kommentierung der Kapitel 1–6 des Römerbriefs enthalten, vorgelegt. Wilhelm war einer der bedeutendsten Kirchenschriftsteller seiner Zeit, stand als Schüler und Freund Bernhards von Clairvaux je-doch lange Zeit im Schatten des großen Mönchsvaters. Von seinen geistlichen Schriften, die früher zum Teil Bernhard zugeschrieben wurden, liegen in den Sources Chrétiennes bereits der Hoheliedkommentar (SC 82), der Brief an die Brüder von Mont-Dieu (SC 223), das Traktat »Der Spiegel des Glaubens« (SC 301), meditative Gebete (SC 324) sowie das Traktat über die Betrachtung Gottes (SC 61) vor. In den ersten Kapiteln seines Römerbriefkommentars richtet Wilhelm den Blick auf die Themen Sünde und Gericht, er deutet das Verhältnis Adam und Christus und entfaltet Gedanken zur Bedeutung der Taufe für das tägliche Leben des Christen. In seiner Einführung erläutert der Benediktiner Yves-Anselme Baudelet, der mit einer Arbeit über die geistliche Erfahrung bei Wilhelm von St. Thierry (Paris 1985) promoviert wurde, die Bedeutung dieser Paulus-Auslegung, deren Merkmal es sei, dass sie aus der monas-tischen lectio divina erwachse. Er zeigt, dass es Wilhelm nicht um eine rationale (scholastische), sondern um eine spirituelle (kontemplative) Erkenntnis geht. Diese gründe in der Erfahrung der Gnade, führe auf einen geistlichen Lebensweg und werde in der mystischen Vereinigung mit Gott vollendet. Wie der Schriftindex zeigt, knüpft Wilhelm immer wieder an Origenes, Augustin und Ambrosius an, er zitiert ihre Schriften und unterstreicht damit, dass er keine neue Theologie entfalten, sondern die Väterüberlieferung zum Sprechen bringen will. Damit bietet er ein eindrucksvolles Beispiel für eine monastische Theologie, die im 12. Jh. weit verbreitet, wie der Konflikt mit Abaelard zeigt, aber nicht mehr unumstritten war.

Eine Neuentdeckung ist die in den 1130er Jahren entstandene Schrift »Gegen den Schismatiker und Häretiker Heinrich«, die von Monique Zerner (Nizza) in den Sources Chrétiennes erstmals kritisch ediert wird.27 Diese Schrift, die nur in einem Manuskript des späten 12. Jh.s erhalten ist, trägt als Verfassernamen einen gewis-sen »Guilelmus Monachi«. In der vorliegenden Edition kann dieser Mönch Wilhelm mit dem Erzbischof von Arles († 1141) identifiziert werden, der in seiner Schrift die Aufgaben des priesterlichen und des bischöflichen Standes und ihres sakramentalen Dienstes am Leben der Laien (Kindertaufe, Ehe, Letzte Ölung) auf dem Hintergrund einer sich zunehmend klerikal verstehenden Kirche behandelt. Mit der Edition dieser Schrift ist eine zweite Schrift verbunden, die einen fast gleichlautenden Titel trägt: »Gegen die Häretiker und Schismatiker«. Tatsächlich besteht zwischen beiden Schriften of­fenbar ein Zusammenhang. Möglicherweise hat der unbekannte Verfasser, dessen Sprache an Bernhard von Clairvaux erinnert, die Schrift Wilhelms zur Vorlage genommen und diese überarbeitet und erweitert. In zwölf Kapiteln werden die Geistlichen zu einem Leben in Gehorsam und Bescheidenheit aufgefordert, zugleich werden sie ermahnt, wie die Sakramente der Taufe, der Eheschließung, der Buße und der Eucharistie vor dem Missbrauch durch Häretiker bewahrt werden sollen. Beide Texte werfen ein Licht auf die zunehmende Klerikalisierung der katholischen Kirche und auf die literarischen Zusammenhänge, in denen sich die Auseinandersetzung mit Häretikern im Laufe des 12. Jh.s entwickelte.

6 Spätbyzantinische Theologie


Als letzter Band ist eine Edition von Texten des byzantinischen Mönchs, Theologen und Philosophen Nicephorus Blemmydes (1198–1269/72) anzuzeigen.28 Mit ihr beschließt Michel Stavrou (Institut für orthodoxe Theologie Saint-Serge/Paris) die kritische Neuausgabe der Schriften dieses bedeutenden geistlichen Repräsentanten des Kaiserreichs von Nikaia, die bisher nur bei Migne (PG 142) und in der Bibliotheca Teubneriana (Leipzig 1896) zugänglich waren. Die hier vorliegende Ausgabe enthält a) einen Brief an Erzbischof Jacques von Bulgarien, der die Stellung des Heiligen Geistes in der Trinität und das Problem des filioque erörtert; b) ein in der literarischen Gestalt eines Briefes verfasstes Traktat »Über die Theologie«, das Gedanken über die Erkenntnis des transzendenten Gottes entfaltet, an Johannes von Damaskus anknüpft und zahlreiche Väterzitate anführt; c) Thesen, in denen das Für und Wider der Herkunft des Heiligen Geistes aus Vater und Sohn in der Gestalt von Syllogismen erörtert wird; d) zwei kurze Berichte über die Unionsgespräche zwischen Byzantinern und Lateinern sowie f) ein Traktat »Über den Glauben«, eine zusammenfassende Darstellung des christlichen Glaubens, die in drei Abschnitten das Geheim-nis des trinitarischen Gottes entfaltet und offenbar aus dem Un-terricht der Mönche erwachsen ist. Die Texte, die in der Mitte des 13. Jh.s entstanden sind, entfalten auf dem Hintergrund der Ge­spräche mit den Lateinern die byzantinische Pneumatologie zwischen Photius und Gregor Palamas. Sie werden hier in kritischer Edition mit einer kurzen Einleitung sowie mit einer Übersetzung vorgelegt. Für eine ausführliche Einleitung in Leben und Werk des Nicephorus Blemmydes ist auf den bereits 2007 erschienenen Band 1 (SC 517) zu verweisen.

Fussnoten:

1) Cyprien de Carthage: Ceux qui sont tombés (de lapsi).Texte cri-tique du CCL 3 (M. Bévenot). Introduction, traduction et apparats par G. W. Clarke et M. Poirier. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 262 S. = Sources Chrétiennes, 547. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-2-204-09915-8.
2) Cyprien de Carthage: La Jalousie et l’Envie. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par M. Poirier. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 148 S. = Sources Chrétiennes, 519. Kart. EUR 20,00. ISBN 978-2-204-08643-1.
3) Lactance: Institutions divines, Livre VI. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par Ch. Ingremeau. Paris: Les Éditions du Cerf 2007. 431 S. = Sources Chrétiennes, 509. Kart. EUR 47,00. ISBN 978-2-204-08449-9.
4) Ambroise de Milan: Jacob et la Vie heureuse. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par G. Nauroy. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 645 S. = Sources Chrétiennes, 534. Kart. EUR 72,00. ISBN 978-2-204-09348-4.

5) Origène: Commentaire sur l’Épître aux Romains. Texte critique par C. P. Hammond Bammel. Introduction par M. Fédou. Traduction, notes et index par L. Brésard. Tome I (Livres I–II). Paris: Les Éditions du Cerf 2009. 458 S. = Sources Chrétiennes, 532. Kart. EUR 41,00. ISBN 978-2-204-09164-0. Tome II (Livres III–V). Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 542 S. = Sources Chrétiennes, 539. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-2-204-09417-7. Tome III (Livres VI–VIII). Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 606 S. = Sources Chrétiennes, 543. Kart. EUR 52,00. ISBN 978-2-204-09657-7. Tome IV (Livres IX–X). Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 503 S. = Sources Chrétiennes, 555. Kart. EUR 51,00. ISBN 978-2-204-09956-1.
6) Eusèbe de Césarée: Questions évangéliques. Introduction, texte critique, traduction et notes par C. Zamagni. Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 255 S. = Sources Chrétiennes, 523. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-2-204-08788-9.

7) Pseudo-Justin: Ouvrages apologétiques. Exhortation aux Grecs (Marcel d’Ancyre?) – Discours aux Grecs – Sur la Monarchie.Introduction, texte grec, traduction et notes par B. Pouderon avec la collaboration de C. Bost-Pouderon, M.-J. Pierre et P. Pilard. Paris: Les Éditions du Cerf 2009. 429 S. = Sources Chrétiennes, 528. Kart. EUR 43,00. ISBN 978-2-204-09026-1.
8) Grégoire de Nysse: Contre Eunome I: 1–146.Texte grec de W. Jaeger (GNO I,1). Introduction, traduction et notes par R. Winling. Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 225 S. = Sources Chrétiennes, 521. Kart. EUR 23,00. ISBN 978-2-204-08716-2. Contre Eunome I: 147–691. Texte grec de W. Jaeger (GNO I,1). Traduction, notes et index par R. Win­ling. Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 391 S. = Sources Chrétiennes, 524. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-2-204-09211-1.
9) Amphiloque d’Iconium: Homélies, I (Homélies 1–5). Introduction, traduction, notes et index par M. Bonnet et S. J. Voicu. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 375 S. = Sources Chrétiennes, 552. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-2-204-09979-0. Homélies, II (Homélies 6–10 – Fragments divers – Épître synodale – Lettre à Séleucos). Traduction, notes et index par M. Bonnet et S. J. Voicu. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 389 S. = Sources Chrétiennes, 553. Kart. EUR 40,00. ISBN 978-2-204-09980-6.
10) Évagre le scholastique: Histoire ecclésiastique, I. Livres I–III.Texte grec de l’édition J. Bidez-L. Parmentier. Introduction par G. Sabbah. Annotations par L. A. de la Beaumelle et G. Sabbah. Traduction par A.-J. Festugière, B. Grillet et G. Sabbah. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 582 S. m. Ktn. u. Tab. = Sources Chrétiennes, 542. Kart. EUR 52,00. ISBN 978-2-204-09701-7.

11) Maxime le Confesseur: Questions à Thalassios, 1 (Questions 1 à 40). Introduction et notes par J.-C. Larchet. Traduction par F. Vinel. Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 427 S. = Sources Chrétiennes, 529. Kart. EUR 41,00. ISBN 978-2-204-09385-9. Questions à Thalassios, 2 (Questions 41 à 55). Traduction par F. Vinel. Notes par J.-C. Larchet. Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 303 S. = Sources Chrétiennes, 554. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-2-204-09932-5.
12) Jean Damascène: La Foi orthodoxe 1–44. Texte critique de l’édition B. Kotter (PTS 12). Introduction, traduction et notes par P. Ledrux. Avec la collaboration de V. Kontouma-Conticello et G.-M. de Durand. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 375 S. = Sources Chrétiennes, 535. Kart. EUR 45,00. ISBN 978-2-204-09151-0. La Foi orthodoxe 45–100. Texte critique de l’édition B. Kotter (PTS 12). Introduction, traduction et notes par P. Ledrux. Avec la collaboration de G.-M. de Durand (†). Ouvrage publié avec le concours de l’Œuvre d’Orient. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 361 S. = Sources Chrétiennes, 540. Kart. EUR 43,00. ISBN 978-2-204-09545-7.
13) Hilaire de Poitiers: Commentaires sur les Psaumes, I (Psaumes 1–14).Texte critique du CCL 61 (J. Doignon). Introduction, traduction, notes et index par P. Descourtieux. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 370 S. = Sources Chrétiennes, 515. Kart. EUR 37,00. ISBN 978-2-204-08755-1.
14) Avit de Vienne: Éloge consolatoire de la chasteté (Sur la virginité).Introduction, texte critique, traduction, notes et index par N. Hecquet-Noti. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 245 S. = Sources Chrétiennes, 546. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-2-204-09751-2.

15) Vie de Césaire d’Arles. Texte critique de G. Morin. Introduction, révision du texte critique, traduction, notes et index par M.-J. Delage avec la collaboration de M. Heijmans. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 357 S. = Sources Chrétiennes, 536. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-2-204-09407-8.
16) Grégoire le Grand: Homélies sur l’Évangile, 2 (Homélies XXI–XL). Texte latin, introduction, traduction et notes par R. Étaix (†), G. Blanc et B. Judic. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 586 S. = Sources Chrétiennes, 522. Kart. EUR 58,00. ISBN 978-2-204-08845-9.

17) Grégoire le Grand: Morales sur Job. Sixième partie (Livres XXX–XXXII). Texte latin de M. Adriaen (CCL 143B). Traduction par Les Moniales de Wisques. Introduction et notes par A. de Vogüé. Paris: Les Éditions du Cerf 2009. 507 S. = Sources Chrétiennes, 525. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-2-204-09114-5. Morales sur Job. Sixième partie (Livres XXXIII–XXXV).Texte latin de M. Adriaen (CCL 143B). Traduction par Les Moniales de Wisques. Introduction et notes par A. de Vogüé. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 395 S. = Sources Chrétiennes, 538. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-2-204-094771.
18) Grégoire le Grand: Registre des Lettres, II (Livres III–IV). Texte latin de D. Norberg (CCL 140). Introduction et notes par M. Reydellet. Traduction par P. Minard (†) et M. Reydellet. Paris: Les Éditions du Cerf 2008. 430 S. = Sources Chrétiennes, 520. Kart. EUR 43,00. ISBN 978-2-204-08735-3.

19) Raban Maur – Claude de Turin: Deux commentaires sur le Livre de Ruth.Texte latin par G. Colvener et I. M. Douglas. Introduction, traduction, notes et index par P. Monat. Paris: Les Éditions du Cerf 2009. 189 S. = Sources Chrétiennes, 533. Kart. EUR 20,00. ISBN 978-2-204-09181-7.

20) Jonas d’Orléans: Instruction des laïcs, I (Livres I–II, 16). Introduction, texte, traduction et notes par O. Dubreucq. Préface de M. Rouche. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 467 S. = Sources Chrétiennes, 549. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-2-204-09985-1.
21) Bernard de Clairvaux: Lettres, III (Lettres 92–163). Texte latin des S. Bernardi Opera par J. Leclercq, H. Rochais et H. Talbot. Introduction, traduction et notes par M. (†) et G. (†) Duchet-Suchaux. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 471 S. = Sources Chrétiennes, 556. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-2-204-09984-4.

22) Bernard de Clairvaux: Sermons divers, II (Sermons 23–69). Texte latin des S. Bernardi Opera par J. Leclercq, H. Rochais et Ch. H. Talbot. Introduction et notes par F. Callerot. Traduction par P.-Y. Émery, révisée par F. Callerot. Paris: Les Éditions du Cerf 2007. 476 S. = Sources Chrétiennes, 518. Kart. EUR 47,00. ISBN 978-2-204-08584-7. Sermons divers, III (Sermons 70–125). Texte latin des S. Bernardi Opera par J. Leclercq, H. Rochais et Ch. H. Talbot. Traduction par P.-Y. Émery, révisée par F. Callerot. Notes et index par F. Callerot. Paris: Les Éditions du Cerf 2012. 467 S. = Sources Chrétiennes, 545. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-2-204-09739-0.
23) Bernard de Clairvaux: Sermons variés. Texte latin des S. Bernardi Opera par J. Leclercq, H. Rochais et Ch. H. Talbot. Introduction et notes par F. Callerot. Traduction par P.-Y. Émery, et. G. Raciti, révisée par F. Callerot. Paris: Les Éditions du Cerf 2010. 297 S. = Sources Chrétiennes, 526. Kart. EUR 29,00. ISBN 978-2-204-09445-0.
24) Bernard de Clairvaux: Office de saint Victor.Prologue à l’antiphonaire – Lettre 398. Texte latin de l’office par C. Maître. Introduction par C. Maître et G. Dubois. Traduction par E. Lenaerts-Lachapelle, B. de Vregille, L, Mellerin, P.-Y. Emery, F. Callerot, Ch. Cosme. Annexes par C. Maître. Paris: Les Éditions du Cerf 2009. 310 S., 14 Taf. m. Abb. u. 1 CD-ROM = Sources Chrétiennes, 527. Kart. EUR 67,00. ISBN 978-2-204-09009-4.
25) Geoffroy d’Auxerre: Notes sur la vie et les miracles de saint Bernard. Fragmenta I – [précédé de] Raynaud de Foigny: Fragmenta II. Introduction, texte, traduction, notes et index par R. Fassetta. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 205 S. m. Abb. u. Tab. = Sources Chrétiennes, 548. Kart. EUR 27,00. ISBN 978-2-204-09755-0.

26) Guillaume de Saint-Thierry: Exposé sur l’Épître aux Romains, 1 (Livre I–III). Texte latin (CCM 86/A) par P. Verdeyen. Introduction, traduction et notes par Y.-A. Baudelet. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 386 S. = Sources Chrétiennes, 544. Kart. EUR 37,00. ISBN 978-2-204-09758-1.
27) Guillaume Monachi: Contre Henri schismatique et hérétique. Suivi de Contre les hérétiques et schismatiques (anonyme). Introduction, traduction, notes et index par M. Zerner. Paris: Les Éditions du Cerf 2011. 340 S. = Sources Chrétiennes, 541. Kart. EUR 41,00. ISBN 978-2-204-09595-2.
28) Nicéphore Blemmydès: Œuvres théologiques, II. Introduction, texte critique, traduction et notes par M. Stavrou. Paris: Les Éditions du Cerf 2013. 420 S. = Sources Chrétiennes, 558. Kart. EUR 42,00. ISBN 978-2-204-09687-4.