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Ausgabe:

Mai/1999

Spalte:

575–577

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Suttner, Ernst Christoph:

Titel/Untertitel:

Kirche und Nationen. Beiträge zur Frage nach dem Verhältnis der Kirche zu den Völkern und der Völker zur Religion, I u. II.

Verlag:

Würzburg: Augustinus 1997. 642 S. gr.8 = Das östliche Christentum, N.F. 46, 1-2. Kart. DM 39,80. ISBN 3-7613-0185-5.

Rezensent:

Wolfgang Hage

Im Titel dieser beiden Bände sieht Suttner, Ordinarius für Patrologie und Ostkirchenkunde in Wien, den gemeinsamen Nenner für 40 eigene Beiträge aus den Jahren 1975 bis 1996: zur Hälfte (z. T. bislang unveröffentlichte) Vorträge, bzw. Referate, zur anderen verstreut erschienene Aufsätze, die er hier nun leichter zugänglich macht (Erstveröffentlichung vor allem in "Ostkirchliche Studien", "Der Christliche Osten" und in Festschriften). Das alles faßt S. zu drei unterschiedlich umfangreichen Sachgruppen zusammen: "Christentum und Nationen" (14 Beiträge)- "Staatenwelt und Religionen" (nämlich "Ost- und Südosteuropa" mit 17, sowie "Levante und übriger Orient" mit 7 Beiträgen) - "Um den Frieden bemüht" (mit den beiden allgemeiner ausgerichteten Titeln: "Geschichtsunterricht und Völkerverständigung; zum ,Sitz im Leben’ für die Geschichtsschreibung", 619-629, und "Bilder von den anderen", 630-642).

In der Mehrzahl seiner Beiträge hat S. die Slawen im Blick. Es entspricht also diesem thematischen Schwergewicht der Bände, daß er mit einem Überblick über "Die Christianisierung der Slawen" (9-27) einsetzt, der die abendländische wie byzantinische Mission unter den einzelnen Slawenvölkern berücksichtigt, und "Benedikt, Kyrill und Method als Patrone Europas" (38-50) herausstellt. Aus der größeren Zahl der weiteren Titel seien hier für die Russen erwähnt: "Tausend Jahre seit der Christianisierung der Ostslawen" (63-73), "Sowjetische Religionspolitik von 1917 bis 1989" (347-365), "Rußland und die Orthodoxe Kirche" (504-509) sowie "Alte Rivalitäten aufs neue? Zum Verhältnis zwischen römischer und russischer Kirche" (455-474); für den Südosten Europas: "Das religiöse Moment in seiner Bedeutung für Gesellschaft, Nationsbildung und Kultur Südosteuropas" (84-96), "Die heilige Petka - Bindeglied für die Völker Südosteuropas und Symbol ihrer Selbstbehauptung" (108-115), "Kirchensprache und Nation in der bulgarischen Geschichte" (28-37), "Religiöse und ethnische ,Minoritäten’ in der Donaumonarchie an der Wende zum 20. Jahrhundert" (301-316), "Das ,soziale Apostolat’ der rumänischen Orthodoxie im ersten Jahrzehnt nach dem 2. Weltkrieg" (387-419) und "Kirchliches Leben in der Republik Moldawien" (493-503). Auf größere Zusammenhänge blickt S. in Beiträgen wie: "Zur Bedeutung des Lebenswerks der Schüler von St. Kyrill und Method für die Ekklesiologie" (51-62) oder "Staat aus orthodoxer Sicht" (195-213), bzw. auch über Europa hinaus: "Die armenische Kirchengeschichte - eine Geschichte unter dem ,lebenspendenden Kreuz’" (74-83, eine Festrede beim Wienbesuch des Katholikos Vasken I., 1981).

Spezielle Aufmerksamkeit finden die Unionen Roms im Kreise der östlichen Kirchen und die Geschicke der Unierten in den verschiedenen Staaten. Hier spiegelt sich das besondere Interesse S.s, der zu diesem Bereich mit Veröffentlichungen hervorgetreten ist, die den Inhalt dieser beiden Bände überschreiten, und der als Mitglied der gemischten internationalen Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche eine verständnisvoll-kritische Position einnimmt.

S. behandelt hier "Theologische und nicht-theologische Motive für die Unionen von Marca, von Uzgorod und von Siebenbürgen" (116-126) sowie "Die Synoden von Zamosc (1720) und Wien (1773) als prägende Ereignisse für die Unierten Polens und der Donaumonarchie" (317-332) und skizziert "Österreichs Politik gegenüber der griechisch-katholischen Kirche Galiziens" (333-346). Im Blick auf die gänzlich neue Situation unter den politischen Folgen des Zweiten Weltkrieges würdigt er "Kardinal Julius Hossu, eine aufrechte Gestalt in den Stürmen der Zeit", der als standhafter Gegner der Zwangseingliederung seiner Rumänischen Unierten Kirche in die Orthodoxe Kirche 1970 in Klosterhaft starb (382-386) und beschreibt "Die Unterdrückung der Ukrainischen Unierten Kirche unter Stalin und das Moskauer Patriarchat" (366-381); und den erneuten politischen Wandel in der Gegenwart berücksichtigt er im Blick auf "Aus der Wiedergewährung von Religionsfreiheit für die mit Rom unierten Kirchen der Ukraine und Siebenbürgens erwachsene Schwierigkeiten" (510-516) sowie in seinem Beitrag: "Die ukrainische Christenheit auf dem Weg ins dritte Jahrtausend" (150-194, mit ausführlichem historischem Rückblick). Zu den römischen Unionsbestrebungen weltweit gibt S. schließlich unter dem Titel "Die Jesuiten und der christliche Osten" (554-571) einen zusammenfassenden Überblick.

Dieser letztgenannte Beitrag findet sich bereits im "levantinischen" Teil der Sammlung, in dem S. auch "Ephesus in der alten Kirchengeschichte" (536-543) behandelt: das Geschick einer alten kirchlichen Metropole, die im entstehenden Patriarchat Konstantinopel aufgeht. Im übrigen kommen hier - in kleinerer Auswahl - die orientalischen Christen in den Blick: "Das Patriarchat von Jerusalem" (517-535, als kurzer Gang durch dessen Geschichte von der Urgemeinde bis zur Gegenwart, unter besonderer Berücksichtigung der Entstehung des Lateinischen Patriarchats), die Orientalen insgesamt ("Die Konfrontation der Ostkirchen mit westlicher Theologie unter osmanischer Herrschaft", 572-580, einschließlich des Beitrages Rußlands) sowie speziell mit jeweils einem Titel noch einmal die Armenier ("Eine ,ökumenische Bewegung’ im 12. Jahrhundert und ihr bedeutendster Theologe, der armenische Katholikos Nerses Schnorhali", 544-553), die Ostsyrer ("Die Union der sogenannten Nestorianer aus der Gegend von Urmia [Persien] mit der Russischen Orthodoxen Kirche", 581-590) und die Äthiopier ("Kirchliches Leben in Äthiopien und Eritrea", 591-618).

Die hier zusammengefaßten Beiträge handeln über "Kirche und Nationen" also unter einem weiten Dach, das sich vom kirchlichen Altertum bis in die aktuelle Gegenwart spannt und damit auf staatlicher Seite die Vielfalt der Akteure zusammenfaßt: Byzanz und das mittelalterliche Deutsche Reich (in der Welt der Slawen), die Herrschaft des Islam und hier vor allem das Osmanische Reich (mit seinem Millet-System und dem darin angelegten Gegenüber Konstantinopels zu den melkitischen Patriarchaten), die Kreuzfahrer des Mittelalters und die in der Neuzeit im Orient um Einfluß ringenden europäischen Mächte, die Donaumonarchie in ihrer religiösen Vielfalt, die jungen Nationalstaaten des Balkan in ihrem Verhältnis zu den Religionen und Konfessionen, schließlich das unter zugleich nationalen und religiösen Konfrontationen zerfallene Jugoslawien wie der gegenwärtige (politisch bedingte und nun auch kirchlich ausgetragene) Streit äthiopiens mit Eritrea. In dieser weit gespannten überschau vereinen die einzelnen Beiträge auch ihrem Charakter nach Unterschiedliches miteinander: Untersuchungen speziellerer Art und allgemeiner gehaltene überblicke über größere Zusammenhänge für den größeren Hörer-(jetzt Leser-)kreis.

Daß dabei aus der Fülle des Materials jeweils eine Auswahl getroffen werden mußte, liegt in der Natur der Sache, bringt es aber auch mit sich, daß der kritische Leser hier und da anders ausgewählt und akzentuiert hätte. Allgemein folgen mag man S. aber gern in seiner immer wieder anklingenden Kritik an der lange für selbstverständlich gehaltenen eurozentrischen Haltung im Urteil über den Osten; und im Blick auf das Ganze der hier vorgelegten Sammlung gesteht man ihm ebenso gern zu, daß die ursprünglichen Einzelbeiträge in dieser Zusammenstellung ein zusammenhängendes und eindrückliches Bild von dem großen Thema geben, unter dem er sie nun noch einmal gemeinsam veröffentlicht hat. Man hätte es sich nur gewünscht, daß er diese hier neu geschaffene Einheit auch durch ein Gesamtregister zum Ausdruck gebracht und damit dem Benutzer den Zugang zu der ganzen Fülle seiner Informationen erleichtert hätte.